Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
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Dessenungeachtet ist dieses Gut von Bedeutung, theils wegen der guten Schäferei, theils wegen der grossen Waldungen und rücksichtlich seiner früheren Gerichtsbefohlenen konnte es zu den grössten Gütern im Lande gerechnet werden. Denn ausser den Dörfern, Frankenstein und Wingendorf, besass es noch die Stadt Hainichen, im Ganzen wenigstens an 6000 Unterthanen.
Die Geschichte und Gründung von Hainichen und Wingendorf hängt unstreitig mit der Stiftung des Klosters Alten-Zelle zusammen.
Im Jahre 1162 hat Markgraf Otto von Meissen, genannt der Reiche, des grossen Conrads vortrefflicher Sohn, das Kloster Alten-Zelle zur Ehre der heiligen Maria und des heiligen Johannes gestiftet. Der Klosterbau wurde 1175 beendigt, worauf das Kloster von Cisterzienser Mönchen bezogen wurde.
Otto beschenkte die neue Stiftung gleich anfänglich mit 800 im Burgwardo Mochaw[1] gelegenen Hufen Landes und wies ihr die Nutzungen von Dörfern und Flecken in einem Bezirke von mehr als 4 Meilen an, für die mit angewiesenen Dörfer Christiansdorf und Costnitz gab er ihr jedoch später die Stadt Rosswein.
Hainichen aber wurde kurze Zeit nach dieser Schenkung angebaut, und Einwandrern von den 800 Hufen Landes eine Strecke zur Urbarmachung angewiesen. Denn Hainichen soll viel früher entstanden sein, als Freiberg, weshalb die Geschichtsschreiber sehr irren, welche die Entstehung von Hainichen erst in das 14. Jahrhundert versetzen. In dieser Zeit war Hainichen schon mit Mauern umgeben, und gehörte unter die Gerichtsbarkeit des Klosters, welche erst nach der Säcularisation desselben zu Wingendorf gekommen ist.
Wingendorf selbst scheint nicht zum Kloster gehört, sondern schon damals seine eignen Besitzer gehabt zu haben, die mit dem Kloster selbst befreundet waren. Vielleicht gehörte es auch den früheren Burggrafen selbst. Denn ums Jahr 1400 hatte Burggraf Berthold den Freiberger Bürgermeister Hans Hartusch d. i. Hartitzsch mit Wingendorf belehnt. Wingendorf selbst war mit einem Ritterpferd belegt.
Von der Hartitzsch’schen Familie ist Wingendorf dann an die Herren von Schönberg gekommen.
Im Jahre 1600 kommt als Besitzer von Börnichen, Oberschöna und Wingendorf Moritz von Schönberg als erster dieses Namens vor. Derselbe begründete von der Linie Schönberg-, Sachsenburg-, Neusorge-Oberschöna, den zweiten oder Wingendorfer Zweig (im Gegensatze des Pulsnitzer oder französischen Zweigs), starb 1612 und von seinen hinterlassenen 4 Söhnen folgte ihm im Besitz von Wingendorf und Hainichen, Hans Georg von Schönberg, welcher im Jahre 1618 als Obersteuereinnehmer erblos verstarb. Die Brüder des Bruders Nicol von Schönberg übernahmen nun die Güter Wingendorf und Börnichen und stifteten so die Wingen-Börnicher Linie (im Gegensatz der Auerswaldischen). Hans Georg von Schönberg besass damals Wingendorf zur Hälfte, erbte aber auch die andere Hälfte von seinem Bruder, denn Kreissteuereinnehmer und Amtshauptmann Nicol von Schönberg, und starb, nachdem er auch Wiesa bei Annaberg durch Kauf an sich gebracht hatte, im Jahre 1676. Sein Sohn, der Geheime Rath, Kammerherr, Bergrath und Obersteuereinnehmer, Adam Friedrich von Schönberg, nachmaliger Besitzer von Wingendorf, verliess das Irdische im Jahre 1707, worauf Wingendorf an dessen Sohn, den Kammerjunker Joh. Tham von Schönberg überging, welchem 1748 ebenfalls sein 1761 verstorbener Sohn, der Oberberghauptmann Curt Alexander von Schönberg beerbte, und so hat denn die Familie von Schönberg seit länger als 2 Jahrhunderten ihren Sitz auf Wingendorf gehabt, bis es auf seinen gegenwärtigen Besitzer, den Major von Schönberg auf Börnichen und Wingendorf übergegangen ist.
Im Niederdorfe befindet sich die grosse und schön gebaute Schaafwollspinn-Fabrik. Das aus 5 über einander befindlichen Arbeitssälen bestehende Hauptgebäude derselben wurde 1817 errichtet, welchem 1830 noch ein zweites angebaut wurde. Diese Fabrik lieferte im Durchschnitt wöchentlich 24,000 Strähn Garn, zu dessen Bereitung ein einziges, oberschlächtiges Wasserrad von 16 Ellen Höhe die dazu nöthigen Maschinen in Bewegung setzte.
Da aber in trocknen Jahren das Wasser mangelte, so wurde im Jahre 1837 ein drittes Gebäude angebaut, und sämmtliche Maschinen durch Dampf in Bewegung gesetzt.
Den Bergbau von Wingendorf anlangend, so ist dieser nie von grosser Bedeutung gewesen, und die sonst hier bebaute Grube „Neue Gabe Gottes“ ist schon längst nicht mehr gangbar.
Der jedesmalige Besitzer von Wingendorf ist auch Collator über Kirche und Schule zu Frankenstein und über die beiden geistlichen Stellen zu Hainichen, wogegen über die Schulen zu Hainichen der dasige Stadtrath das Besetzungsrecht ausübt.
Frankenstein ist ein sehr alter Kirchort, zu welchem vor dem 30 jährigen Kriege noch 4 Dörfer gehört haben, die in jenem Kriege zerstört worden sind, als: das Dorf Ailitz, seitwärts von Memmendorf – Naundorf, von Memmendorf nach Schönerstadt zu gelegen – Althartha, am Langenstriegiser Holz, und – Kuhra unter Wingendorf.
Die Kirche hat mehrere Reparaturen erfahren; die letztere geschah 1821, wo der Thurm in seiner jetzigen Gestalt von dem Zimmermeister Walther in Rochlitz erbaut wurde. Schenkungen, Vermögen noch sonst Merkwürdigkeiten hat diese Kirche nicht aufzuweisen. Ausser einer Silbermann’schen Orgel besitzt dieselbe ein vorzüglich starkes, wohlklingendes Geläute, aus 3 Glocken bestehend, das weit und breit gehört wird. Eingepfarrt sind noch Hartha und Memmendorf, bekannt durch seinen an der Dresdner Chaussee gelegenen Gasthof, welcher von keinem Reisenden früher unbesucht gelassen wurde, da von Oederan, so wie von Oberschöna her, die Strasse immer bergauf geht. In der Parochie Frankenstein
- ↑ Die erste Veranlassung der Erbauung von Burgen gaben die unruhigen Sorben-Wander und Daleminzier. Diese im Zaume zu halten wurden feste Schlösser erbaut, dieselben vom Landesfürsten an Burggrafen zur Aufsicht mehrerer Orte übergeben, woraus später die Lehngüter entstanden. Ein solches Burggrafthum oder alte Landvoigtei war Mochau oder Mochowe.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/212&oldid=- (Version vom 3.6.2018)