Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section | |
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des sechszehnten Jahrhunderts war Gersdorf meistens verpachtet und es ist noch ein Recess vorhanden, nach dem 1524 Paulus, Abt zur Zellen, das Gut auf zehn Jahre an Laurus Fischern aus Rosswein verpachtete. Nach der Säkularisirung des Klosters Zelle schenkte Herzog Moritz Gersdorf dem Junker Hans von Kommerstedt, seines Rathes Georg von Kommerstedt Bruder – weshalb das Gut auch 1547 von Churfürst Johann Friedrichs Kriegsleuten geplündert wurde – tauschte es jedoch gegen Zschauitz wieder ein und verkaufte es am 21. August 1556 an den edlen und gestrengen Bartholomäus Lauterbach, Churfürstlichen Landrentmeister. Dieser empfing 1560 Obergerichte, Lehen und Erbzinsen über die Stadtgüter zu Rosswein diesseits der Mulde, Kundiger, Forberg, Hohenlauft und den ganzen langen Strich zwischen der Mulde und Striegnitz bis zu deren Einfluss. Desshalb, und namentlich wegen der Rossweiner Stadtgüter, entstand in der Folge zwischen dem Besitzer Gersdorfs, dem Obersten Ceuturio Pflugk und der Stadt Rosswein ein langer und kostspieliger Prozess, der über 2400 Gulden kostete. Dass Gersdorf die Obergerichte ausübte, beweist die am 29. Juni 1627 auf dem Hartenberge vollzogene Hinrichtung der Kindesmörderin Maria Hübel. Die Unglückliche sollte eigentlich gesäckt oder in Ermangelung des Wassers mit dem Rade zerstossen werden; auf Junker Christian Pflugks auf Gersdorf unterthänige Supplik aber wurde sie zum Schwerte begnadigt. Am 16. Februar 1697 starb eine Diebin, Rosina Seidendörfer, am Galgen, worauf eine neue landesherrliche Bestätigung der Obergerichte erfolgte.
Bartholomäus Lauterbach starb am 11. October 1578 und von seinen Söhnen administrirte der älteste, Dr. Albertus Lauterbach, für die sämmtlichen Erben das Gut Gersdorf bis 1587, wo es durch Kauf an Centurius Pflugk, laut der Inschrift seines Epitaphiums in der Sophienkirche zu Dresden Churfürstlichen wohlbestallten Kriegsobersten über alle deroselben Vestungen, Zeug- und Provianthäuser, auch Hauptmann des Amtes Nossen gelangte. Etzdorf, Hohenlauft, Naundorf und Leutethal waren ebenfalls Eigenthum des Landrentmeisters Lauterbach gewesen, und Churfürst Christian II. liess die drei ersteren Güter für 29066 Gulden an das Amt zurückkaufen. Der Oberste Centurius Pflugk starb am 29. März 1619 und Junker Christian Pflugk, sein Sohn, wurde Herr auf Gersdorf, wo er auch am 11. März 1649 mit Tode abging. Ehe Christian Pflugk die Huldigung empfing, war das Gut dem Junker Moritz Starschädel auf sechs Jahre in Pacht gegeben worden. Von 1649 bis 1653 gehörte Gersdorf Christian Pflugks Wittwe, Sibylla, einer geborenen von Starschädel, die im Kirchenbuche eine gottesfürchtige matrona und mater pauperum wie auch Ehrengeneigte Priesterfreundin genannt wird. Nach Sibylla Pflugks Tode besass das Gut ihr Schwager, Dam Pflugk auf Strehla und Lössnig, welcher das Erb- und Lehnbuch auf dem Hause Gersdorf renoviren und aufs Neue confirmiren liess. Er starb am 23. August 1662, überliess aber schon Gersdorf 1661 seinem Schwager Adam Heinrich von Starschädel auf Borna, der es bis 1695 besass. Dessen Sohn, Haubold Otto von Starschädel, verkaufte das Gut 1696 für 50000 Thaler an den Churfürstlichen Oberhofmarschall Friedrich Adolf von Haugwitz, von dem es 1697 durch Erbkauf für 63000 Thaler an den Premierminister Karl von Rumohr und 1698 an den Geheimrath und Oberhofmeister Johann Haubold von Einsiedel gelangte. Dieser starb am 1. October 1700. Seine Wittwe blieb im Besitze Gersdorfs bis an ihren 1720 erfolgten Tod, wo es an Johann Georg Reichsgraf von Einsiedel kam, welcher 1760 als Churfürstlicher Oberhofmarschall beerdigt wurde. Nach ihm besass Gersdorf, bis 1793, der geheime Kabinetsminister und Erbherr der freien Standesherrschaft Seidenberg, Johann Georg Friedrich Reichsgraf von Einsiedel, und von da an bis 1842 dessen zweiter Sohn, Graf Heinrich, Königlich Sächsischer Oberschenk. Der jetzige Besitzer von Gersdorf ist Herr Georg Alexander Graf von Einsiedel.
