Von den Genossen dieser Pein und Schmach
So wie von andern schweigen löblich scheint,
Auch müssen wir zu bald uns wieder trennen.
Von großem Ruf, die einst besudelt waren
Mit jenem Fehl, den Jeder nun beweint.
Auch Priscian, und war dir’s nicht zu schlecht,[2]
Vorhin so schnöden Aussatz zu gewahren,
Zwang, nach Vicenz vom Arno aufzubrechen,
AIIwo der Tod sein toll Gelüst gerächt.
Darf ich nicht länger, denn schon hebt sich dicht
Ein neuer Rauch auf jenen sand’gen Flächen.
Geschieden hat – Mein Schatz sei dir empfohlen,
Ich leb’ in ihm noch – mehr begehr ich nicht.“
Wie nach dem Ziel mit grünem Tuch geziert,
Der Veroneser läuft mit flücht’gen Sohlen
Der mächtig stürzte in das nächste Thal,
[89] Gleich eines Bienenschwarmes dumpfem Sausen.
Und trennten sich von einer größern Bande,
Die hinlief durch des Feuerregens Qual,
Dir deutlich an, du bist hierher versetzt
Aus unserm eignen schnöden Vaterlande.“
Von Flammen, sah ich nun in ihrem Fleische,
Und denk’ ich dran, so jammert’s mich noch jetzt.
Und sah mich an und sprach: „Hier harren wir!
Bedenke jetzt, was Höflichkeit erheische.
Nach der Natur des Orts, so sagt’ ich: „Eile
Gezieme jetzo, mehr als ihnen, dir.“
Zu uns gekommen, faßten Alle nun,
Sich an, im Rad sich drehend ohne Weile.
Die Griff und Vortheil zu erforschen pflegen,
Indessen noch die Püff’ und Stöße ruhn;
Mir immerdar das Antlitz zugewandt,
Und Hals und Fuß an Richtung sich entgegen.
- ↑ 109. Franz von Accorso, ein berühmter Florentiner Rechtsgelehrter.
- ↑ 110. Priscian. Man glaubt, daß Dante hier die Lehrer der Jugend, welche zu jener Zeit dem hier bestraften Laster sehr ergeben gewesen sein sollen, im Allgemeinen habe bezeichnen wollen, weil nicht bekannt ist, daß der berühmte Grammatiker Priscian damit befleckt gewesen ist. Dadurch erscheint die Sittenlosigkeit der Zeit nur in so üblerem Lichte.
- ↑ 112. Andreas Mozzi, Bischof von Florenz, welcher vom Papste nach Vicenza versetzt wurde.
- ↑ 124. Er lief so schnell wie der beste Wettläufer.
- ↑ XVI. 1. Dies Brausen kommt von dem Wasserfalle des Phlegethon, [89] welcher sich, wie wir in V. 92 ff. näher erfahren, in den achten Kreis hinabstürzt.
- ↑ 16–18. Wenn sie nicht, wie der Feuerregen bezeugt, hier als Sodomiter bestraft wären (oder auch, wenn nicht der Feuerregen dich hinderte), so würdest du, weil sie im Leben angesehnere Leute waren, als du, Veranlassung haben, ihnen eilig entgegen zu gehen, und nicht ihr Entgegenkommen zu erwarten. – Daher auch die Aufforderung zur Höflichkeit V. 15.
- ↑ 22–27. Die Beschreibung, welche in diesen sechs Versen enthalten ist, erscheint beim ersten Blicke vielleicht undeutlich. Aber sie wird immer klarer und plastischer, je näher man sie betrachtet. Kaum dürfte von irgend einem andern Dichter in so wenig Zeilen ein so bewegtes Gemälde aufgestellt worden sein.
Im fünfzehnten Gesange V. 37 haben wir erfahren, daß keiner von denen, welche durch den Feuerregen laufen, je still stehen darf. Den Dreien, die sich jetzt dem auf dem Damme stehenden Dichter nähern, [90] bleibt also, wenn sie ihn sprechen wollen, nichts weiter übrig, als sich immer vor ihm herum zu bewegen. Die kreisförmige Bewegung bleibt hierbei die natürlichste, weil sie ihm dabei am wenigsten den Rücken zukehren, auch nicht umzuwenden brauchen, wie dies geschehen müßte, wenn sie entlang des Dammes vor ihm auf- und abgingen. Weil aber ihre Füße die kreisförmige Bewegung machen, während ihr Gesicht sich so viel als möglich dem Dichter zukehrt, mit welchem sie sprechen, so muß freilich ihr Hals eine andere Richtung nehmen als der Fuß. Dieses Drehen des Halses und das Verfolgen im Kreise macht sie aber den Kämpfern ähnlich, die vor dem Gefechte ihren Vortheil absehen wollen.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 88 bzw. 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_088089.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)