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Und will ein Sinnbild nicht darin verhehlen.
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Daß sich zu ihrem Stern die Seele kehrt,Er spricht’s und glaubt, daß sie von dort gekommen,
Als die Natur sie uns zur Form gewährt.
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Allein wird dies nicht wörtlich angenommen,So kann er doch vielleicht mit dem Beweis
Dem Ziel der Wahrheit ziemlich nahe kommen,
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Dafern er meinte, daß, aus welchem KreisDer Einfluß stamm’, dahin die Seel’ sich kehrte
Zu mindrer Glorie, oder höh’rem Preis.
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Und dieser schlecht verstandne Satz verkehrteFast alle Welt, so daß in Sternen man
Den Mars, Merkur und Jupiter verehrte. –
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Der andre Zweifel, welcher dich umspann,Hat mindres Gift, indem er nicht entrücken
Dich meinem Pfad durch seine Schlingen kann.
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Denn scheint auch ungerecht den Menschenblicken[1]Unsre Gerechtigkeit, nun, so beweist
Dies Glauben nur, nicht ketzerische Tücken.
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Allein wohl fähig ist des Menschen Geist,In diese Wahrheit tiefer einzudringen,
Drum will ich jetzt, daß du befriedigt seist.
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Ist das Gewalt, wenn Jenen, welche zwingen,[2]
- ↑ 67. Der Zweifel, ob in einem bestimmten Falle der Himmel wirklich gerecht sei, setzt den Glauben an die Gerechtigkeit überhaupt voraus [muß also nicht nothwendig aus Ketzerei hervorgehen.]
Unsere Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit Gottes, welcher, wie V. 45 des vorigen Gesanges gesagt ist, sein Gefolg gebildet will nach sich. - ↑ [73(64)–114. Nunmehr wird der erste Zweifel Dante’s widerlegt, [420] betreffend die Bewohnerinnen des Mondes speziell (V. 19–21). Wenn diese durch Gewalt einst ihrem Gelübde entzogen wurden, wie kommt ihnen dann irgend eine Schuld zu, wie doch nach Ges. 3, 30. 57 der Fall ist? Die Antwort wird, in Uebereinstimmung mit der, dem Leser wohl noch erinnerlichen Theorie vom freien Willen im Fegf. Ges. 16, 70; Ges. 18, 19–75, mit abermaligem Anschluß an Aristoteles und Thomas gegeben: Der Wille hat seine eingeborene Widerstandskraft und es ist also eine selbstverschuldete Willenshandlung, auch wenn man der Gewalt weicht, V. 73–90. Dennoch ist – ein neues Bedenken! – Constanze in Ges. 3, 115 ff. von Piccarda eigentlich unschuldig im Herzen genannt worden, V. 91–99. Hierauf wird geantwortet, daß allerdings jene gewaltsamen Willenshandlungen auch als unwillkürliche betrachtet werden können, sofern sie eben die instinktmäßige Flucht vor der Gefahr sind, wobei der Wille an sich unberührt und nur auf’s Gute gerichtet bleibt, V. 100–105, 109, 112, 113. Andererseits [421] sind jene Handlungen aber auch willkürlich, sofern der Wille, „dem äußern Zwange sich vermischend“, die kleinere Gefahr vor der größeren wählt, V. 106–108, 110, 111, 114. Diese Unterscheidung nach Aristoteles’ Ethik ergibt denn schließlich die relative Entschuldbarkeit, aber eigentliche Schuldhaftigkeit jener causae mixtae – womit auch Thomas übereinstimmt. Der Leser vgl. noch die weitere, schöne Stelle über die, von Dante hochgehaltene Willensfreiheit im folg. Ges. V. 19–24.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_419.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 419. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_419.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)