Deß Ruhm gedauert hat und dauern wird,
So lang die Sterne ziehn in ihrem Kreise,
In Wildniß dort, weil Wahn im Weg’ ihn störte,
So daß er sich gewandt, von Furcht verwirrt.
Daß ich zu spät zum Schutz mich aufgerafft,
Nach dem, was ich von ihm im Himmel hörte.
Durch das, was sonst ihm Noth, sein Leid geendet;
So sei ihm Hilf’ und Ruhe mir verschafft.
Mich trieb die Lieb’ und spricht aus meinem Wort.
Vom Ort komm ich, wohin mein Wunsch sich wendet.
So werd’ ich oft dich loben und ihm preisen. –
Sie sprach’s und schwieg und ich begann sofort:
Durch die die Menschheit überraget weit
Was lebt in jenes Himmels kleinern Kreisen!
Daß, wär’ vollbracht auch jetzt schon dein Begehren,
Zu spät mir’s schiene! G’nug ward mit Bescheid!
Weshalb du stiegst zum Mittelpunkt, vom Licht,
Zu welchem du dich sehnst, zurückzukehren.
Die Hohe darauf, so will ich’s kürzlich sagen.
Ich fürchte mich vor diesem Dunkel nicht.
Das mächtig ist und leicht uns Schaden thut,
Vor solchem nicht, bei welchem nichts zu wagen.
Den Nöthen, die euch drücken, bin entrissen
Und nicht ergreift mich dieses Brandes Glut.
Des Manns erweicht, zu dem ich dich gesandt,
Sie hat des Höchsten strengen Spruch zerrissen.
Dein Treuer braucht dich jetzt im harten Streite,
Darum empfehl’ ich ihn in deine Hand.
Bewegte sich zum Orte, wo ich war,
In Ruhe sitzend an der Rahel Seite.
Hilfst du ihm nicht, ihm, der aus großer Liebe
Für dich entrann aus der gemeinen Schaar?
Als sähest du ihn nicht im Wirbel dort,
Bedroht, mehr als ob Meeressturm ihn triebe?
- ↑ 76–81. Der Glaube, nicht der Vernunft entgegen, aber über ihr stehend, beginnt seine Wirksamkeit da, wo die Vernunft aufhört. Sie selbst erkennt die Grenze, welche zu überschreiten ihr nicht gestattet ist. Deshalb folgt sie willig und eifrig dem Gebote, welches die höhere Macht ihr kund thut durch die Stimme des Herzens, in welchem Ahnung, Hoffnung und freudiges Vertrauen am Strahle göttlichen Lichts entzündet wurden.
- ↑ [82. ff. Mit dieser Frage, weshalb denn Beatrix vom ewigen [17] Licht herab zum kleinen Mittelpunkt der Welt, zur Erde, gestiegen sei, um Dante zu retten – wird schließlich wieder die persönliche Beziehung ins Allgemeine, Ewige erweitert. „Das edle Weib“, Maria, die ewige Liebe Gottes ist die letzte Ursächerin der Sendung der Gnade, welche hier etwas spitzfindig, in zwei Gestalten gespalten wird. Lucia ist die vergebende Gnade … Beatrix die eigentliche, thätige und vollendende Gnadenkraft und höchste Gotteserkenntniß. Lucia erscheint wieder Fegfeuer 9. Von ihr übernimmt dann Beatrix den Dante, ihn bis vor Gott geleitend. – Nach diesem tiefsinnigen Einblick in die Oeconomie des Ganzen kehrt die Schilderung mit V. 118 zu dem letzten Zuspruch des Virgil zurück, womit dieser den Dante nun zur sofortigen Höllenreise einlädt und anführt. Sie gelangen durch das Höllenthor zu den Halben, in die Vorhölle. Die Darstellung nimmt nun einen hinreißenden Schwung und entfaltet allmählich jene dichterische Erfindung, jene grandiose Plastik, wodurch sich Dante’s Höllengemälde so weit über alle ähnlichen mittelalterlichen Darstellungen erhebt, wenn auch leider selbst er öfters bis zum Unschönen und Gräßlichen geht.]
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 16 bzw. 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_016017.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)