Zum Inhalt springen

Seite:Adolf von Stählin - Löhe, Thomasius, Harleß.pdf/51

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ringen nach einer sichern religiösen Überzeugung, das Wachstum inneren Lebens in Verbindung mit einem mächtigen Warheitstrieb, einer hohen Begeisterung für die theologische Wissenschaft und dem ernstesten Erfassen ihrer Probleme bei Thomasius verfolgen. In Halle wurde er von dem dort vorherrschenden Rationalismus nur abgestoßen, dagegen von dem ehrwürdigen Knapp um so mehr angezogen: „Durch Knapp ist mir in dem Feld der Exegese ein neues Licht aufgegangen“, schreibt er an seinen Vater. Das Bibelstudium ist ihm der wichtigste Teil der Theologie, die Bibel des Supernaturalismus feste Stütze. Aber zugleich meint er, die exegetischen, historischen und kritischen Angriffe der Gegner lassen sich widerlegen, nicht so leicht die philosophischen. Ihnen rückte er in Berlin näher. Man kann fragen, wer mehr auf ihn wirkte, Schleiermacher, „ein ganz kleines Männchen, die Augen voll Feuer“, wie er ihn nennt, oder Hegel; der Einfluss des ersteren zeigt sich in der ganzen Anlage seiner Dogmatik, der des zweiten in seiner dogmenhistorischen Methode. Auch Marheineke hielt er hoch. Neanders universelle Auffassung des Christentums erfasst ihn sichtlich, nur betont er ihm das persönlich Christliche fast zu viel. Tholuck, den er schon in Halle vorübergehend kennen gelernt hatte, trat er für sein ganzes Leben nahe. An der pantheistischen Seite des Schleiermacherschen Systems nahm Thomasius schon damals entschiedenen Anstoß, wärend andererseits ihm das Streben der damaligen Philosophie, das Christentum, welches die frühere zu antiquiren sucht, spekulativ zu konstruiren, imponirte; aber nicht „als den Messias der Philosophie, wol aber als einen Johannes Baptista“ betrachtete er auch jene. Mit aller Stärke spricht er sich aber zugleich gegen eine in jener Zeit zu Berlin stark vertretene mystisch-pietistische und separatistische Richtung aus. „Meiner Meinung nach“, äußert er sich, „ist das Konventikelwesen gerade das, was der protestantischen Kirche am meisten Schaden bringen kann – wer sich dem allgemeinen entzieht, der kann nur schaden“. Er meint, von dieser Richtung werde der Wert der Wissenschaft gelästert, die Philosophie werde zur Stallmagd erniedrigt, das Gefül aber auf den Thron gesetzt. Mag dies Urteil auch zu scharf sein, jedenfalls zeugt es für die durchgängige

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/51&oldid=- (Version vom 31.7.2018)