Auf einem schroffen Felsen des Zschopauthales, da wo der Strom in rascher Eile gegen die engen Steinwände seines Bettes anschäumt, erhebt sich mit ihren Thürmen und Zinnen die alte ehrwürdige Burg Kriebstein. Dieselbe ist noch völlig bewohnbar und gehört zu den wenigen Schlössern unseres Vaterlandes, welche durch die Stürme der Zeiten unberührt blieben. Von Kriebstein geniesst man eine unbeschreiblich reizende Aussicht auf das Thal der Zschopau und die romantischen Bergeshöhen, auf deren einer man die stattlichen Gebäude des Schlosses Ehrenberg erblickt. Zwischen Kriebstein und Ehrenberg zwängt sich die Zschopau in mannigfachen Krümmungen durch das enge Thal, wo die rasche Fluth durch ein Wehr, den Kriebsteiner Felsen und einen Brückenpfeiler gebrochen, schon manches Floss zerriss und manchen Schiffer verschlang. Scherzte die Bemannung eines Flosses auch noch so heiter, sobald das Schloss Kriebstein hervortritt, wird jeder ernst. Der Steuermann zieht die Mütze und betet, die Burschen thun schweigend dasselbe, und schon beginnt der Kampf mit den Wellen, wobei Alles nur auf den Meister sieht und horcht. Bei der gefährlichsten Stelle zwischen dem Brückenpfeiler und Felsen reisst der Strom so heftig, dass auch bei völliger Windstille ein unaufhörlicher Luftzug herrscht. Legt sich das Floss vor den Pfeiler, so wird es zerschellt oder überströmt und die Mannschaft heruntergeschwemmt, wenn sie nicht an den desshalb eingegossenen eisernen Ringen schwebend sich erhalten kann, bis Hülfe kommt. Ist die Gefahr vorüber, dankt man dem Himmel mit entblösstem Haupte und schenkt Kindern, die gewöhnlich am Ufer stehen und für glückliche Fahrt gebetet haben wollen, ein Stück Holz. Verunglückt jedoch ein Floss, dann ziehen die eifrigen Beter nicht selten die Trümmer an das Ufer und üben so eine Art Strandrecht, gegen welches freilich die Flösser protestiren.
Kriebstein, in Urkunden auch Crywenstein genannt, war einst der Stammort der Herrschaft Kriebstein, zu der auch die Stadt Waldheim gehörte. Bei dem Schlosse stehen bloss einige Häuser und eine schöne Mühle. Es hat eine Kapelle, in welcher der Pfarrer zu Bärnwalde bei Anwesenheit der Herrschaft Gottesdienst zu halten verpflichtet ist, und eine mit alterthümlichen Waffenstücken gefüllte Rüstkammer, worunter sich auch merkwürdige Geschütze aus dem fünfzehnten Jahrhundert befinden. Zum Schlosse Kriebstein gehören die Dörfer Bärnwalde, Gilsberg, Heiligenborn, Höschen mit Moritzfeld, Rauschenthal, Reinsdorf, Neuschönberg, Richzenhain, Tanneberg und Neumilkau mit fast zweitausend Bewohnern. In der Nähe Kriebsteins und bei Ehrenberg bricht Amethyst und Krystall.
Die Burg Kriebstein erbaute in den Jahren 1392 bis 1407 Ritter Dietrich von Bärnwalde, einer der reichsten Edelleute des Landes, dem die ganze umliegende Gegend unter dem Namen der Herrschaft Kriebstein angehörte. Kaum hatte jedoch Ritter Dietrich auf der neuen Burg seinen Wohnsitz aufgeschlagen, so wurde er in eine Fehde mit Staupitz von Reichenstein verwickelt, der Kriebstein belagerte und am Fastnachtsdienstage des Jahres 1415 mit stürmender Hand eroberte. Dietrich von Bärnwalde war der Gefangenschaft entgangen und wandte sich an den Landesherrn, Markgrafen Friedrich, mit der Bitte um Schutz und Hülfe. Der Markgraf zog darauf mit den Bürgern der Städte Freiberg, Rochlitz und Mittweida vor das Schloss und forderte den Ritter Staupitz zur Ergebung auf; dieser aber hatte sich mit Vorräthen aller Art und Mannschaft so wohl versehen, dass er dem Fürsten Trotz bot. Die Belagerung dauerte eine geraume Zeit, denn Staupitz war endlich gezwungen aus Mangel an Lebensmitteln um Gnade zu bitten, und that es in derselben Stunde, wo der Markgraf, an der Einnahme des Schlosses verzweifelnd, bereits Anordnungen zum Abzuge traf. Der erbitterte Fürst wollte an dem ungehorsamen Vasallen strenge Vergeltung üben, desshalb forderte er Oeffnung des Schlosses auf Gnade und Ungnade, der Gemahlin des Ritters Staupitz sicherte er dagegen auf ihre Bitte mit ritterlicher Artigkeit freien Abzug zu „mit Allem, was ihr lieb und theuer wäre.“ – Und als das Thor der Burg sich dem Markgrafen öffnete, erschien – gleich den Weibern von Weinsberg – die Edelfrau mit ihrem Eheherrn auf dem Rücken, von welcher Deutung seines Versprechens Friedrich allerdings anfänglich nichts wissen wollte, sich jedoch endlich beruhigte und die treue Gattin mit ihrem Gemahle in Frieden ziehen liess. Die Burg Kriebstein empfing indessen der Ritter von Bärnwalde nicht zurück, der Markgraf beschuldigte ihn der Verletzung gewisser Lehnspflichten und benutzte die gute Gelegenheit, ihn dafür zu strafen, indem er die schöne feste Burg für sich behielt. In einem Zimmer des Schlosses befindet sich ein altes Bild, welches den Auszug der Frau von Staupitz mit ihrem Gemahle auf dem Rücken darstellt. In der Folge kam Kriebstein, vermuthlich durch Kauf, an den bekannten Rath des Herzogs Wilhelm von Thüringen, Apollonius oder Apel von Vitzthum, welchem es Churfürst Friedrich der Sanftmüthige als gerechte Strafe für die gespielte Kabale während des Bruderkrieges (1446) abnahm und nebst Schweikershain, Ehrenberg und noch einigen nahen Gütern an den Ritter Kunz von Kaufungen verlieh, dessen Thüringische Güter durch die Truppen Herzog Wilhelms verwüstet oder eingenommen worden waren. Kaufungen musste einen Revers ausstellen,
Leipziger Kreis, 5tes Heft, oder 21stes der ganzen Folge.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/057&oldid=- (Version vom 21.5.2018)