Eigenthümer und wohl gar Erbauer Gnandsteins gewesen sei, ist gänzlich unbegründet, gleichwie die Sage, der Graf habe mit dem Burgherrn auf Gnandstein in Fehde gelebt, das Schloss durch Verrätherei in seine Gewalt bekommen, und das Hauptgebäude aufzuführen begonnen; ehe jedoch der Bau zum Ende gediehen, sei der vertriebene Burgherr zurückgekehrt, und durch einen glücklichen Sturm wiederum in Besitz der Burg Gnandstein gelangt. Die erste historische Erwähnung des Schlosses geschieht in einer Urkunde des Landgrafen Heinrich von Thüringen, wo ein Henricus camerarius de Gnannenstein als Zeuge angeführt ist; dreissig Jahre später zeichnete sich Günther de Gnannenstein in dem Kriege Albrechts des Unartigen mit seinen Söhnen als tüchtiger Kriegsmann aus, ebenso werden zwei Conrade von Gnannenstein sowie ein Dietrich von Gnannenstein genannt, von denen Letzterer in das Torgauer Herrengeschlecht heirathete, und ein Conrad und Heinrich von Gnannenstein schenkten 1236 dem Kloster Buch das Dorf Lautenhain bei Rochlitz; ob aber diese Ritter von Gnannenstein dem Geschlechte der Einsiedel angehörten, und nach der Sitte damaliger Zeit sich nach ihrem Schlosse nannten, ist nicht zu ermitteln, obgleich mancher Grund dafür spricht, dass sie einer anderen Familie angehörten. Conrad von Einsiedel wird 1365 genannt, seine Gemahlin war eine geborene von Hohlbach, und dieser wird als der Stammvater aller noch blühenden, gräflichen und freiherrlichen Linien der Familie Einsiedel betrachtet.
Die Familie von Einsiedel, welche seit dem vierzehnten Jahrhundert in unmittelbarster Beziehung zur Geschichte des Sachsenlandes steht, leitet ihre Abstammung von den Grafen von Sulgan her, mit welcher zugleich eine uralte interessante Familiensage zusammenhängt, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten dürfen. Kaiser Lothar I. soll nämlich den Himmel um einen Sohn gebeten, und das Gelübde gethan haben, wenn sein Flehen erhört würde, denselben der Kirche zu weihen. Des Kaisers Bitte ging in Erfüllung, und als der Knabe zum Jüngling heran gewachsen war, zog er in die Wildniss, baute sich eine Klause und lebte als Waldbruder. Nach einigen Jahren erwachte indessen in dem kaiserlichen Einsiedler die Sehnsucht nach ritterlichem Werke, er verliess also heimlich die Waldzelle, verschaffte sich ein Ross sammt einer guten Rüstung und nahm kurz vor einer Schlacht Dienste im Heere des Kaisers, seines Vaters. Im Treffen benahm sich nun der Einsiedler so tapfer, dass er vom Kaiser nicht unbemerkt blieb, der nach gewonnener Schlacht den fremden Kriegsmann zu sich bescheiden liess, und mit freudiger Ueberraschung in ihm seinen Sohn, dem Klausner erkannte, welcher bald darauf vom Papste des geistlichen Gelübdes entbunden und vom Kaiser zum Grafen von Sulgan erhoben wurde; den Einsiedler mit Hacke und Rosenkranz aber nahm er als Wappenbild an. – Die Einsiedel gehörten früher zu den mächtigsten und einflussreichsten Adelsfamilien Sachsens, hatten bereits im Jahre 1450 die Böhmische Dynasten- und Freiherrendignität, und siegelten in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts mit rothem Wachse, als Zeichen besonderer Begnadigung und hoher Würde. Uebrigens verbreiteten sich die Einsiedel über Ungarn, Böhmen, Preussen und Anhalt.
