Und wer ist der, so dir die Pfade zeigt?“
War ich, eh’ reif mein Alter, ohne Rath
Verirrt und rings von einem Thal umgeben,
Schon kehrt’ ich mich zurück, da kam mein Leiter
Und führt’ mich wieder heim auf diesem Pfad.““
Dann, wenn ich recht bemerkt im Leben, schafft
Er dich zum Hafen, ehrenvoll und heiter.
Hätt’ ich, da dir so hold die Sterne waren,
Dich selbst zum Werk beseelt mit Muth und Kraft.
Das niederstieg von Fiēsŏle und fast[2]
Des Bruchsteins Härte noch scheint zu bewahren,
Mit Recht, weil übel stets zu Dorngewinden
Mit herber Frucht die süße Feige paßt,
Voll Geiz, Neid, Hochmuth, faul an Schaal’ und Kern –
Laß rein dich stets von ihren Sitten finden!
[87] Daß beide Theile hungrig nach dir ringen,
Doch dieses Kraut bleibt ihrem Schnabel fern.
Sich gegenseits, doch nie berühr’s ein Kraut,
– Kann noch sein Mist hervor ein solches bringen –
Von jenen Römern, welche dort geblieben,
Als man dies Nest der Bosheit auferbaut.
Entgegnet’ ich, „„gewiß, ihr wäret nicht
Noch aus der menschlichen Natur vertrieben.
Noch seh’ ich’s vor betrübtem Geiste schweben,
Noch denk’ ich, wie ihr mich im heitern Licht
Und wie mir dies noch theuer ist und werth,
Soll kund, so lang’ ich bin, die Zunge geben.
Bewahr’ ich wohl. – Werd’ ich die Herrin schauen,
Nebst anderm Text wird mir auch dies erklärt.[5]
Ist’s nur mit dem Gewissen wohl bestellt,[6]
Dann macht kein Schicksal, wie’s auch sei, mir Grauen.
Doch mag der Bauer seine Hacke schwingen,
Und seinen Kreis das Glück, wie’s ihm gefällt.““
Nach mir zurück und sah mich an und sprach:
„Recht hören, die’s behalten und vollbringen.“[7]
Und wünschte die berühmtesten zu kennen
- ↑ 55. Brunetto verkündet aus der Constellation bei des Dichters Geburt ihm Ruhm.
- ↑ 62. Fiesole liegt auf dem Gebirge. Die Einwohner, welche die Ebene am Arno für sich und ihren Handel bequem fanden, verließen großtentheils ihren Wohnsitz und legten einige Stunden davon Florenz an. Also die Florentiner sind gemeint.
- ↑ 67. Die Commentatoren erzählen, daß die Florentiner die Stadt Pisa bewahrten, als die Pisaner zur Eroberung der Insel Majorka ausgezogen waren. Diese boten, siegreich zurückgekehrt, den Florentinern, zur Bezeigung ihrer Erkenntlichkeit, von der gemachten Beute ein Geschenk an, und ließen ihnen die Wahl zwischen zweien schön gearbeiteten bronzenen Thüren, die noch den Dom von Pisa schmücken sollen, und zweien Säulen von Porphyr, die durch Feuer verdorben, aber von den Pisanern mit Scharlach bedeckt waren. Die Florentiner wählten, ohne die Decke zu lüften, die letzteren und erhielten davon den Spottnamen die Blinden.
- ↑ 70. Dante schrieb dies nicht prophezeiend im Vorgefühl künftigen Ruhmes, sondern im Bewußtsein des bereits erworbenen. Wie schlecht er von seinen Landsleuten, und zwar von beiden Parteien derselben, [87] denkt, geht aus dieser, wie aus vielen anderen Stellen des Gedichts hervor. Daß er sich von der einen und andern Partei losgemacht, gibt er im Paradies Ges. 17 V. 68 zu erkennen.
- ↑ 90. [D. h. Ciacco’s und Farinata’s Prophezeiungen.
- ↑ 92. Einer der wenigen eigentlich gnomischen Sprüche bei Dante.]
- ↑ 99. Im Originale ben ascolta chi la nota. Es wird vorausgesetzt, daß Virgil hier seine eigenen Worte im Sinne gehabt: Superanda omnis fortuna ferenda est.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 86 bzw. 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_086087.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)