Das Rittergut Gersdorf zeichnet sich durch seine musterhafte Bewirthschaftung aus, welche namentlich unter dem Grafen Johann Georg von Einsiedel ungemein verbessert wurde. Die hiesige Brauerei ist durch das weit und breit bekannte Gersdorfer Bier berühmt, das allerdings in neuerer Zeit durch die billigen Bairischen Biere aus den grösseren Städten verdrängt worden ist. Zum Gute gehören zwei herrschaftliche Wohnhäuser, die Wirthschaftsgebäude, eine Kunstgärtnerei mit schönem Garten, das Jägerhaus mit dem Schullokale und der Wohnung des Lehrers, eine Schäferei, Teichmühle und ein Böttcherhaus. Die Schule gründete 1780 der Kabinetsminister von Einsiedel.
Gersdorf wurde im Hussitenkriege zweimal von den wilden Böhmen heimgesucht und durch Feuer und Plünderung geängstigt. Kurz vor der blutigen Schlacht bei Mühlberg, die Churfürst Johann Friedrich dem Grossmüthigen Freiheit und Thron kostete, hausten die Völker des Churfürsten hier sehr übel, denn der Besitzer von Gersdorf war ein Herr von Kommerstedt, der es mit Herzog Moritz hielt. Im dreissigjährigen Kriege litt es 1642 viel durch die vorüberziehenden Schweden, und 1645 rückten 10000 Mann Sachsen hier ein, die vier Tage raubten, plünderten und verwüsteten, dass kein Hauswirth sein Haus mehr bewohnen konnte. Auch im siebenjährigen Kriege trieb das vorüberziehende Kriegsvolk in Gersdorf viel Unfug und während der Kriegsperiode von 1806 bis 1814 hörten Durchmärsche, Einquartierungen, Contributionen und Plünderungen gar nicht auf, so dass die Kriegschäden aus dieser Zeit in einer Beschwerdeschrift der Einwohnerschaft Etzdorfs gegen den Etappencommissar in Nossen, Baron von Odeleben, zu 84745 Thalern veranschlagt sind. Vom October 1813 bis April 1814 herrschte hier ein epidemisches Faul- und Nervenfieber, welches unter den Einwohnern und Soldaten furchtbar aufräumte. Die Pest hatte in den Jahren 1577, 1613, 1632, 1633 und 1680 hier sowie in den umliegenden Ortschaften, namentlich in Etzdorf, gehaust.
Gersdorf ist nebst Etzdorf und Böhrigen in die Kirche zu Etzdorf eingepfarrt. Dieselbe steht mitten im Dorfe und war bis zur Reformation eine incorporirte Kirche des Klosters Altzelle, denn die noch vorhandenen Kirchrechnungen wurden von den Aebten dieses Klosters geprüft. In einer alten Nachricht von 1703, die man im Thurmknopfe fand, wird gesagt: „Wer anfänglich diese Kirche fundiret kann man nirgends finden, dieses wird observiret dass solche zu zween Malen erweitert und Ao 1518 S. Maria genannt worden.“ Diese Jahreszahl befindet sich nebst dem Namen an dem steinernen Thürgewände eingehauen. Auf dem Thurme hängt eine kleine, als Seigerschelle benutzte Glocke, die Churfürst August 1557 aus dem Kloster Zelle hierherschenkte. Die Orgel ist ein Werk Silbermanns und wurde 1745 hier aufgestellt, der Altar aber stand einst in der Klosterkirche zu Zelle und war bis zum Anfange dieses Jahrhunderts mit vielem Schnitzwerke verziert. Bemerkenswerth ist das Monument des 1578 verstorbenen Besitzers von Gersdorf
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/048&oldid=- (Version vom 9.4.2017)