Zum Inhalt springen

Seite:Beethoven’s neunte Symphonie.pdf/15

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

No 41. Den 20. November 1838.


Beethoven’s neunte Symphonie.
An Herrn Hirschbach.
(Siehe Nr. 15, 16 u. 20.)

Sehr spät erhalte ich zu gleicher Zeit Nr. 7 bis 20 dieser Zeitschrift, worin zuerst die Fortsetzung Ihres Aufsatzes, dann meine Ansicht und endlich Ihre Antwort enthalten. War es schon bei dem Niederschreiben meiner ersten Zeilen mir schwer geworden, den rechten Ton gegen Sie zu treffen, (so sehr frappirte mich die göttliche Ruhe, mit der Sie Alles kurzweg tadelten,) so ist es doch jetzt eine noch schwierigere Aufgabe geworden. Sie haben sich selbst in Nr. 20 d. Bl. auf einen so erhabenen Standpunkt hingestellt, daß es vermessen sein wird, noch ferner andrer Meinung zu sein. – Indessen wag’ ich es doch! –

Sie tadeln mich, daß ich die Symphonie nicht mit dem ruhigen Blick des Untersuchers und Selbstschaffers, sondern mit dem trunkenen Auge des Liebhabers angesehen. Gesetzt, gegen diese Art zu sehen wäre gegründeter Tadel möglich, so hoffe ich doch immer, Ihnen gezeigt zu haben, daß ich die Symphonie kenne und sie ruhig auf dem Papier durchgegangen bin. Aber ich kann unmöglich zugeben, daß ein wirkliches Verständniß eines solchen Kunstwerkes stattfinden kann, wenn der Untersuchende den bestimmten Charakter, der jedem wirklichen Thema auf das geheimnißvollste angeboren ist, durchaus nicht anerkennen will. Ist es möglich, das in Rede stehende Thema auf dem Papier zu sehen, ohne alles das zu fühlen, was darin enthalten ist? Wie konnte [/] ich nun anders, als meiner Ueberzeugung nach mit Wärme aussprechen: Beethoven benutzt denselben Gedanken, bald im Ganzen, bald stückweise, bald donnernd daher stürmend, bald wehmütig klagend etc. etc.? Auf diese Art webt er mit Hülfe weniger Neben-Ideen auf seine alte gute Weise ein Allegro zusammen, das, ich wiederhole es mit voller Ueberzeugung, sich mit seinen beßten Sätzen messen kann. – Unsere ganze Differenz besteht darin: Sie habe dem Thema die Fähigkeit abgesprochen, sich in verschiedenartiger Behandlung zur Darlegung contrastirender Empfindungen benutzen zu lassen. Das Gegentheil habe ich zu beweisen gesucht; wer von uns beide Recht hat – das müssen wir dem Urtheil der Leser überlassen.

Ich wende mich zum Schluß Ihrer Replik. Sie sprechen hier in wirklich Staunen erregender Bestimmtheit aus: „Die verschiedenen Urtheile über diese Symphonie erklären sich leicht, da Sie, als ein zu selbstständiger, bedeutender Leistung Befähigter, im Gefühle Ihrer Kraft das nur gut finden können, was wir andere schon als ungeheuer und unerreichbar anstaunen müßten.“ Das ist doch wirklich etwas stark! Ja Sie fahren fort, uns zu versichern: „daß Sie die Beurtheilung jener Symphonie Ihre höchsten Kräfte zum Vergleichungspuncte genommen haben, und von diesem Standpuncte aus zu jenem“ (für Beethoven so höchst kläglichen) „Endurtheile gekommen sind!“ Das kann man nun freilich nur zur Erbauung deutscher Nation wieder abschreiben, daß jeder lese und staune! – Weiter wüßte ich nichts darauf zu erwidern. Ist man denn aber wirklich