Weit über die gewohnten Kräfte schwangen.
So, daß mein Auge, stark und ohne Qualen,
Dem Licht sich aufthat, das am reinsten blüht.
Glanzwogend zwischen zweien Ufern ziehn,
Und einen Wunderlenz sie beide malen;
Und in die Blumen senkten sich die Funken,
Gleichwie in goldne Fassung der Rubin.
Sich wieder in die Wunderfluten ein,
Und der erhob sich neu, wenn der versunken.
Was deine Blicke hier auf sich gezogen,
Muß mir, je mehr er drängt, je lieber sein.
Eh’ solch ein Durst in dir sich stillen kann.“
So sprach die Sonn’, aus der ich Licht gesogen.
„Und dieser Pflanzen heitre Pracht, sie zeigen
Die Wahrheit dir voraus, wie Schatten, an.
Sie zu erkennen fehlt nur dir die Macht,
Weil noch so stolz nicht deine Blicke steigen.“
Kann sein Gesicht zur Brust so eilig kehren,
Wenn’s über die Gewohnheit spät erwacht,
Ich mein Gesicht zu jenem Flusse bog,
Dort strömend, um der Seele Kraft zu mehren.
Von seiner Flut, da war zum Kreis gewunden,
Was sich zuvor in langen Streifen zog.
Ein Andrer scheint, wenn abgethan das Kleid,
Worin er unter fremdem Schein verschwunden:
- ↑ 61–69. Vgl. Apokalypse Kap. 22 V. 1.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 590. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_590.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)