Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
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Das niedere, westnördliche Ende ist von Naundorf ¼ Stunde entfernt.
Niederbobritzsch aus der alten grauen Wenden-Zeit stammend, bildet mit seinen Gehöften und Häusern eine 1½ Stunde lange Doppelreihe, durchschnitten von der auf den Reichenauer Fluren bei Frauenstein entspringenden Bobritzsch, über welche im Dorfe 8 steinerne und 3 hölzerne Brücken, nebst vielen Stegen, die Communication sichern. Das prächtige Thal der Bobritzsch ist hier nicht so beengt, wie bei Oberbobritzsch‚ aber allenthalben reizend und anziehend. Allenthalben tragen die in grosser Ordnung gehaltenen Aecker Spuren der fleissigen Hände ihrer Pflüger und froher Sinn der Bewohner, sowie der gute Zustand ihrer Gespanne und Heerden verrathen einen gewissen Wohlstand.
Die hiesige Feldwirthschaft bringt an Sommerkorn, Gerste und Hafer reichliche Ernten, die reichlichsten aber durch Flachsbau, der einem Hüfner im glücklichsten Falle jährlich bis 400 Thlr. rentirt.
Der Hauptgrund des in der ganzen Umgegend bekanntlich ausgezeichneten Flachses ist wohl der, dass man sehr vorsichtig bei der Wahl des Saamens zu Werke geht, und dem anderwärts in die Sömmerung verwiesenen Gewächs vieljährig geruhtes, mit eigensinniger Sorgfalt bearbeitetes Brachfeld, zu dessen Bedüngung man Holz- und Seifensieder-Asche 3 bis 4 Meilen weit herzuholt, einzuräumen pflegt. Zugleich jedoch gründet sich die Feinheit solchen Flachses auf Boden und Klima und dürfte ebenso zu erklären sein, wie das Erscheinen in den Waldungen des Erzgebirges, deren Fichten und Buchen weit dichtere und feinere Jahreswüchse auf dem Abschnitte zeigen, als ähnliche Hölzer in vielen andern Gegenden.
Dem nicht Feldbesitzenden wird zum Säen einiger Metzen Leines ein Stückchen Feld eingeräumt, welches der Benutzende zu bedüngen und dem Grundherrn einige Arbeitstage (gewöhnlich in der Erndte) unentgeldlich zu leisten hat.
Der hier erbaute Flachs wird fast ausschliessend gebrochen im rohen Zustande verkauft. Gesponnen wird im Ganzen sehr wenig und nur so viel, als das Haus bedarf. Blos die ärmeren Einwohner beschäftigen sich mit Spinnen und verkaufen das Garn. Leinwand wird nur wenig fabricirt und auf den Markt kommt von hier aus gar keine. Oft bezahlt mit Gespinnst die ärmere Classe den Müller, Bäcker, Krämer u. s. w. Aber mit mehr als 1000 Händen vermögen die fleissigen Spinnerinnen eine Flachserndte nicht zu verarbeiten und lassen den Fuhrleuten der Oberlausitz und Böhmens, welche sich einfinden, auch grosse Quantitäten gebrochenen Flachses zur Ladung übrig.
Auch Hafer, Butter und Leinöl, welche Artikel meist nach Dresden verführt werden, bieten dem Dorfe eine beträchtliche Einnahme.
Das jetzige Kanzlei-, Erb- und Lehngericht war früher mit allen Rechten eines Ritterguts beliehen, weshalb es in unserm Album einen Platz gefunden hat.
Die ersten bekannten Besitzer dieses Rittergutes waren die Herren von Bobritzsch, die von dem Orte den Namen entlehnten. Diese Herren von Bobritzsch waren auch Freyberger Rathsherren. Ein Stephan von Bobritzsch auf Niederbobritzsch war im Rathe zu Freyberg Senator.
Im 18. Jahrhundert besass dieses Gut der Obrist Schöpps von Löbneck, worauf es an den Stadtrath von Freyberg kam.
Die Gebäude des jetzigen Gutes zeichnen sich vortheilhaft aus und sind in vortrefflichem Zustande.
Die Fischerei in der Bobritzsch, welche vorzüglich Forellen und Aale in reichem Masse liefert, gehört zum Gute. Der ganze Gutscomplex besteht aus 8 Hufen und umfasst 5 nicht unbeträchtliche Teiche und nicht unbedeutende Holzungen.
Die Schicksale des Ortes anlangend, so machte sich hier das Kriegsjahr 1813 durch drei grosse französische Lager und durch viele Durchmärsche der Alliirten sehr fühlbar.
Mit dem Bergbaue sind in neuerer Zeit verschiedene Versuche ohne besonderen Erfolg gemacht worden. Ein in Oberbobritzsch gefasster und über Conradsdorf auf den Gegendrom einst geleiteter Kunstgraben,
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/260&oldid=- (Version vom 17.8.2017)