Der Felspfad uns, der, auf den Widerlagen
Der Dämme hier den andern Bogen schlug.
Und Leute sahn wir tief im Grunde sich
Laut schnaufend mit den flachen Händen schlagen.
Vom untern Dunste, der wie Teig dort klebte,
Für Aug’ und Nase feindlich widerlich;
Noch dunkle Nacht, weil tief der Abgrund ist,
Bis ich des Felsenbogens Höh’ erstrebte.
Sah ich viel Leut’ im tiefen Kothe stecken,
Wie in dem Abort er zu finden ist.
Doch ganz beschmutzt mit Koth, drum konnt’ ich nicht,
Ob’s Lai’, ob Pfaffe sei, genau entdecken.
Mich mehr, als andre Schmutz’ge, zu gewahren?“
Und ich: „„Weil, ist mir recht, ich dein Gesicht
Alex Interminei heißest du,[2]
Drum seh ich mehr auf dich, als jene Schaaren.““
„Mich stürzte Schmeichelei herab zur Hölle,
Die meine Zunge übte sonder Ruh.“
Dich etwas vor, und in die Augen fällt
Dir eine schmutz’ge Dirn’ an jener Stelle.
Mit koth’gen Nägeln, jetzt aufs Neue greulich
[105] Im Mist versinkt und jetzt sich aufrecht stellt.
Fragt’ einst ihr Buhl: „Steh ich in Gunst bei dir?“
Versetzte sie: „Ei, ganz erstaunlich! Freilich!“
Die, was der Tugend ihr vermählen sollt,
- ↑ 103. Zweite Abtheilung des achten Kreises, in welcher die Schmeichler bestraft werden. Wie verächtlich dem Dichter dieses Schandgezücht sein mußte, wird man wohl aus seiner ganzen Art und Weise erkennen. Er versenkt sie in Menschenkoth, in welchem sie gegen sich selbst wüthen, da sie sehen, zu welchem Ziele sie die Süßigkeit ihrer Worte geführt hat.
- ↑ 122. Alex Interminei, ein Edelmann von Lucca, als großer Schmeichler bekannt.
- ↑ [105] 133. Thais, die Buhlerin aus den Eunuchen des Terenz, als Repräsentantin der ganzen Gattung buhlerisch sich einschmeichelnder Dirnen.
- ↑ XIX. 1. Simon Magus (Apostelgeschichte Kap. 8, V. 9 ff.) Von ihm hat das Verbrechen der Simonie, das in dieser dritten Abtheilung bestraft wird, seinen Namen erhalten. Man versteht darunter die Ertheilung und Erwerbung geistlicher Aemter für Geld. Diejenigen, welche dieses Verbrechens sich schuldig machen, finden wir, mit den Köpfen unten, eingerammt in engen Löchern, aus welchen noch die Beine bis an die Waden vorragen. Die Fußsohlen stehen in Flammen, die darauf hin und her gleiten. Für die Päpste, die dieses Verbrechens sich schuldig gemacht, ist ein besonderes Loch, und derjenige, der darin steckt, empfindet heftigern Schmerz als die anderen, da er wegen der heiligern Pflicht, welche die höchste Würde ihm auflegte, auch die schärfere Strafe für deren Verletzung verdient. Immer nur Einer steckt in diesem Loche, so lange bis ein anderer Papst wegen desselben Verbrechens zur Hölle fährt (V. 73–78). Der Vorgänger sinkt dann tiefer hinab, ohne daß wir erfahren, worin dann seine Strafe besteht. Aber sie muß wohl noch schwerer sein, weil die schwereren Verbrecher in tieferen Kreisen bestraft werden. Wer geistliche Aemter, zu welchen nur die Gaben des heiligen Geistes befähigen, für Geld ertheilt und erwirkt, kehrt die Ordnung der Kirche um, auf welcher ihre ganze segensreiche Einwirkung auf das Leben der Christen beruht. Das Obere unten, eingepfählt im engen Loche, jeder freien Bewegung beraubt, fühlt er in den Flammen der Füße, daß ihm das Licht des Evangeliums das er mit Füßen getreten, jetzt zum brennenden Gerichtsfeuer wird. – Der einzig hohen Würde des Papstes gebührt für die Verletzung der Pflicht ein einziges Loch und beim unaufhörlichen Fortwirken des Verbrechens ein immer tieferes Versinken, eine immer schwerere geheimnißvolle Strafe. – [Man denke übrigens bei diesem Gesang an das früher über Dante’s Stellung zum Papstthum Gesagte und staune über seinen Muth, besonders in der berühmten Stelle V. 52. 90 ff.!]
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 104 bzw. 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_104105.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)