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Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV.djvu/021

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wurde der Herzog natürlich durch die Geistlichen eifrig bestärkt, und so blieb die Reformation auch wirklich bis zu Georgs Tode, der am 17. April 1539 auf dem Schlosse zu Dresden erfolgte, von dem Herzogthume entfernt. Der neue Landesherr aber, Heinrich der Fromme, betrachtete es als erste Pflicht, den evangelischen Cultus überall einzuführen, und liess sich in diesem Werke weder durch die Drohungen König Ferdinands, noch durch das Lärmen des Bischofs Johann von Meissen verhindern.

Hinsichtlich der beiden in und vor der Stadt Chemnitz gelegenen Klöster beschränkte man sich vor der Hand darauf, die Aufnahme von Novizen zu untersagen und den Klostergeistlichen das Beichthören, den Gebrauch der Monstranz und das Absingen der Horen bei offenen Thüren zu verbieten. Erst im Jahre 1548 wurden beide Klöster aufgehoben. Der Abt des Benediktinerklosters vom Berge, Hilarius Wagner, fügte sich den landesherrlichen Befehlen und bezog ein Haus am Rossmarkte in Chemnitz, wo er auch starb. Gleich ihm liessen sich noch verschiedene Mönche des Bergklosters in Chemnitz nieder, die übrigen aber wanderten mit den Franziskanern nach Böhmen. Von dem Klostervermögen empfingen die in der Stadt gebliebenen Mönche einen Jahresgehalt, das Uebrige wurde zu geistlichen Zwecken verwendet.

Nach der Säkularisation wurde das Kloster auf dem Berge, nebst dem Wirthschaftshofe der Abtei, in ein Kammergut verwandelt, das um das Jahr 1590 mit Neukirchen zusammen für 1050 Gulden verpachtet war, und wozu der Klosterküchenwald, die Glösaer Teiche und verschiedene andere Grundstücken gehörten. Mit der Zeit entzog man jedoch durch Verkauf dem Kammergute immer mehr Grundstücken, namentlich auf dem rechten Ufer des Flusses, woraus sich zwei Privatvorwerke und der kleine Ort Schlossgasse bildeten. Was vom alten Gute übrig war, erkaufte im Jahre 1701 der Augustusburger Amtshauptmann, Herr von Günther, als ein amtsässiges Gut mit Ober- und Erb-Gerichten, welches jedoch im Jahre 1742 schriftsässig ward. Von Georg von Günther kam Schloss Chemnitz an den Präsidenten von Bretschneider, und 1784 an die Gebrüder Siegert, welche es an die Familie Wühler veräussert, von welcher es in den Besitz der Familie Buschmann gelangte, der es noch jetzt gehört.

Die Gebäude des Klosters verfielen nach der Säkularisation immer mehr; auch zerstörten im dreissigjährigen Kriege die dort einquartirten Soldaten dieselben mit gewohnter Brutalität. Von den alten Klosterbauten ist jetzt nichts mehr übrig, als die Kirche und ein Seitengebäude mit Kreuzgängen und Zellen; doch gehören dieselben nicht zum Rittergute, sondern sind Eigenthum des Staates. Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts sind einige neue Wirthschaftsgebäude aufgeführt worden. Zu dem Schlosse Chemnitz, auch Vorwerk Chemnitz und Altchemnitz genannt, gehören sechzehn Feuerstellen und eine Bleiche mit etwa hundert und zwanzig Einwohnern.

Die alte Schlosskirche enthält des Merkwürdigen noch so Manches. Den Grund zu ihr legte nach der Zerstörung ihrer Vorgängerin durch die Hussiten erst 1514 Abt Heinrich von Schleinitz, den man, weil er sein Kloster durch mehrere Baue verschönerte, dessen zweiten Gründer nannte. Hilarius Wagner, der auf Schleinitz folgende Abt, vollendete 1525 den Kirchenbau und liess auch einen Thurm bauen, der indessen später wieder abgetragen, dessen Geläute nach Mitweida verkauft wurde. Nach Aufhebung des Klosters blieb die Kirche bis zum Jahre 1668 verschlossen, wo sie unter Churfürst Johann Georg II. zum evangelischen Gottesdienste geöffnet und der Pfarrer in Glösa zum Schlossprediger investirt wurde. Später räumte man die Schlosskirche den Katholiken ein; nachdem dieselben aber in der Stadt Chemnitz ein geeignetes Lokal zu ihrem Gottesdienste gefunden, ist die Kirche den Protestanten wieder zur Benutzung überlassen worden.

Obgleich die Kirche nicht gross ist, hat sie doch eine ansehnliche Höhe und zeichnet sich durch vortreffliche Bildwerke aus. Namentlich ist die Eingangsthüre merkwürdig, welche mit zwei hohen Baumstämmen mit abgestutzten Aesten, die sich oben in einen Bogen schliessen, eingefasst ist. Die Hauptgruppe dieses dreihundertjährigen Kunstwerkes bildet Maria mit dem Jesuskinde und der über ihr von Engeln getragenen Krone. Oben thront Gott der Vater, den gekreuzigten Heiland im Schosse, zu beiden Seiten von Engeln umgeben. Ein anderes plastisches Kunstgebilde des Alterthums ist eine Geisselung Christi, sehr schön aus einem einzigen Baumstamme geschnitzt. Das Ganze hat viel Ausdruck. Einer der Kriegsknechte hält den Heiland bei den Haaren, ein anderer legt ihm Fesseln an, ein dritter schwingt über ihm die Geissel und ein vierter flicht ihm die Dornenkrone auf das Haupt. Diese Geisselung war ursprünglich eine eichene Säule im Geisselsaale nahe bei der Kirche, wurde aber im siebzehnten Jahrhunderte von einem Künstler bearbeitet und erst gegen das Jahr 1740 in der Kirche aufgestellt. Der allgemeine Glaube, dass die Eiche in der Kirche selbst gewachsen sei, ist also unbegründet. Ueber der Geisselung zeigt man in der Mauer ein sogenanntes Fegefeuer, eine bogenförmige Vertiefung, worin abergläubische Leute ein seltsames Sausen vernehmen wollen. Mitten in der Kirche sieht man mehre dunkle Flecke, die Aehnlichkeit mit einer menschlichen Figur haben, und der Abdruck eines Mönchs sein sollen, der einst bei einer religiösen Handlung von dem Kirchenboden herabstürzte. Ausser diesen Curiositäten besitzt die Kirche noch eine Maria unter dem Kreuze, auf Holz gemalt, einen betenden Christus am Oelberge, und einige Märtyrerscenen.

Beim Schlosse Chemnitz befinden sich in verschiedener Höhe über dem am Fusse des Berges gelegenen grossen Schlossteiche zwei vortreffliche Vergnügungsörter, die namentlich von den Chemnitzern fleissig besucht werden. Von hier aus geniesst man eine wunderschöne Aussicht nach der im Thale ausgebreiteten Stadt, der Gegend von Glösa und Furth und der fernen Bergkette bei Klaffenbach. Der mit Alleen umgebene Teich wurde im Jahre 1819 gleich dem bei Glösa gelegenen noch grösseren alienirt; er hat 2000 Schritte im Umfang, liefert vortreffliche Fische und ist im Herbste der Sammelplatz ungeheurer Schaaren von kleinen Zugvögeln, die auf viele Meilen in der Runde hier zusammenströmen, um sich auf die grosse Reise nach den südlichen Ländern vorzubereiten.



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/021&oldid=- (Version vom 29.8.2018)