gekräftigt, so begann der furchtbare Kampf um Freiheit und Religion von Neuem, und wiederum starben Tausende den Heldentod für ihre heiligsten Güter. Nach zweihundertjährigem Blutvergiessen vereinigte ein tapferer Wendenfürst – Gottschalk – noch einmal die Stämme der Wenden zu einem Volke, noch einmal gab es einen Wendenkönig und ein Wendenreich; aber bald lag seine Krone zerbrochen unter dem Banner des Christenkreuzes – die Sächsischen Herzöge und Dänemarks Könige machten dem wendischen Reiche ein Ende. Böhmen, Polen und Russland hatten sich gleichfalls unter einheimischen Fürsten zu selbstständigen Staaten herangebildet, die jedoch ihren Feinden mit Erfolg widerstanden, und in denen sehr bald das volle Ritterwesen sammt der Lehnsverfassung eintrat, wodurch Fürsten und Adel sich immer enger an einander anschlossen und das Volk ein Recht nach dem andern verlor, bis es endlich alles Grundes und Bodens beraubt, zur Leibeigenschaft herabsank.
Ueber die politische Verfassung der slavischen Völker wissen wir nur wenig, und was wir davon kennen, verdanken wir den Gesetzen der salischen und ripuanischen Franken, der Alanen, Baiern, Thüringer und Friesen. Nach dem Inhalt jener Gesetze waren die Slaven Leute von grosser Sittenreinheit, zwar rauh von Denk- und Handlungsweise, aber unbekannt mit fremden Lastern. Fleissig und betriebsam, liessen sie in der Nähe ihrer Wohnungen auch das kleinste Stück Land nicht unbebaut; sie kannten den Vortheil des Ackerbaues nur zu gut und betrieben ihn mit allem Eifer. Sie verehrten mehrere Götter, unter denen die vornehmsten Perun, Swantewit, Radegast, Bilbog, Czernebog, Flynz, Lada, Diwa und Marzanna hiessen und welche sie in dunklen Hainen und auf Bergen verehrten; doch erzeigten sie auch Quellen und Flüssen göttliche Ehre. Die Freiheit war ihnen ein so schätzbares Kleinod, dass sie es selbst mit dem letzten Blutstropfen zu erhalten suchten. Im Kriege hatten sie Anführer oder Könige, welche aus den besten und tapfersten Männern des Volkes gewählt wurden, jedoch im Frieden nicht mehr galten, wie jeder andere unbescholtene Mann. Ihre Todten verbrannten sie zu Asche, die man in irdenen Krügen sammelte und nebst Waffen und Zierrathen des Verstorbenen auf einer Anhöhe oder hochgelegenen Wiese begrub. Ihre Gerichte, welche von den Königen und Priestern abgehalten wurden, fanden an gewissen Tagen, entweder in Wäldern oder auf freien Plätzen, Statt, und eine solche Gerichtsstätte war einst – vielleicht vor einem Jahrtausend schon – unser Radibor, dessen wendischer Name Radwor aus den Worten Rade Dwor zusammen gesetzt, so viel als Rathshof oder Stätte der Berathung bedeutet, und das ohne Zweifel zur Zeit der Sorbenwenden ein nicht unwichtiger Ort war.
