Ihre Lippen bewegten sich … und konnten doch kein einziges Wort formen …
Bis in den langen, dunklen Wimpern ein paar Tränen erschienen und langsam über die Wangen hinabrollten …
„Also … doch!“ murmelte sie mit einem so trostlosen Gesichtsausdruck, daß ich das schöne Weib von Herzen bemitleidete …
In demselben Moment schlug draußen die Flurglocke an.
Schlug nochmals an …
Ein bittender Blick der Diva traf mich … Ich schlich hinaus … Lugte durch den Türspion …
Ein Depeschenbote …
Gleich darauf reichte ich Lia Manara ein Telegramm … Sie öffnet es, liest, … schreit auf …
Und Harald kann gerade noch zuspringen, bettet die Ohnmächtige dann auf den Divan. Ich hole Kölnisch Wasser vom Frisiertisch, und in kurzem ist die Künstlerin wieder bei Besinnung …
Auf dem Eisbärfell vor dem Diwan liegt die Depesche, Schrift nach oben …
Ich hatte den Inhalt bereits gelesen – genau wie Harst … – Und dieser Inhalt lautet:
Edu seit gestern verschwunden. Sofort kommen. – Rubner.
Die Diva hat sich erhoben … Eine auffällige Veränderung ist mit ihr vorgegangen … Eiserner Wille besiegt körperliche Schwäche …
„Meine Herren, ich habe jetzt leider keine Zeit für Sie … Ich werde Sie benachrichtigen, sobald ich wieder in Berlin bin,“ sagt sie außerordentlich bestimmt. „Ich bitte Sie nur, Herr Harst, daß Sie … die Mörder Friedrich Schnacks zu ermitteln suchen … Das Honorar für Sie ist Nebensache … – Bitte, entschuldigen Sie mich …“
Das hieß, wir sollten uns verabschieden. Wir taten’s auch … Nur an der Flurtür flüsterte Harald der Künstlerin noch zu:
Max Schraut: Dämon Rache. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1926, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:D%C3%A4mon_Rache.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)