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Seite:Adolf von Stählin - Löhe, Thomasius, Harleß.pdf/44

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Überblick über das Ganze und der Fürsorge für das Einzelne und auch Kleine. Von allen Seiten wusste er zu lernen und aufzunehmen. Als er im Hotel de Dieu in Lyon weilte, erhielt er Eindrücke, die zu schönen Nachschöpfungen in Neuendettelsau fürten. Religion und Kunst hatten in ihm einen seltenen harmonischen Bund geschlossen. Sein außerordentlicher Schönheitssinn lieh dem, was er schuf, stets die edle Form, welche auch ferner Stehende anzog und mit Bewunderung erfüllte.

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 Mit vollem Grund rechnet Kahnis Löhe zu den großen Männern im Reiche Gottes (Der innere Gang des deutschen Protestantismus, II, S. 231). Löhe war eine kirchliche Persönlichkeit im großen Stil; das muss man anerkennen, wenn man in vielen Dingen auch seine Anschauung und Richtung nicht teilt. Ein flecken- und irrtumloser Heiliger war Löhe nicht und wollte er selbst nicht sein. Stets war es uns aber merkwürdig, dass zu einer Zeit, da Löhe in der Polemik gegen das Bestehende allzusehr aufging, der Tholucksche Anzeiger über ihn sich äußerte: „Unter dem harten Panzer lutherischer Orthodoxie schlägt dem Manne ein volles christliches und apostolisches Herz“. Die geistige Bedeutung Löhes kündete sich auch in seiner äußeren Erscheinung an. Die mächtige Bildung seines Hauptes, die auf Reisen wol auch Fremden auffallen konnte, die hohe Stirn, der Mund mit dem Ausdrucke großer Bestimmtheit, die gewaltige Stimme in den Tagen seiner Kraft – alles war ungewönlich. Sein großes Auge war von lichter Bläue und konnte sehr verschieden blicken, sehr mild, aber auch durchbohrend. Auf den edlen Zügen seines Antlitzes lag ein tiefer Friede, der oft zum Heimweh nach einer anderen Welt sich verklärte. In großer Selbstverleugnung und Aufopferung diente Löhe dem Herrn und seiner Kirche. Sein Vermögen hat er im Dienst des Reiches Gottes geopfert. Die Summen, die er mit seinen literarischen Arbeiten verdiente, gingen denselben Weg. Die treue opfervolle, bis ins Einzelnste sich erstreckende Hingebung an die eigene Gemeinde stand gerade im umgekehrten Verhältnisse zu der Abneigung gegen die Landeskirche, die ihn manchmal übermannen wollte. Der Freuden der Erde blühten ihm wenige. Löhe war

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/44&oldid=- (Version vom 31.7.2018)