Ist niemals noch so Herrliches geschehen
Und Höheres man niemals sehen mag.
Daß zur Erhebung Kraft dem Menschen ward,
Als wenn er nur die Sünde nachgesehen!
Das Recht, wenn Gottes Sohn um euretwillen
Nicht demuthsvoll dem Fleische sich gepaart. –
Und daß du seh’st, gleich mir, das volle Licht,
Will ich noch Eins dir deutlicher enthüllen.
Dein Zweifel – Wasser, Erd’, in mannigfachen
Vermischungen und alle dauern nicht.
Und sollte dies, wenn ich dich recht verstand,
Sie nicht vor der Verderbniß sicher machen?
Sie dürfen wohl sich für erschaffen halten,
Weil, wie sie sind, ihr volles Sein entstand;
Die Elemente selbst, sie läßt allein
Der Höchste durch geschaff’ne Kraft gestalten.
Geschaffen ward die Bildungskraft dem Tanze
Der Sterne, die um eure Welt sich reihn.
Zieht nach verschiedner Bildungsfähigkeit
Regung und Licht aus ihrem heil’gen Glanze.
- ↑ 124. V. 67 hat Beatrice den Satz aufgestellt: daß Alles, was Gott unmittelbar erschaffen, nicht sterbe. Sie beseitigt in dem Folgenden einen Einwand, den man ihr machen könnte, da man so vieles Erschaffene vergehen sieht. Das, was untergeht, ist nicht von Gott unmittelbar, sondern mittelbar durch die Kräfte erschaffen, die er, wie wir früher erfahren, den Sternen mitgetheilt hat. Der Menschenleib dagegen, da er in den ersten Eltern von Gott unmittelbar erschaffen wurde, ist gleich der Seele unsterblich, und wird einst beim Weltgericht aus dem Grabe erstehen, um sich wieder mit der Seele zu verbinden, [13, 62; 14, 37 ff.]
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 439. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_439.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)