Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
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in des Kurfürsten Besitz, dem sie auch bei der Landestheilung verblieben. Bis zum Jahre 1476 stand Geyer unter dem Amtmann zu Scharfenstein, wo der Hauptmann Heinrich von Schönberg über beide Orte bestellt wurde und 1483 erscheinen Geyer, Ehrenfriedersdorf und Thum in einer Zollrechnung zu einem Amte vereinigt. Bei der 1485 erfolgten Landestheilung zwischen Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht blieben Geyer, Wolkenstein, Ehrenfriedersdorf, Thum, Zschopau, Freiberg und andere Bergstädte in beider Fürsten gemeinschaftlichem Besitz, jedoch 1499 wurden Freiberg, Wolkenstein nebst ihren Schlössern und Städten, also auch Geyer, Heinrich dem Frommen zu Theil, der 1505 die Huldigung empfing. Seit jener Zeit ist Geyer stets im Besitz der Meissnischen Regenten geblieben.
Die Sage behauptet, dass Geyer vor Jahrhunderten bedeutend grösser gewesen sei als jetzt, indem es damals sechshundert Häuser zählte, während zur Zeit nur vierhundert mit 3800 Einwohnern vorhanden sind. Als die Hussiten in den Jahren 1428 und 1429 in der Umgegend hausten und die benachbarten Ortschaften verwüsteten, mag auch Geyer von ihnen nicht verschont geblieben sein, obgleich keine Nachricht aus jener Zeit vorhanden ist. Noch vor wenigen Jahren zeigte man in der hiesigen Hauptkirche alte Bolzen, wie sie im Hussitenkriege gebraucht wurden, welche seit jener Schreckenszeit hier aufbewahrt waren. Zum grössten Wohlstande gelangte Geyer zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts, wo durch einen (1496) zu Schneeberg ausgebrochenen Tumult eine grosse Anzahl Bergleute sich hierher wandten, denn man hatte eben den Annaberger Silberreichthum entdeckt und die dasigen Bergleute schmolzen zu Geyer das gewonnene Silber und kauften hier ihre Lebensbedürfnisse. In diesem Jahre erbaute der Rath zu Geyer das alte, erst vor Kurzem abgebrochene Rathhaus, denn die Stadt vergrösserte sich zusehends, sodass 1510 bereits wieder 273 Häuser vorhanden waren, indem damals der sogenannte Häuerstein, der nach dem nordwestlich gelegenen Knochen führt, angebaut wurde. Bald aber betraf Geyer mannigfaches Unglück. So grassirte 1568 hier eine schreckliche Pest, in deren Folge fast hundert Häuser gänzlich leer standen, und 1599 stürzte wiederum eine Seuche Hunderte in das Grab. Entsetzlich waren auch die Gräuel und Verwüstungen, welche Geyer durch den dreissigjährigen Krieg erlitt. Am 8. August 1632 wurde der alte Zehntner Hannemann von den Kaiserlichen zu Tode gemartert und der Viertelsmeister Putzscher vor seiner Hausthür niedergeschossen; zugleich hauste eine schreckliche Pest. Am 10. April 1639 kamen die Schweden nach Geyer, wobei der hiesige Pastor Hollenhagen der Stadt ausserordentliche Dienste leistete, indem er als vormaliger Schwedischer Feldprediger seine alten Kriegskameraden zu ungewöhnlicher Milde zu stimmen wusste. Näherten sich kaiserliche Truppen, so zog der Pastor mit seiner anvertrauten Heerde in die dichte Waldung und die Frauen nahmen ihre Klöppelsäcke mit, da sie, auf Baumstämmen sitzend, fleissig fortarbeiteten.
