Rings um mich her, ob den, ob jenen Pfad,
Zum Geh’n und Schau’n sich Fuß und Auge wählte.
In ew’gem, kaltem, maledeitem Regen
Von gleicher Art und Regel früh und spat.
Die Nacht dort zu durchziehn in wildem Guß;
Stark qualmt die Erde, die’s empfängt, entgegen.
Bellt, wie ein böser Hund, aus dreien Kehlen
Jedweden an, der dort hinunter muß.
Mit weitem Bauch, die Tatzen scharf beklaut,
Viertheilt, zerkratzt und schindet er die Seelen.
Und sie verschaffen sich durch öft’res Drehen
Auf einer Seite mindstens trockne Haut.
Riß auf die Rachen, zeigt’ uns ihr Gebiß,
Und ließ kein Glied am Leibe stille stehen.
Erd’ aus dem Grund, die in die gier’gen Rachen
Er alsogleich mit vollen Fäusten schmiß.
Deß Bellen schweigt, wenn er den Fraß erbeißt,
Der g’nügend war, die Wuth ihm anzufachen,
Der so durchdröhnt die armen Leidensmatten,
Daß jeder hochbeglückt die Taubheit preist.
Indem wir auf ihr Nichts, das Körper schien,[3]
Im tiefen Schlamm gestellt die Sohlen hatten.
Nur Einen sahn wir sich zum Sitzen heben,
Wie er uns dort erblickt’ im Weiterziehn.
Erkenne mich, dafern dir’s möglich ist;
Du lebtest, eh’ ich aufgehört zu leben.“
Entzieht vielleicht dich meinem Angedenken;
Mir scheint, ich sahe dich zu keiner Frist.
In eine Qual, die, gibt’s auch größre Pein,
Nicht widriger kann sein, noch ärger kränken.““
Der Neid erfüllt, und bis zum Ueberfließen,
Genoß ich einst des Tages heitern Schein.
- ↑ 7. Hier im dritten Kreise finden wir die Schlemmer, ewigem Regen ausgesetzt, der nichts erzeugt, als ekelhaften Schmutz, in welchem sie versinken. Erheben sie sich auch einen Augenblick, doch fallen sie bald wieder zurück, und zwar zuerst mit dem Haupte, dem Sitze der geistigen Kraft, welche durch wüßte Schwelgerei unterdrückt und zu Boden gezogen wird. (V. 91–93.)
- ↑ 13. Auch Cerberus ist ein Teufel. Er stellt aber zugleich mit seinem dreifachen Schlunde, seinem weiten Bauche und seiner hündischen Natur überhaupt, selbst ein Bild des Lasters dar, das hier bestraft wird, und der Begier, die schon im Leben den Schlemmer selbst bestraft (vgl. V. 24. 31–33). Der Schlamm, welchen Virgil ihm V. 25 in den Rachen wirft, deutet auf den Werth dessen hin, worin die Schlemmer im Leben ihre Befriedigung finden.
- ↑ [37] 35. Wir haben oben bei Ges. 3. V. 34 bemerkt, wie Dante die Entstehung des Scheinleibes oder Schattens erklärt, durch welchen die Geister sich dem Auge erkennbar zeigen. Diesem entspricht auch im obigen Verse die Bezeichnung desselben als ein Nichts, das Körper scheint. Indessen werden wir in diesem ersten Theile Manches finden, was jener Erklärung zu widersprechen und auf eine wirkliche materielle Körperlichkeit hinzudeuten scheint. So hebt Virgil den Dichter empor, hält ihm die Augen zu, umschließt ihn beim Heruntergleiten vom Abhange; Dante selbst reißt einem Schatten die Haare aus. Dies scheint also darauf hinzudeuten, daß in der Hölle die Geister sich von der Erde nicht ganz haben losmachen können, daß sie noch mit gröberen Stoffen verbunden sind. Im Fegef. dagegen verfeinert sich dieser Scheinleib. Dante, der den Casella dreimal umarmen will, kehrt dreimal mit den Armen zur Brust zurück (Ges. 2, V. 80). Im Paradiese endlich ist kaum noch von einer Gestalt die Rede, da alle Seelen vom Lichte ihrer Wonne umgeben sind. Indessen bleibt sich der Dichter hierin nicht ganz treu, und wir werden in künftigen Bemerkungen auf einige Widersprüche aufmerksam machen.
- ↑ 52. Ciacco soll nach einigen Auslegern ein Florentiner von trefflichen Einfällen und ein guter Gesellschafter gewesen sein, wie Boccaccio [38] einen Mann gleichen Namens und Schlages in der achten Novelle des neunten Tages beschreibt. Nach andern hat Ciacco nichts weiter als ein Schwein bedeutet und ist ein allgemeiner Ehrenname der Schmarotzer gewesen.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 36 bzw. 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_036037.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)