Doch wird sie nie an Lieb’ und Weisheit darben;
Inmitten Feltr’ und Feltro wird sie blühn,
Obwohl vordem Camilla für dies Land,[1]
Euryalus, Turnus und Nisus starben.
Sie wird es wieder in die Hölle senken,
Von wo’s der erste Neid heraufgesandt. –[2]
Und Urtheil ist’s – ich will dein Führer sein
Und dich durch ew’gen Ort von hinnen lenken.
Wirst alte Geister schau’n, die brünstig flehen
Um zweiten Tod in ihrer langen Pein;
Weil sie verhoffen, zu dem sel’gen Chor, (Paradies)
Sei’s wann es immer sei, noch einzugehen.
Würd’ger als ich, wird eine Seel’ erscheinen,
Die geht, schied ich, als Führerin dir vor.
Eingehn, von mir geführt, vor seinen Thron,
Weil ich mich nicht verbunden mit den Seinen.
Nur dort; dort ragen seines Sitzes Zinnen –
O selig, wen er wählt, daß er dort wohn’!
Bei jenem Gotte, den du nicht erkannt,
Um Schlimmem hier und Schlimmerm zu entrinnen,
Und laß mich bald Sanct Petri Pforte sehen,
Und Jene, wie du sprachst, zur Qual verbannt.““
Und Nacht entzog die Wesen auf der Erden
All’ ihren Müh’n, da rüstet’ ich allein
Des Wegs und Mitleids, und jetzt soll ihr Bild
Gemalt aus sicherer Erinn’rung werden.
Erinn’rung, die du schriebst, was ich gesehen,
Hier wird sich’s zeigen, ob dein Adel gilt!
- ↑ 107. 108. Camilla und Turnus starben, nach der Aeneide, bei der Vertheidigung, Euryalus und Nisus, bei der Eroberung Latiums.
- ↑ 111. „Der erste Neid“ der Satan. Weisheit 2, 24.
- ↑ 112 ff. [Um aus dem dunkeln Wald der Irrthümer und Sünden heraus zur Buße, zur Erkenntniß und zeitlichen Glückseligkeit zu gelangen, reicht die Vernunft, zugleich die rechte politische Einsicht und Weltordnung aus, indem sie uns das Laster, den falschen Zustand und seine Folgen zeigt (Hölle) und uns dadurch selbst reinigt und läutert (Fegfeuer).]
- ↑ 121. Weiter aber reicht die Vernunft nicht. Das Göttliche, die [13] ewige Glückseligkeit, nach welcher der gereinigte Geist strebt, und welche die Ahnung ihm verspricht, läßt uns nur der Glaube, und nur der christliche Glaube erkennen. Virgil, welchem dieser Glaube fremd geblieben, vermag daher nicht, den Dichter bis in die Stadt Gottes zu leiten. Er wird ihn, wenn er ihn, so weit die Vernunft reicht, gebracht hat, der Führung der Beatrix übergeben, unter welcher wir uns die himmlische Gnade, auch die beseligende Erkenntniß, das Anschauen Gottes im Gemüthe selbst – denken dürfen.
- ↑ 133. Dem heiligen Petrus sind die Schlüssel übergeben, welche die Pforte der Seligkeit aufschließen. Es ist gleichgültig, ob der Dichter unter dem Thore Petri den unmittelbaren Eingang des Paradieses oder das im Fegefeuer Ges. 9 V. 73 Beschriebene gemeint habe, da diejenigen, die durch das letztere gehen, der Seligkeit gewiß sind.
- ↑ II. 1–13. Ueber den Erwägungen der Vernunft ist der Tag verflossen. Die Nacht kommt und mit ihr neuer Zweifel; denn die [14] Entschließungen, die aus der Vernunft hervorgegangen, schwanken; nur der Glaube ist sicher. Der Dichter fragt: ob er auch tüchtig sei für den großen Zweck?
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 12 bzw. 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_012013.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)