Locki (? Hephaest) lahm, Hödr blind, Vidar stumm, nicht anders Hagano einäugig, Walkeri einhändig, Günthari und Wieland lahm; blinde und stumme Helden gibt es viele. Aber das scheint heldenmäßig, daß die Kindheit und erste Jugend ein Fehler verunstalte und aus solchem Dunkel hernach plötzlich die leuchtende Erscheinung, gleichsam die zurückgehaltene Kraft vortrete. Hierher gehört schon die Blindgeburt der Welfe und die volksmäßige der Hessen und Schwaben.“
Biologische Gesichtspunkte in der Minderwertigkeitslehre.
Seine deutlichste Ausprägung gewinnt das minderwertige Organ im Phänomen der angeborenen Mißbildung. Nicht viel weniger deutlich zeichnet sich das Wesen der Minderwertigkeit in den äußeren Stigmen ab. Die Zusammenhänge der anderen Minderwertigkeitszeichen mit diesen beiden sind in dieser Studie so deutlich beleuchtet worden, daß sich der Schluß von selbst ergibt: die Minderwertigkeit des Organes ist embryonalen Ursprunges.
Desgleichen ist die Variabilität, die Wachstumsenergie und Fähigkeit zur Kompensation stark genug betont worden. Sie sind es ja, die die Möglichkeit einer Anpassung garantieren, vorausgesetzt, daß die Lebensfähigkeit und Lebensdauer durch die ursprüngliche Wachstumshemmung nicht gefährdet erscheint, vorausgesetzt ferner, daß der Heranziehung von Reservekräften nicht allzu große Hindernisse entgegenstehen. Der endgültige Erfolg des Kampfes um den Bestand des Organes geht aus der Relation zwischen vorhandenem, bildungsfähigem Material und der geforderten Arbeit hervor. Die dabei zutage tretenden Wachstumsanstrengungen und Erfolge sind mit denen normaler Organe nicht zu vergleichen. Sie führen uns vielmehr einen Teil jener Kraft vor Augen, die sich in der Lebhaftigkeit und Variabilität embryonalen Wachstums äußert. Dadurch nun rechtfertigt sich eine zweite Behauptung: das minderwertige Organ trägt in Morphologie und Funktion den embryonalen Charakter an sich.
Von den Ursachen der Organminderwertigkeit läßt sich nach Analogie der Ursachen von Mißbildungen folgendes Schema entwerfen:
1. Primärer Mangel an Bildungsmaterial. Man wird dabei besonders deutlich familiäres Auftreten beobachten können oder erschöpfende Krankheiten, Lues, Alkoholismus, Vergiftungen der Eltern zur Zeit der Zeugung vorfinden. Im letzteren Falle wird jedoch häufig die Auswahl des Organes durch eine primäre Minderwertigkeit desselben weiter determiniert sein.
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/84&oldid=- (Version vom 31.7.2018)