Von Weihern, welche seicht, doch still und rein,
Den Boden unverdunkelt offenbaren,
Daß man erkennen würd’ in größrer Schnelle
Auf weißer Stirn der Perle bleichen Schein:
Im umgekehrten Wahn, wie der, durch den[1]
Einst Lieb’ entflammt ward zwischen Mann und Quelle,
Es wären Spiegelbilder und bemühte
Mich, rings umher ihr Urbild zu erspähn.
Schaut’ ich in’s Licht der süßen Führerin,
Die lächelnd in den heil’gen Augen glühte.
Belächl’ ich deine kindischen Gedanken.
Noch gehst du auf der Wahrheit strauchelnd hin,
Wahrhafte Wesen zeigt dir dies Gesicht,
Die, untreu dem Gelübd’, in Schuld versanken.
Das sie beseligt, wird es nie gestatten,
Daß ihm zu folgen sich ihr Fuß entbricht.“
Der sprechenslustig schien, schnell, als ein Mann,
Den längst gequält der Neugier Stacheln hatten:
Die selig hier die Süßigkeiten machten,
- ↑ 17. 18. Narcissus, sein Bild in der Quelle sehend, hielt es für eine wirkliche Gestalt, während Dante wirkliche Lichtgestalten nur für zurückgespiegelte Bilder hält. Im Monde, der dem höchsten Kreise am fernsten ist, der auch, wie im vorhergehenden Gesange beschrieben ist, minder helle Flecken zeigt, sind die Seelen derer selig, welche ihr Gelübde nicht vollständig erfüllten. Aber sie sind selig, vollkommen befriedigt und beruhigt, weil Gottes Wille ihnen diesen Kreis anwies, und weil die Seligkeit nur in völliger Hingebung in den Willen Gottes besteht. [Vgl. zu V. 49 ff.]
- ↑ 31. Den auf Gott blickenden und von seinem Lichte durchdrungenen Seelen ist jede Täuschung unmöglich.
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_412.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)