„Danke,“ erwiderte Harald, nahm den Schlüssel und öffnete …
Das Schränkchen war bis auf einige Papiere und gefüllte Briefumschläge leer …
„Gestatten Sie, daß ich den Inhalt herausnehme,“ meinte Harst …
Und tat’s, breitete die Sachen auf der Spiegelplatte des Frisiertisches aus …
Ich – – fuhr leicht zusammen …
Mit einem Male dann auch neben mir ein leiser Aufschrei …
„Mein Gott, – – das Etui …!!“ rief die Diva mit bebender Stimme …
Und griff hastig nach dem Glanzlederetui, das Harald mit verblüffender Taschenspielerfertigkeit unter die Papiere geschoben hatte, – dasselbe Etui, das Friedrich Schnack uns anvertraut hatte …!! –
Lia Manara schien unsere Anwesenheit völlig vergessen zu haben. Ihre Gedanken galten nur der Photographie des bildhübschen Knaben, die in dem Glanzlederkästchen lag.
Harald blickte mich an … Ein sehr vielsagender Blick …
Dann wandte sich die Künstlerin ihm zu … Noch verlegener, noch verwirrter …
„Herr Harst, dieses … dieses Etui war doch …“
„Ganz recht,“ nickte er, sie mit leichter Verbeugung unterbrechend, „dieses Etui war vorhin nicht in dem Wandfach. Ich hatte es im Besitz und habe nur eine Probe aufs Exempel machen wollen. Der Knabe ist Ihr Kind, meine Gnädige. Ich weiß, daß Sie bereits dreimal geschieden sind, bei Künstlerinnen nicht weiter aufregend …“
Trotz der feinen Schmink- und Puderschicht errötete Lia bis unter die Haarwurzeln … Ihre langbewimperten Lider senkten sich …
„Wir wollen mit offenen Karten spielen,“ fügte Harst hinzu, während ich mein von der schweren Betäubung noch etwas angegriffenes Herz schneller schlagen fühlte … vor
Max Schraut: Dämon Rache. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1926, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:D%C3%A4mon_Rache.pdf/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)