Hildebrand von Einsiedel, ein schlauer gewandter Mann, war Hofmarschall des Churfürsten Friedrich, den die Geschichte wohl mit Unrecht den Sanftmüthigen nennt, und eine seiner Schwester, Anna, die Gemahlin des Prinzenräubers Kunz von Kaufungen, die nach ihres Herrn Tode auf einem in der Nähe von Gnandstein gelegenen Vorwerke, ihrem Leibgedinge, lebte und auch daselbst starb, in der Kirche zu Kohren aber begraben liegt. Die andere Schwester, Elisabeth war mit Helfreich von Meckau auf Kohren vermählt, der einige seiner, im Altenburgischen Lande gelegenen Güter, nicht, wie man allgemein glaubt, wegen seiner Betheilung am Prinzenraube, oder weil er den Ritter Kaufungen in der Nacht vor dem Raube auf der Burg Kohren beherbergte, verlor, sondern wegen seiner ritterlichen Selbsthülfe. Im sogenannten Bruderkriege hatten nämlich Kriegsleute des Churfürsten ein ihm zustehendes Haus in Gnandstein, sowie mehrere zum Leibgedinge seiner Frau gehörige Güter zerstört und verwüstet, deshalb sandte Helfreich von Meckau dem Churfürsten einen Fehdebrief, stürmte am 8. Juli 1451 die Stadt Altenburg und liess Feuer in die Gebäude werfen, wodurch das ganze Bartholomäuskirchspiel von den Flammen verzehrt wurde. Die Rache des Churfürsten blieb nicht aus, und die Helfreichschen Güter fielen durch Hildebrands von Einsiedel Einfluss an Georg von Meckau, Helfreichs Vetter, doch musste er der Gemahlin des vorigen Besitzers bis zu deren Tode die Nutzniessung überlassen. Nach diesen Ereignissen scheinen die Meckaus sich in Sachsen nicht mehr wohlbefunden zu haben, denn schon im Jahre 1453 kaufte Hiidebrand von Einsiedel alle Meckauische Güter, die indessen wohl grösstentheils zum Leibgedinge seiner Schwester Elisabeth gehört haben mochten, an sich, und die Meckaus wandten sich nach Oesterreich.
Hildebrand von Einsiedel vereinigte mehrere angekaufte Vorwerke, wie das zu Walditz, welches einem Ritter von Hopfgarten zustand, sowie ein anderes, das Carl von Taupadel gehörte, mit Sahlis, und gründete auf diese Art das jetzige Rittergut Sahlis, worüber er 1455 die Gesammtbelehnung erhielt. Als Helfreich von Meckau im Jahre 1458 mit Tode abging, suchten dessen Brüder Melchior, Caspar und Balthasar ihre Ansprüche an Kohren, das jetzt dem Hofmarschall gehörte, zwar geltend zu machen, sie liessen sich jedoch durch einen zu Grimma abgeschlossenen Vergleich zufrieden stellen, und begnügten sich mit einer Abfindungssumme von vierhundert alten Schocken. Im Jahre 1455 kaufte Hildebrand von Einsiedel das Kirchlehn und Erbgericht zu Flemmingen und Frommsdorf von Hans von Kaufungen, wodurch die noch jetzt bestehenden Gerechtsame des Rittergutes Sahlis in diesen beiden Ortschaften herrühren, und erwarb 1459 noch das Dorf Langenleube-Oberhain, mit allen Zinsen und Gerichten. Als einer der reichsten Ritter des Landes starb Hildebrand von Einsiedel 1461 auf seinem Stammschlosse Gnandstein und wurde in der dasigen Ortskirche beigesetzt, wo seine steinerne Rittergestalt noch jetzt über der Erbgruft zu sehen ist.
Die sehr bedeutenden Güter des Hofmarschalls von Einsiedel, darunter Gnandstein, Wolftitz, Sahlis, Syhra und Scharfenstein, gingen auf dessen Sohn Heinrich über, der Dienstags nach dem St. Thomastage vom Churfürsten Friedrich dem Sanftmüthigen damit belehnt wurde, und gleich darauf im sechsundzwanzigsten Jahre seines Alters nach Palästina zog, um dort am heiligen Grabe die Ritterwürde zu erlangen. Späterhin leistete dieser Heinrich von Einsiedel, den fürstlichen Brüdern Ernst und Albrecht grosse Dienste, und brachte die Theilung der väterlichen Länder zwischen ihnen zu Stande (1485). Da die Gebrüder Heinrich und Wenzel von Rüdigsdorf noch einige Ansprüche an das Kohrener
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1860, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_I.djvu/034&oldid=- (Version vom 21.5.2018)