Die zweitälteste Kirche der Stadt ist die Johannis dem Täufer geweihte Johanniskirche. Sie entstand bald nach der Mitte des 13. Jahrhunderts als kleines Vorstadtkirchlein, zu einer Zeit, da Chemnitz zum ersten Male über den Ring seiner Mauern hinauswuchs, indem zahlreiche Ansiedler, zumeist kleine Leute, Tagelöhner und Häusler, sich draussen vor der Stadt und in deren Schutze niederliessen. Im Anfange des 16. Jahrhunderts hatte das baufällig gewordene Kirchlein durch ein neues ersetzt werden müssen. Aber schon 1547 fiel dieses dem Schmalkaldischen Kriege zum Opfer und musste deshalb 1565 abermals erneuert werden. Ihre heutige Gestalt erhielt die St. Johanniskirche durch die 1876/77 nach den Plänen des Herrn Baurat Prof. Gottschaldt ausgeführte Restauration. Der Turm dagegen, der, der Anlage des Kirchhauses entsprechend, auch im spätgotischen Stil gehalten ist, wurde erst 1880/81 an Stelle des abgetragenen Dachreiters am westlichen Giebel der Kirche aufgeführt. Spätere Veränderungen im Innern der Kirche, 1890 und 1896, haben, soweit als möglich, eine Vergrösserung des vorhandenen Raumes bezweckt, aber mehr als höchstens 600 Sitzplätze hat man nicht zu schaffen vermocht. Der im Jahre 1889 von den Hoforgelbauern Gebrüder Jehmlich in Dresden hergestellten neuen Orgel mit 21 klingenden Stimmen liess man 1894 eine neue Kanzel folgen, die aus Eiche gefertigt ist und sich nun harmonisch in den innenarchitektonischen Charakter des freundlichen Gotteshauses einfügt. Beim Umbau der Kirche war auch das alte Geläute umgegossen und in ein F-Dur-Geläute verwandelt worden.
Jahrhunderte lang hatte die St. Johanniskirche auch als Begräbnis- und Gottesackerkirche gedient, denn schon frühzeitig mag die wachsende Stadt, die ursprünglich ihre Toten auf dem Friedhof von St. Jacobi bestattete, begonnen haben, den Friedhof von St. Johannis, der in der Geschichte der Stadt zuweilen auch als „Pestacker“ auftritt, als allgemeine Begräbnisstätte zu benutzen. Eine Reihe altertümlicher Erbbegräbnisse vormaliger Chemnitzer Familien erinnern noch an jene vergangenen Zeiten. Erst am 24. April 1884 wurde der Johannisfriedhof als Begräbnisstätte geschlossen; am 12. Januar 1898 ging er dann durch Kauf in den Besitz der Stadtgemeinde über, die sich ihn so nach seiner 1914 erfolgenden Säkularisation für ihre Zwecke gesichert hat.
: Chemnitz am Ende des XIX Jahrhunderts in Wort und Bild. Körner & Lauterbach, Chemnitz ca. 1900, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Chemnitz_am_Ende_des_XIX_Jahrhunderts_in_Wort_und_Bild.pdf/83&oldid=- (Version vom 7.3.2025)