Der dreissigjährige Krieg hatte Geyer ungemein heruntergebracht, aber noch weitere Unglücksfälle harrten des Städtchens. Die Pest tödtete 1680 über dreihundert Menschen, und 1761 war die hiesige Gegend mit Soldaten überschwemmt, welche auch Geyer besetzten und 3000 Thaler Brandschatzung erpressten. Entsetzlich für das ganze sächsische Erzgebirge war das Jahr 1772 mit seiner unerhörten Theuerung, die Tausenden das Leben raubte. In Geyer starben 423 Menschen theils am Typhus theils aus Hunger. Die Nahrung der Armen bestand aus Heu und Krautstrünken. Ein Hagelschlag vernichtete 1822 die hiesigen Fluren, 1823 verzehrte der Blitz zwei Häuser, 1830 herrschte ein Nervenfieber und 1840 verbrannten abermals zwei Häuser. Auch in der neuesten Zeit grassirte in Geyer ein furchtbarer Typhus.
Die Hauptgewerbe der hiesigen Einwohnerschaft sind Fabrikarbeit, Spitzenklöppeln und Bergbau, doch ist letzterer nicht mehr so bedeutend als bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts. In den ältesten Zeiten baute man hier auf Silber und Kupfer, worüber aus den Jahren 1405 bis 1580 noch viele urkundliche Nachweise da sind; auch sprechen dafür die noch vor Kurzem massenhaft vorhandenen Halden, welche grösstentheils eingeebnet oder zum Strassenbau verwendet wurden. Das in und bei dem Birkberge gefundene Silber und Kupfer machte man 1442 in Geyer zu Gute und verlehnte auch hier die dortigen Gruben; nach 1471 schmelzte man auch das Silber der Bärensteiner Gruben in Geyer. Eine Silberzehntenrechnung von 1487 spricht über den Bezirk Geyer, Rückerswalde und Schreckenberg. Dies Alles giebt eine Vorstellung von dem ausgedehnten Gebiete des früheren hiesigen Bergamts. Im Jahre 1466 finden sich in Geyer Kupfer- und Silberbergbau-Gewerken aus Chemnitz, Zwickau und Nürnberg; das damals sich erhebende Schneeberg aber entzog dem hiesigen Bergbau viele Arbeiter, ebenso die Entstehung Annabergs und der Gruben zu Joachimsthal, und Buchholz. Zu Annaberg legten Leute aus Geyer die ersten Häuser an und der erste Rath daselbst bestand fast aus lauter Eingewanderten. Geyer erlitt durch Annabergs Erbauung unersetzliche Verluste. Zu neuer Blüthe gelangte es 1496 durch die eingewanderten Schneeberger, und 1501 legte der reiche Bergherr und Besitzer von Wiesa, Johann Friedrich, das benachbarte Wiesenbad an und errichtete daselbst ein Badehaus. Das hiesige Zinnbergwerk erscheint 1521‚ wiewohl die ungeheuren Weitungen im Innern des Geyersberges auf ein weit höheres Alter des Zinnbaues deuten. Den Bau betrieben die sogenannten Zinnherren zu Geyer, Ehrenfriedersdorf und Thum; das Zinn aber war besser und theurer wie das zu Altenberg. – Herzog Georg erlaubte 1539 das Zinn allhier zu schmelzen und ein Schmelzhaus zu bauen‚ während man bisher in Ehrenfriedersdorf hatte schmelzen müssen, 1556 bestanden hier zwei Brauhäuser, die ihre sämmtlichen Gebräude in der Stadt verwertheten; 1563 bis 1567 erbaute man den hiesigen hohen Wachthurm, hauptsächlich zum Stundenschlag für die Bergarbeiter; 1564 entstand das hiesige Arsenikwerk, indem damals Kurfürst August dem Besitzer des Geyerschen Giftbrennofens, Hieronymus Zürich, ein Privilegium ertheilte. Da die Fabrikation ein Geheimniss blieb war die hiesige Arsenikhütte bis 1770 die einzige Europas. Im Jahre 1630 wurde das hiesige Schwefelwerk errichtet, wozu man Nicolaus Kuhn ans Ellnbogen herbeirief; 1697 stritt das Arsenikwerk mit den Zinnbaugewerken wegen des Giftmehls; 1704 stürzte das Zinnstockwerk des Geyersberges
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/134&oldid=- (Version vom 11.6.2017)