Das gegen Karln zur Kühnheit dich verführte.[1]
Für jene Schlüssel, die du einst getragen,
Da du gewandelt in der heitern Welt,
Daß schlecht die Welt durch eure Habsucht ist,
Die Guten sinken, und die Schlechten ragen.
Bei Ihr, die sitzend auf den Wasserwogen
Mit Königen zu buhlen sich vermißt.
Sie hatt’ in zehen Hörnern Kraft und Macht,
So lang’ der Tugend ihr Gemahl gewogen.
Wohl besser sind die, so an Götzen hangen,
Die einen haben, wo ihr hundert macht.
Nicht, weil du dich bekehrt, nein, weil das Gut
Der erste reiche Papst von dir empfangen.““
Da, sei’s, daß Zorn ihn, daß ihn Reue nagte,
Verdreht’ er beide Bein’ in großer Wuth.
So stand er dort, zufrieden, aufmerksam,
Als ich so nachdrucksvoll die Wahrheit sagte;
Und als er mich an seine Brust gewunden
Den Weg zurückestieg, auf dem er kam.
Mich auf des Bogens Höhe sonder Rast,
[111] Durch den der viert’ und fünfte Damm verbunden.
Sanft, ob der Fels auch, steil emporgeschossen,[4]
Zum Wege kaum für eine Ziege paßt;
Sie gibt dem zwanzigsten Gesange Stoff
Des ersten Lieds, das von Verdammten handelt.
Und spähte scharf hinab zum offnen Schlunde,
Der ganz von angsterpreßten Zähren troff.
So, wie ein Wallfahrtszug die Schritte lenkt,
Stillschweigend, weinend in dem tiefen Grunde.
- ↑ 99. Nikolaus, stolz auf seine Reichthümer, verlangte, daß Karl der Erste, König von Sicilien, einen seiner Verwandten mit einer Dame aus dem Hause Orsini vermählen sollte, und befeindete den König, da dieser eine solche Verbindung verschmähete.
- ↑ 106. Vgl. das 17. Kapitel der Apokalypse. Vielleicht deutet der Dichter auf die sieben Sacramente und zehn Gebote, welche der Kirche Kraft geben, so lange ihr Oberhaupt tugendhaft ist.
- ↑ 115. Der Dichter nimmt an, daß Kaiser Constantin die weltliche Macht des Papstes begründet habe, durch seine Schenkung, welche aber unhistorisch ist.
- ↑ [111] 131. Obwohl man nach dem Emporsteigen auf steilen Felsenwegen hätte glauben sollen, daß Virgil die schwere Last schnell und daher unsanft niedersetzen würde, setzte er sie doch langsam und daher sanft auf den Boden. Den katholischen Christen mag es allerdings schwer sein, nach der Betrachtung der Laster der Päpste sich wieder zum Glauben an die Vortrefflichkeit des Papstthums, als nothwendiger kirchlicher Anstalt, zu überzeugen. Aber die Vernunft lehrt Person und Sache unterscheiden, und trägt ihn aus der Tiefe, in welcher ihm die Verwerflichkeit der Person klar wurde, sanft und unverletzt empor zum höheren Standpuncte, von welchem aus die Sache zu betrachten ist.
- ↑ XX. 1. Die Dichter sehen von der Felsenbrücke hinab in die vierte Abtheilung des achten Kreises, in welchem Zauberer und Wahrsager bestraft werden. Die Sünder gehen in diesem Kreise mit zum Rücken gekehrten Gesichtern. Wie sie daher auch gehen mögen, sie gehen rückwärts und das Vorwärtsschauen ist ihnen entrissen und vernichtet (tolto V. 15). Wir dürfen in dieser Strafe die weise Lehre erkennen: Das Vordringen in die Zukunft ist naturwidriger Frevel. Ihr, die ihr euch dessen schuldig macht, sollt statt vor- immer rückwärts gehen und nicht sehen, was in der natürlichen Richtung vor euern Füßen liegt
- ↑ 10. Der Dichter hat erst, geradeaus blickend, den Strafort von der Brücke aus überschaut und nur einen Zug von Büßern gesehen. Jetzt [112] senkt er die erst vorwärts gerichteten Augen, d. h. er blickt vom Brückenende mehr gerade unter sich, und nun erkennt er die wunderliche Verrenkung.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 110 bzw. 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_110111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)