Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section | |
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Wendisch-Paulsdorf liegt ½ Stunde von Löbau unfern Kittlitz, am Löbauer Wasser, gegen Reichenbach, nur 3 Stunden davon entfernt. Die Strasse von Löbau nach Görlitz führt hier durch. Der Name giebt hinlänglich von der Entstehung Kunde. Die Wenden, die Sorben-Wenden waren es, welche in den frühesten Zeiten hier Besitz gefasst haben. Allmählich erst breiteten sich dieselben von der Lausitz herab an der Elbe und Mulde weiter und weiter aus und legten Dörfer an, aus elenden Hütten, aus Holz und Lehm erbaut.
Von einer Ordnung und Bequemlichkeit der innern Einrichtung hatten sie keinen Begriff. Von einem Schornsteine wusste man damals nichts, sondern eine Oeffnung im Dache war Alles, wodurch man die Qualen des Rauches zu mindern suchte. Mitten im Hause befand sich eine Grube, welche zugleich als Heerd und Ofen diente, um welche herum sich am Abend Alles lagerte, bis ein Glöckchen das Zeichen gab, dass das Feuer in diesen Gruben nunmehr ausgelöscht werden solle. Wahrscheinlich rührt davon das in den Dörfern noch heute übliche Abendlauten her.
Im Jahre 929 unterwarf sich der Sachsen-Herzog Heinrich die Nieder- und Oberlausitz und derselbe theilte nun die eroberten Länder in Markgrafthümer. Mark bedeutet eine Grenze, und Markgrafthum war ein Grenzland des deutschen Reichs, Markgraf ein kaiserlicher Stadthalter, dem mehre Burggrafen als Schlosscommandanten beigeordnet waren, und so entstanden nun die Schlösser und Burgen.
Sobald als ein Kampf mit den nach langer Zeit unruhigen Besiegten und Grenznachbarn bevorstand, so beriethen sich die Markgrafen mit den Vasallen, wodurch die Landtage in der Lausitz mit entstanden.
Eben so wurde in dieser Zeit Alles aufgeboten die Ausbreitung des Christenthums unter den Wenden zu befördern und zu bewerkstelligen. Kaiser Otto errichtete darum in Magdeburg ein Seminarium zur Bildung wendischer Prediger, aus dem nun, mindestens mit einiger Kenntniss der slavischen Sprache ausgerüstete Prediger hervorgingen. Es wurden Pfarreien errichtet, schnell hölzerne Kirchen hier und da erbaut und die Neubekehrten mussten den Geistlichen den zehnten Theil aller ihrer Einkünfte abtreten, daher der Decem, der jetzt aller Orten abgelösst ist.
Wendisch-Paulsdorf gehört ebenfalls zu denjenigen Orten, dessen Entstehung in die frühesten Zeiten zurückfällt und von dem wendischen Worte Paulice seinen Namen entlehnt haben mag.
Ein Schloss soll hier schon im 11. Jahrhundert existirt haben und ein Schlosshauptmann damit beliehen gewesen sein. Die früheren Nachrichten über die Erbauung des Schlosses und dessen Besitzer fehlen übrigens gänzlich. Im Jahre 1779 war das Rittergut dem Fräulein Henriette Carolina von Rechenberg zugeschrieben, von welcher es im Jahre 1800 an August Benjamin Mühle auf Lawalde, Kaufmann zu Löbau kam, von welchem es dessen Ehefrau Louise Friederike Eleonore Mühle ererbte. Im Jahre 1820 übernahm dasselbe Johann Gottlieb Traugott von Leuthold auf Paulsdorf und Wendisch-Paulsdorf. Seit dem Ableben
Lausitzer Kreis, 14tes Heft oder 68tes der ganzen Folge.
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1854–1861, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/156&oldid=- (Version vom 8.8.2016)