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Seite:Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen II.djvu/271

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gewonnen, nein man hat auch bezüglich der Feldfrüchte durch sorgfältigere Benutzung des Bodens und vermehrte Menschenzahl seit Jahren grosse, enorme Fortschritte gemacht. Der Flachsbau wurde schon früher stark betrieben und ist in der neuern Zeit eine immer ergiebigere Nahrungsquelle für die hiesige Gegend geworden. Ueberhaupt hat das frühere Amt Hohenstein fast denselben Boden, dasselbe Klima, dieselben Gebirgsformationen, wie das Erzgebirge, und es ist reicher an Felsen und Felsketten, als letzteres.

Die ganze Gegend von der Grundmühle unter Liebethal an bis nach Hinter-Hermsdorf an der böhmischen Grenze, 5 Meilen in der Länge, und vom Falkenberge bei Neukirch bis in den Bielgrund hinter Rosenthal, 4 Meilen in der Breite, pflegt man bekanntlich die Sächsische Schweiz zu nennen.

Stunden lange Felsenketten von eben so reizenden, als schauerlichen Gestalten, einzeln stehende, mehrere hundert Ellen hohe Felsen und Berge, enge, schiefe, schauerliche Abgründe, durch welche ansehnlich starke Bäche über herabgestürzte Felsentrümmer schäumend sich wälzen; weite und üppige Thäler mit Mühlen und Dörfern; das Hauptthal von der prächtigen Elbe durchströmt; Schluchten und Höhen, wo fast das ganze Jahr der Schnee nicht schmilzt, Niederungen, wo Wein, Obst, Feld- und Gartenfrüchte gedeihen; an mehreren der höchsten Punkte stattliche Vesten und Schlösser mit alten Ruinen vermischt – wer ist da noch, welcher von den Beschauern dieser Gegend den Namen der sächsischen Schweiz streitig machen wollte?

Durch den Besuch dieser sächsischen Schweiz hat auch die Stadt Hohenstein gewonnen; denn viele der Besucher hiesiger Gegend kommen im Sommer nach Hohenstein, logiren sich ein und leben oft mehre Wochen hier, wie in Schandau.

Ausserdem nähren sich die hiesigen Einwohner von Garn- und Zwirnspinnerei, vom Leinweben, vom Bierbrauen, vom Hopfenbau und den beiden Jahrmärkten, welche es seit dem 15. Jahrhundert besitzt, wo Hohenstein Stadtgerechtigkeit erhielt.

Die hiesige Kirche und Schule stehen unter der Inspection Pirna und das Ober-Consistorium hat das Collaturrecht. Eingepfarrt sind Cunnersdorf, Gossdorf, Weitzdorf und Zeschnig.

Ausserdem befinden sich im Orte zwei gute Gasthöfe.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so hat das Jahr 1813 schwer darauf gelastet.

Während des Waffenstillstandes in diesem Jahre litt Hohenstein durch die Durchmärsche, indem die Festungen Stolpen und Lilienstein von den Franzosen stark besetzt waren, und Hohenstein in der Mitte liegend, wurde von jeder Art Militair durch unaufhörliche Requisitionen heimgesucht.

Was die Umgebungen Hohensteins betrifft, so liegt Hohenstein gegenüber der Wartenberg und im Hintergrunde des Thals der Pohlenz, der Felsen Hockstein. Von Hohenstein aus führt der sogenannte neue Weg, welcher eins der schauerlichsten Felsenthäler der sächsischen Schweiz ist, nach Königstein hinunter. Nirgends sind die Felsen fürchterlicher, nirgends sonderbarer formirt, nirgends den Einsturz drohender, nirgends zusammengedrängter, als hier.

Die Polenz rauscht mitten durch das Thal über Felsentrümmer. Der merkwürdigste Punkt dieser Partie ist die Kascade. Hier stürzt ein kleines Bergwasser gegen 20 Ellen hoch über einen Halbzirkel von Sandsteinwänden herab, verliert sich, durch hervorragende Felszacken erst in Wasserstaub verwandelt in einer Höhlung des Bodens und kommt erst 50 Ellen weiter unten unter Felsentrümmern wieder hervor. – Ein anderes, eben so schauerliches Felsenthal ist der tiefe oder Hohensteiner Grund, welcher nach Schandau führt und von einem Bache durchströmt wird, der, besonders nach Regengüssen, zahllose grössere und kleinere Wasserfälle bildet. Eine der schönsten Kaskaden giebt der zwischen Felsen sich herabstürzende Weizdorfer Bach.

Nicht weit davon beurkunden zwei in Stein gehauene Sensen mit der Jahreszahl 1699 ein Duell, welches zwei Bauernbursche auf Sensen hier ausmachten. Einer blieb auf der Stelle und wurde hier begraben.

Im Thale zwischen dem Hockstein und Hohenstein steht am Polenzbach eine Mühle, wo sonst jährlich von dem früheren Amts-Personale, noch früher von dem Landesfürsten selbst, ein sogenanntes Lachsstechen abgehalten wurde. Der Amtsfischpachter musste nämlich alle Jahre 50 Lachse in diesen Mühlgraben liefern, wo man sie, wenn sie abgestrichen hatten, entweder wieder fort liess oder mit grossen vierzackigen Gabeln herausstach.

Hohenstein hat jetzt 128 Gebäude mit 1144 Einwohnern und besitzt sein eigenes Gerichtsamt, welches aber kleiner ist als das frühere Amt Hohenstein. Letzteres bestand aus 5 Städten 1 Flecken 49 Dörfern 2 Kammergütern 81 Rittergütern mit 20,000 Unterthanen. Das Gerichtsamt umfasst jetzt blos eine Stadt mit 11 Landgemeinden und hat nur 5245 Gerichtsuntergebene. Das Gerichtsamt Hohenstein ist dem Bezirksgericht Pirna zugetheilt und steht also auch unter der Amtshauptmannschaft des letztern Ortes.

M. G.     



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/271&oldid=- (Version vom 17.1.2018)