Er vordem des Meeres Wogen
Und der Unheilsmutter Geschossen entrann.
So gebot ein Wundergesicht mir im Traume;
Doch ich frug alsbald an Kastalia’s Born,
Was davon zu halten. Und Phoibos befahl mir,
Schnell ein Schiff zur Fahrt zu rüsten.
Willig bestehe mir diese Gefahr, und ich gelobe,
Zepter und Königsgewalt
Dir abzutreten; und den Zeus,
Beider Urahn, ruf’ ich, Zeuge
Meines gewaltigen Eides zu sein.“
Iason entsprach dieser Aufforderung und beschloss die Fahrt. Durch ganz Hellas sandte er Herolde, die Helden zur Theilnahme aufzufordern, welche denn auch zahlreich kamen.
„Von Apollon kam, der Harfe froh, des Lieds Vater auch,
Allerwärts gepriesen, Orpheus.“
(V. 281/2.)
Dieser Darstellung Pindar’s entgegen wird in der Orphischen „Argonautika“ (v. 71–108) erzählt, dass Iason selbst zum Orpheus, der in seiner Höhle die Zither spannend sass, gegangen sei und ihn zur Mitfahrt aufgefordert habe. Dieser Erzählung ist Carstens in dem vorliegenden Blatte gefolgt.
Tafel 3. Die Ankunft des Iason und Orpheus bei den übrigen Helden.
Auch hier lehnte sich Carstens an die Orphische „Argonautika“ (v. 109 u. ff.). Orpheus entsprach der Aufforderung des Iason und folgte diesem. Er „verliess seine geliebte Höhle und langte, die Laute in der Hand, mit eilenden Füssen bei den Minyern am Pagasäischen Strande an. Hier war die ganze Heldenschaar auf einem flachen Sandhügel am Ufer des Anauros versammelt. Als diese merkten, dass er gerade auf sie zukam, erhoben sie sich alle, um ihn zu begrüssen und jedem klopfte freudig das Herz.“
Die Zahl der Theilnehmer wird in den späteren Gestaltungen der Sage auf fünfzig angegeben; Carstens brachte, jedenfalls um eine unkünstlerische Überfüllung zu vermeiden, hier noch nicht die Hälfte derselben zur Darstellung, darunter aber natürlich auch die vornehmsten, die schon beim Pindar vorkommen. Man sieht im Vordergrunde rechts den Herakles, kenntlich an dem Löwenfell, sitzen und die rechte Hand den beiden Ankömmlingen entgegen strecken; neben ihm, mit seiner Keule, steht der Knabe Hylas. Hinter dem Herakles und höher stehend erblickt man die Dioskuren, Kastor und Polydeukes, die Söhne des Zeus und der Leda, kenntlich an den Sternen über ihren Häuptern. Sie eilen bei Pindar (v. 273 u. ff.) auf den Ruf der Herolde als die ersten herbei.
„Schnell kamen die Söhne des Zeus, drei
Streiter, niemals wankend, mit Leda gezeugt
Und der freudig blickenden Heldin Alkmena.“
Der dritte dieser Streiter, der Sohn der Alkmena, ist Herakles. Rechts von den Dioskuren, doch von diesen durch einen Zwischenraum getrennt, sieht man die beiden Söhne des Boreas; sie tragen kleine Flügel am Haupte. Pindar (v. 290 u. ff.) sagt:
„Willig ja sandte Boreas in heiterm Muth,
Der König des Sturms, in den Kampf
Die Söhne, den Zetos, den Kalaïs, aus;
Um ihre Schultern rauschten Purpurfittige
In dunkelem Glanz.“
Herman Riegel (Hrsg.): Carstens Werke. Dritter Band: Der Argonautenzug. Alphons Dürr, Leipzig 1884, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Carstens_Werke_3._Band_Argonautenzug.pdf/15&oldid=- (Version vom 14.2.2021)