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Seite:Adolf von Stählin - Löhe, Thomasius, Harleß.pdf/79

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Erlangen der Burschenschaft angeschlossen, welche neben der Pflege der Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit auch die der Vaterlandsliebe als Zweck ausgesprochen hatte; er stieg allmählich durch die Wal der Genossen zu den verschiedenen Ehrenposten der Gesellschaft auf, und hatte endlich die Würde und Bürde ihres obersten Leiters zu tragen. Viel Zeit und Kraft wurde ihm hiedurch geraubt. In vollster, aber auch edelster Weise hat Harleß die Herrlichkeiten akademischen Lebens gekostet. Charakteristisch äußerte er sich später hierüber: „Wer in der Jugend zu nichts als zum sich Schmiegen und Ducken, zum Nachformen und Nachmachen gereizt, angeleitet oder gar dressirt wird, der wird nie als ein innerlich freier Mann die Kämpfe des Lebens bestehen. Ich habe den Traum studentischer Wichtigkeit und Herrlichkeit nicht one Lächeln im Schlafe mitgeträumt und habe beim Erwachen nicht gefunden, dass er mir sonderlich geschadet habe. Doch haben wir uns auch mit Bedacht dazwischen die Augen gerieben“. Eine gewisse Gesundheit innerer Anschauung und Lebensrichtung tritt uns in diesen Worten entgegen, die den tiefsten sittlichen Ernst aber nicht ausschloss, mit dem Harleß auf sein bisheriges Leben, Tun und Treiben zurückblickte. Das Bild unzähliger vergeudeter Stunden stand anklagend vor seinen Augen und trieb ihn, in anderer Umgebung womöglich Ruhe und Besserung des innerlichen Schadens zu suchen. Sein damaliges Gefül hat Harleß selbst durch einen in sein Notizbuch eingetragenen Ausspruch Melanchthons gekennzeichnet: dolet saucius aspiciens vulnus et scit vulnus non esse nihil negative, sed esse partes laceratas. Mit dieser Wunde im Herzen, mit dem nagenden Bewusstsein, den richtigen Leitstern für sein Leben noch nicht gefunden zu haben, zog Harleß Ostern 1826 nach Halle. Er hatte gerade Halle als Stätte einer tieferen Fortbildung gewält zunächst um Tholuck’s willen, der ihn durch seinen Kommentar zum Römerbrief angezogen hatte; er glaubte sich ihm zur Leitung seiner theologischen Studien anvertrauen zu können. Er fand hier, was er suchte, wenngleich auf andern Wegen, als er gedacht. Nicht Tholuck’s Wissenschaft, sondern der persönliche Verkehr mit ihm wurde für Harleß von entscheidender Bedeutung. Tholuck suchte nach der

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/79&oldid=- (Version vom 31.7.2018)