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Seite:Adolf von Stählin - Löhe, Thomasius, Harleß.pdf/62

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θεῖον ἀπαθὲς oder ἀναλλοίωτον ist, als den Grund angefürt, warum der Doketismus nie vollständig überwunden und die κένωσις Phil. 2, 7 nicht so eigentlich aufgefasst wurde, als sie aufgefasst werden muss (Herstellung des historischen Standpunktes für die Kritik der neutestamentlichen Schriften S. 151 f.). Bereits einzelne unserer alten Dogmatiker waren nahe daran, den starren Begriff der Unveränderlichkeit Gottes zu durchbrechen. Dagegen erscheint die eigentümliche Unterscheidung zwischen immanenten Eigenschaften (absolute Macht, Heiligkeit, Warheit, Liebe), die der Logos bei seiner Menschwerdung beibehalten, und relativen Eigenschaften (Allmacht, Allgegenwart, Allwissenheit), deren er sich begeben, nicht als die Stärke, sondern die Schwäche der Thomasiusschen Lehre. Dass die göttlichen Eigenschaften nicht in dieser Weise geschieden werden können, deutet Thomasius selbst durch die Äußerung an, dass die relativen zu den immanenten Eigenschaften sich verhalten wie die Erscheinung oder Betätigung nach Außen zu dem Wesen, das sich darin betätigt (Christologie II, 546); bei diesem Verhältnis müssen die ersteren in den letzteren notwendig irgendwie mit enthalten sein. Und in einer Weihnachtspredigt lässt sich Thomasius nicht bloß vernehmen: „Dieses Wunder bestehet ja eben darin, dass nicht eine erschaffene Person, nicht eine wenn auch noch so erhabene Kreatur, sondern Gott selber in Christo Mensch geworden ist“, sondern auch: „wer den Herrn in seinem Wandel auf Erden gesehen hat – der muss darin die Offenbarung einer Macht erkennen, wie sie nur von dem Allmächtigen, von dem Herrn der Kreatur, ausgehen kann. – Aus dieser barmherzigen Liebe heraus sind alle die Wunder seiner Allmacht geflossen (Zeugnisse von der Gnade Gottes in Christo, 1847, S. 41 ff.).“ Es erscheint auch ganz richtig, was Thomasius früher behauptete: „nur potentia besitzt er die göttliche δόξα, nicht mehr actu“, und: „er macht von der göttlichen Macht und Lebensfülle, soweit er sie potentia besitzt, nur da und nur so weit Gebrauch, als es der Wille des Vaters gestattet (Beiträge zur kirchlichen Christologie S. 94. 106)“. Der Logos kann in der Tat Proprietäten, die er gehabt, nicht von seinem Sein und Wesen ausscheiden, wol aber treten mit dem Eingang des Logos in das kreatürliche

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)