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Seite:AdlerStudie.djvu/63

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Käthe H. (s. III.), Gouvernante, 24 Jahre alt, wurde vor 6 Monaten wegen Appendizitis operiert. Vor 4 Jahren Hämatemesis. Die Zähne des Oberkiefers fehlen, Gaumenreflex ist gesteigert.

Ebenso finden wir bei Friederike U. (s. III.) und ihren beiden Schwestern Steigerung des Gaumenreflexes bis zum Verschwinden der Uvula, bei Friederike Appendizitis, Prognathie, adenoide Vegetationen, Sprachfehler, bei ihrer ältesten Schwester Prognathie, Magenneurose und Fissura ani.

Hugo R., Schriftsteller, 34 Jahre alt, erkrankte anfangs der zwanziger Jahre an Lungentuberkulose, die sich ziemlich bedenklich anließ und häufig Hämoptoe mit sich brachte. Nach zirka zweijährigem Aufenthalte in der Heilstätte Alland nahm er vor 3 Jahren wesentlich gebessert seinen Beruf wieder auf und ist seither ununterbrochen tätig. Er zeigt vollständigen Mangel des Gaumenreflexes. Patient stammt aus einer Familie, die uns einige hervorragende Schauspieler (orale Minderwertigkeit) geliefert hat. Auch seine Schwester, die an Lungentuberkulose starb, war einige Zeit als Schauspielerin tätig.

Marie A., 24 Jahre, Gouvernante, kommt wegen Hämoptoe in Behandlung. Linksseitige Spitzeninfiltration. Eine Schwester leidet gleichfalls seit längerer Zeit an Tuberculosis pulmonum, die anscheinend einen leichten Verlauf nimmt. Bei beiden fehlt der Konjunktival- und Gaumenrachenreflex. Die Patientin litt längere Zeit an häufigem lauten Aufstoßen und Singultus und hat als Kind häufig und leicht erbrochen. Noch bis auf den heutigen Tag bekommt sie Brechreiz beim Zähneputzen. (Trotz mangelnden Gaumenreflexes!) Globusgefühl tritt öfters auf, ebenso Kopfschmerzen. Einzelne Familienmitglieder, insbesondere der Vater (Techniker), besitzen zeichnerische Fähigkeiten (Mangel des Konjunktivalreflexes, Minderwertigkeit des Sehorganes, psychische Überkompensation). Der Mangel des Gaumenreflexes ist hier nicht allein auf die Minderwertigkeit des Atmungsapparates zu beziehen. Der fehlende Rachenreflex steht offenbar mit den hysterischen Manifestationen des Ernährungsapparates im Zusammenhang. Ekel als Affekt und Brechneigung bei Kindern und Erwachsenen konnte ich öfters mit mangelhaftem Gaumenreflex verbunden beobachten.

Um nicht mit Aufzählungen und Beschreibungen zu ermüden, führe ich noch kurz einige Fälle an und will das Charakteristische daran hervorheben. Die Analyse jedes einzelnen Falles ist nach dem Bisherigen leicht zu machen.

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Adler: Studie über Minderwertigkeit von Organen. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien 1907, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:AdlerStudie.djvu/63&oldid=- (Version vom 31.7.2018)