Die Kirche zu Elster ist auf einem Hügel erbaut, der sich nördlich vor dem Dorfe erhebt, und von welchem man eine treffliche Aussicht nicht nur über den Ort, sondern auch über das ganze freundliche Elsterthal mit seinen hübschen Abwechslungen geniesst. Das alte Gotteshaus sieht schon seit vielen Jahrhunderten auf dieser Höhe und die Tradition erzählt, dass es bis zur Mitte des sechszehnten Jahrhunderts eine Frühmess- und Wallfahrtskapelle gewesen sei, in welcher der katholische Pfarrer zu Adorf den geistlichen Dienst verrichtete der, als die Gemeinde sich vergrösserte, einen Kaplan zur Unterstützung erhielt. Zur Zeit der Reformation, die hier um 1534 Eingang fand wurde die Ausübung des Pfarramtes dem Kaplan zu Adorf übertragen und ihm die alleinige Einnahme der Stolgebühren zugewiesen, der Stadtrath zu Adorf aber erhielt die Collatur.
Im Laufe der Zeit mag die Kirche mannigfache Veränderungen erfahren haben, doch kennt man ihre Schicksale nur bis zum Jahre 1581, wo das Archiv angelegt worden ist. In den Jahren 1639 und 1644 änderte man den Altar und 1656 wurde der Thurm angebaut, der 1753 eine Spindel, Knopf, Fahne und Stern erhielt, die 1816 wieder neu vergoldet wurden. Die Kanzel ist aus dem Jahre 1682 und die Orgel von 1770; die Sakristei baute man 1743. – Im dreissigjährigen Kriege hatte die Kirche das Schicksal einigemale geplündert zu werden, auch wurde sie im Baierischen Erbfolgekrieg von beutelustigen Soldaten heimgesucht. Vom zweiten bis neunzehnten Posttrinitatissonntage 1644 blieb wegen der erlittenen Verwüstungen der Gottesdienst ausgesetzt, sowie auch wiederum vom 2. Pfingstfeiertage bis neunten Sonntage nach Trinitatis 1647. Die Herren von Zedtwitz auf Elster haben sich damals durch Vermächtnisse und Geschenke an Geld, Kleinodien und Kirchenschmuck dem Gotteshause als grosse Wohlthäter erzeigt. – Pfarrer allhier war bis zur neuern Zeit der Diakonus zu Adorf. – In die Kirche zu Elster sind eingepfarrt Mühlhausen mit 400 Einwohnern, Raun mit Kleedorf mit 600, Sohl mit 800, Arnsgrün mit 200, Gürth mit 150 und Grün mit 400 Einwohnern.
Das noch vor wenigen Jahren so kleine ärmliche Dörfchen Elster ist in neuerer Zeit zu grosser Berühmtheit gelangt und zwar durch seine Heilquellen, die man wol schon vor Jahrhunderten kannte, aber erst seit 1809 sorgfältiger untersuchte. Schon 1699 schrieb der Stadtarzt Georg Leissner zu Plauen ein Buch unter dem Titel: „Tractatus de acidularum Elistranarum lympha, das ist: Kurzer Bericht des Elster-Säuerlings. Wie solcher durch Chymische prob und praxin medicam sonderlichen in Heilung des Scharbocks, Mali hypochondriaci, Nierensteins und Zipperleins wegen seines Salis Volatilis kräftig gefunden und gerühmet worden. Allen Elster- und Eger-Säuerlings-Patienten zu Nutz aufgesetzt.“ Im Jahre 1819 fanden sich hier gegen hundert Badegäste ein, aber bei der dürftigen Einrichtung und der Nähe anderer renommirten Kurorte konnte das Bad Elster keine besondere Aufmerksamkeit erregen. Erst der neuesten Zeit gelang es das Publikum für Elster zu interessiren, und der innigste Dank gebührt unserer Hohen Staatsregierung, welche im Jahre 1849 die Badeanstalt zu Elster zu besserem Gedeihen selbst übernahm und mit der grössten Munifizenz Alles aufgeboten hat um derselben nach allen Seiten hin die bestmögliche Vollendung zu geben. Dieses wohlthätige Bemühen hat auch bereits so reifliche Früchte getragen, dass im Jahre 1854 fast achthundert Personen die hiesigen Mineralquellen benutzten; an der Spitze der Gäste aber befand sich Ihre königliche Hoheit die Kronprinzessin von Sachsen.
Elster, welches noch vor Kurzem kaum dem Namen nach gekannt war und ein trauriges Bild von ärmlichen Strohhütten darstellte, hat sich seit 1849 bis zur Unkenntlichkeit verändert. Die Mehrzahl der neuentstandenen Häuser besitzt ein wahrhaft grossstädtisches elegantes Aussehen und ist in einem modernen Style erbaut. Ausser dem Badehause, dem Wettiner Hofe und der Rudert’schen Wirthschaft sind noch zu erwähnen Apollo, Morgenröthe, blaue Kugel, Stadt Leipzig, Sächsischer Hof, Stadt Freiberg, Elsterperle, Altenburger Haus, Marienbrunn, Stadt Plauen, Stiftsgebäude, Carlsruhe, Zollhaus, Flora, grüner Baum, Bellevue, Johanna, Bergschlösschen, Aeskulap, Guttenberg und der goldene Schlüssel. Hier, sowie fast in allen Privathäusern, finden die Kurgäste treffliche Zimmer und Betten und freundliche, herzliche, gefällige und zuvorkommende Wirthsleute, denn die Voigtländer sind bei aller Derbheit ein biederer, herrlicher Menschenschlag.
Was die hiesigen klimatischen Verhältnisse anlangt, so theilt Elster den allgemeinen Charakter der Voigtländischen Gebirge. Die Luft ist frisch und belebend, aber auch, namentlich im Frühling und Herbst, wo häufige atmosphärische Niederschläge und Nachtfröste stattfinden, etwas rauh, weshalb auch empfindlichere Obstsorten, wie Pfirsiche, Aprikosen und Wein nur selten, zarte Gemüse aber erst spät zur Reife kommen. Dafür entschädigt aber auch die herrliche, reine Atmosphäre, in der man mit dem grössten Wohlbehagen den Duft der dichten Nadelwälder, vereinigt mit dem Arom der Feld- und Wiesenblumen, einathmet. Es zeichnen sich die hiesigen Einwohner durch eine dauerhafte unerschütterliche Gesundheit aus, und selbst hundertjährige Leute sind eben keine Seltenheit. Erst kürzlich starb in der Nähe der Müllergesell Händel, insgemein der
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/109&oldid=- (Version vom 7.1.2017)