Doch nicht auf seinen Leisten sich beschränkt.
Und Weberschiff, wie’s einem Weib gebührt,
Mit Kraut und Bildern Hexereien machten.
Hat an der Gränze beider Hemisphären
Der Mond im Westen schon die Flut berührt.
Und sahst ihn dir im dichtverwachsnen Wald[2]
Verschiedne Mal willkommnes Licht gewähren.“
Das ich zu sagen nicht für nöthig halte;
Und oben, an des Bogens höchstem Ort,
[117] Und hörten draus den eitlen Laut der Qual,
Und sahn, wie unten tiefes Dunkel walte.
Das Pech im Winter sieht aufsiedend wogen,
Womit das lecke Schiff, das manches Mal
Kalfatert wird – da stopft nun der in Eil’
Mit Werg die Löcher aus am Seitenbogen,
Der ist bemüht, die Segel auszuflicken,
Der bessert Ruder aus, der dreht ein Seil;
Das kocht durch Gottes Kunst und nicht durch Glut,
Deß Dünste sich am Strand zum Leim verdicken.
Die jetzt sich senkt’, und jetzt sich wieder blähte,
Als Blasen, ausgehaucht vom regen Sud.
Zog mich, indem er rief: „Hab’ Acht! Hab’ Acht!“
Mein Meister zu sich hin von meiner Stätte.
- ↑ 124. Der Mond, der gestern Abend voll war, geht eben an der Gränze der östlichen und westlichen Hemisphäre unter. Also kommt der Morgen des zweiten Tages der Reise.
- ↑ 128. Ehe Dante die Sonne der Wahrheit scheinen sah, war er im Walde, Gs. 1. [Der Mond ist Repräsentant der verdunkelten Vernunft, die je dennoch uns oft noch vom Aergsten zurückhält.]
- ↑ XXI. 1. Wir sehen von der Felsenbrücke hinab in die fünfte Abtheilung des achten Kreises. In dieser werden diejenigen bestraft, welche betrügerisch ein Staatsamt mißbrauchen, um sich zu bereichern. Sie sind in einem Teiche voll siedenden Peches versenkt, in welchem sie von Zeit zu Zeit aufzutauchen versuchen, um sich etwas abzukühlen. Aber Teufel sind angestellt, um zu wachen, daß dies nicht geschehe. Wenn sich einer über die Oberfläche des Pechs vorwagt, wird er zurückgestoßen, oder wenn er es zu weit treibt, angehakt und herausgezogen, um geschunden zu werden, und dann ins Pech zurückgeworfen, um noch größere Qual zu empfinden.
Auch hier werden wir ohne Mühe das Verhältniß zwischen Verbrechen und Strafe erkennen. Wer einmal ein Staatsamt mißbraucht, ist für immer besudelt mit Pech, das brennend an seiner Haut klebt [117] und durch kein Mittel wieder wegzubringen ist. Und das erste Verbrechen dieser Art, die innere und äußere Würde des Sünders zerstörend und ihm die Fähigkeit des Widerstandes gegen ähnliche Versuchung raubend, führt unfehlbar zu den folgenden, bis endlich der Gauner ganz im Pechpfuhle versinkt. – Unter den Teufeln, welche zugleich als Werkzeuge der Strafe und als Bestrafte erscheinen, mögen wir uns Vorgesetzte denken, welche erst den Verbrechen ihrer Untergebenen nachsehen, um selbst an dem Gewinne Theil zu nehmen, die nun aber, wenn einmal der Sünder ganz im Pechpfuhle versunken ist, das höchste Interesse dabei haben, daß er nicht wieder auftauche – die ihn daher immer wieder zurückstoßen mit ihren Haken, und wenn er zu weit über die Oberfläche sich erhebt, ihn herausziehen, um ihn zu schinden. Wir werden, wenn wir diesem Gedanken folgen, finden, daß die Teufelshetze im folgenden Gesange noch etwas mehr, als ein poetisches Spiel ist.
Daß zu Zeiten bürgerlicher Unordnung die Classe der öffentlichen Beamten schlecht werde, ist unvermeidlich, und sie muß wohl zu Dante’s Zeiten sehr schlecht gewesen sein, da er ihr zwei volle Gesänge widmet. In Zeiten der Ruhe schleichen sich in die Staatsverwaltung die Mißbräuche ein, und drehen sich still in Schlangenwindungen weiter. In Zeiten der Unordnung brechen sie bewaffnet hervor, und verheeren ohne Scheu, was ihnen vorkommt.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 116 bzw. 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_116117.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)