Die ältesten sichern Nachrichten über Radibor gehen bis zum Jahre 1397 hinauf, wo ein Bürger von Budissin, Sigismund Behr, als Besitzer des Orts erscheint, und sich in einer Urkunde selbst „Patron und Collator von Radwor“ nennt. Er wird von Zeitgenossen als ein frommer und berühmter Mann bezeichnet, der im eben genannten Jahre zu Radibor die Kreuzkapelle gründete, und das Schutz- und Schirmrecht darüber dem jedesmaligen Pfarrherrn zu Radibor für alle künftigen Zeiten verlieh. Er erbte das Dorf Camina, befreite es von allen Frohndiensten, mit Ausnahme derer, welche dem Landesherrn und seinem Voigte zu leisten waren, und beschenkte es auf ewige Zeit mit allen weltlichen Rechten. Dem wackern Manne folgte die Familie von Bolberitz, von der Hans von Bolberitz in Urkunden namentlich vorkommt. Später gelangte Radibor an das alte edle Geschlecht Derer von Plaunitz, die es bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts besassen. Im Jahre 1489 gehörte das Gut den Gebrüdern Johannes und Leonhard von Plaunitz, die es von ihrem Vater ererbt hatten, und 1529 den Gebrüdern Johannes und Heinrich von Plaunitz auf Rattwitz und Radibor. Christoph von Plaunitz, der 1557 zum Besitze des Gutes gelangte, verkaufte dasselbe 1589 an Christoph von Haugwitz, der es jedoch schon 1605 Christophen von Minkwitz überliess. Dieser Herr von Minkwitz war einer der eifrigsten Anhänger Luthers, der sich grosse Mühe gab, die Reformation auf seinen Gütern einzuführen und deshalb die katholischen Unterthanen nicht nur grausam verfolgte, sondern auch dem Pfarrherrn viel Leides anthat. Christoph von Minkwitz hatte von Kaiser Rudolph II. die Erlaubniss verlangt, einen protestantischen Pfarrer nach Radibor zu setzen; als ihm aber diese Bitte abgeschlagen wurde, „weil es eine Neuerung und von jeher in Radibor ein katholischer Pfarrer gewesen sei“ wurde der Herr von Minkwitz immer heftiger und die Katholiken hatten ein übles Leben bei ihm. Die kaiserliche Verweigerung bildete einen hauptsächlichen Punkt der Beschwerden, welche die Oberlausitzer Stände 1619 gegen Kaiser Ferdinand II. erhoben. Sie klagten in der Beschwerdeschrift: „Christoph von Minkwitz zu Radibor habe keinen evangelischen Pfarrer in die dortigen beiden Kirchen setzen dürfen, sondern müsse mit den Seinen und seinen Unterthanen auf eine Meile Weges in eine evangelische Kirche reisen.“
Auf Christoph von Minkwitz folgte 1640 Erentreich von Minkwitz, und diesem 1675 Georg von Minkwitz, der Radibor 1685 an Johannes Julius von Burkersroda verkaufte, von welchem es ebenfalls durch Kauf im Jahre 1707 an Friedrich Wilhelm von Schack gelangte, den Erbauer des noch jetzt stehenden herrschaftlichen Schlosses. Der letzte Zweig der Schack’schen Familie veräusserte das Gut 1765 für 80,000 Thaler an den kaiserlichen General Baron Joseph von Ried, wieder der erste katholische Besitzer seit der Reformation, welcher aus der Reichsstadt Offenbach stammte und schon nach einigen Jahren mit Tode abging, worauf Radibor an dessen Bruder, den Obristlieutenant Baron Ludwig von Ried fiel. Im Jahre 1783 erkaufte Radibor der königlich Sächsische Minister von Wurmb für seine Mündel Maria Johanna Nepomucena Gräfin von Bolza, die sich 1787 mit dem Grafen von Gondrecourt, einem französischen Kreolen von der Insel Guadeloupe, wo er bedeutende Pflanzungen besass, vermählte. Die Gräfin begleitete ihren Gemahl im Jahre 1802 nach Paris und verkaufte nach und nach die früher zu Radibor gehörigen Ortschaften Quoos und Bornitz nebst vielen Ländereien für 60,000 Thaler, das Hauptgut selbst aber 1805 für 80,000 Thaler an den Sächsischen Rittmeister Carl Friedrich Wilhelm von Bose, der es jedoch nur bis 1819 besass, in welchem Jahre es an den herzoglich Gothaischen Regierungsrath Johann Georg Geissler kam, der es für 50,000 Thaler erstand. Nach des Regierungsraths Tode erbte Radibor Werner Reinhold Geissler, Doctor der Rechte (1830) und verkaufte es 1842 an einen Herrn von Swoboda, von welchem das Gut indessen schon 1843 durch Kauf an Reinhold von Voss überging. Der jetzige Besitzer ist seit 1854 Herr Clemens Graf von Einsiedel.
Zu dem Rittergute gehören im Ganzen 865 Scheffel, wovon 485 Scheffel
G. A. Poenicke: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Leipzig 1859, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/18&oldid=- (Version vom 31.7.2018)