Zum Inhalt springen

Seite:Band II - Der Osten (Holl) 275.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wie im Abendland zunächst vornehmlich in den Städten Fuß gefaßt, und die offizielle griechische Kirche bewies nach dem Sieg des Christentums keinen großen Eifer, es weiter auszubreiten; die Landbischöfe, deren Sitze Ausgangspunkte für eine vollkommenere Christianisierung des platten Landes hätten werden können, sind frühzeitig degradiert worden: der erste Schritt hierzu ist schon 314 auf der Synode von Ankyra gemacht worden. Aber die mönchischen Niederlassungen in den Einöden, die Klosterkirchen, bildeten Sammelpunkte für die rings zerstreuten Christen, und daran schloß sich auch eine gewisse Mission unter den heidnischen Stämmen. Mönche waren es, die das Christentum bis tief nach Asien hineintrugen. Und das Mönchtum hat den Besitz, so viel es vermochte, auch behauptet. Als der Sturm der arabischen Invasion über die griechische Kirche hereinbrauste, da sind die Bischöfe bald dem Unheil gewichen. Schon das Trullanische Konzil trifft Bestimmungen, in denen der Keim des Episkopats in partibus infidelium liegt. Aber das Mönchtum hat auf seinem Posten ausgeharrt, und seine Klöster sind die festen Burgen des Christentums in den vom Islam überfluteten Gegenden bis zum heutigen Tag geblieben.

So ist das Mönchtum fast ohne sein Zutun tatsächlich an die erste Stelle in der griechischen Kirche gerückt: es ist die höchste moralische Auktorität; die wichtigsten Funktionen der Kirche, die der Seelsorge namentlich, sind ihm zugefallen, und sein Einfluß ist um so größer, weil er nicht auf Machtmitteln, sondern auf persönlichen Eigenschaften beruht.

Man müßte sich wundern, wenn das geistige Leben der Kirche nicht Spuren dieses Einflusses trüge, wenn es dem Mönchtum nicht gelungen wäre, auch dem Christentum der „Weltleute“ seinen Stempel aufzudrücken.

Schon durch sein Dasein bewirkte es das Mönchtum, daß die Aufmerksamkeit der morgenländischen Kirche energisch auf die praktische Seite des Christentums gelenkt wurde. Die Kirche hatte diesen Hinweis nötig. Der Eifer, mit dem sie sich der Lösung der dogmatischen Probleme widmete, mußte bei ihren Gliedern den Eindruck erwecken, als ob korrekter Glaube die Hauptsache im Christentum sei. Man sagt nun zwar dem griechischen Mönchtum selbst nach, daß es an den dogmatischen Streitigkeiten besonderen Gefallen gefunden hätte. Aber das ist Legende. Vielmehr ist für das Mönchtum die Haltung, die Basileios einnahm, maßgebend geworden. Basileios hat immer wieder dazu ermahnt, „über die Trinität keine unnützen Fragen aufzuwerfen und dem, der etwa interpellieren wolle, einfach zu sagen: wir glauben das, worauf wir getauft sind“. Die Stimmung des Mönchtums war immer die, daß die Geheimnisse des Glaubens so unergründlich seien, daß nur der Fürwitz sich getrauen könne, in sie einzudringen. Man kann sie höchstens ahnen, schauen, aber nicht im strengen Sinn in Begriffe fassen und demonstrieren. Nur ungern hat sich das Mönchtum auf die Fragen eingelassen, die Leute, denen konsequentes Denken Bedürfnis war, der Kirche immer von neuem stellten. Der Fanatismus, den es dann entfaltete, entstammt zum guten Teil dem Ärger darüber, daß durch unnötige theoretische Beunruhigung der Eifer in praktischer Frömmigkeit gelähmt werde. Mit tieferem sachlichen Interesse hat es sich nur da beteiligt, wo eine Kontroverse das religiöse Leben direkt berührte: der Haß gegen Origenes entzündete sich an seiner Leugnung der Ewigkeit der Höllenstrafen; damit schien der Nerv des sittlichen

Empfohlene Zitierweise:
Karl Holl: Über das griechische Mönchtum. J. C. B. Mohr, Tübingen 1928, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Band_II_-_Der_Osten_(Holl)_275.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)