Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus | |
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Gelegenheit gegeben wurde, die Einbildung zu erregen, daß jemand zum Fenster hineingestiegen, und ihre Haare abgeschnitten habe. Genug! Die Kinder, welche die Urheber dieser Geschichte sind, haben nur im Traume Geister in weissen Röcken gesehen, und sich verwundert, daß sie erwachend ihre abgeschnittene Haare fanden. Wie oft träumet nicht dem Prembonius, ein alte Hexe falle auf ihn, und drücke ihn? er fühlet Aengstigkeiten, er siehet, wie sie sich, nachdem sie ihn jämmerlich abgeängstiget hat, wiederum zur Thüre hinaus schleiche, da doch seine Vollblütigkeit ihn allein gedrücket, und die Hexe gewesen ist, die ihn also abgängstiget hat.
Noch eine Geschichte müssen wir aus dem Plinius entlehnen, welche gewiß den Geisterfreunden neuen Vortheil und einen starken Beweis verschaffet, weil alle mit selben aufgezogen kommen. Zu Athen ware ein Haus, welches von den Geistern sehr beunruhiget wurde. Man hörte zu Nachts ein Getöse von Ketten, und ein Gespenst von einem alten, blassen, langbärtigen, mit Ketten beladenen Greisen polderte in selbem herum, und machte, daß die Einwohner das Haus verlassen müßten. Da Athenodorus der Weltweise nach Athen kam, kaufte er dieses Haus, weil es sehr wohlfeil ware. Er setzte sich zu Nacht an einen Tisch, und schrieb. Da er eine Zeitlang saß, hörte er das Getös der Ketten, das Gespenst erschien, es näheret sich, es tritt zu ihm, und winket. Athenodorus gar nicht furchtsam giebt mit der Hand ein Zeichen, es solle warten, und schrieb fort. Es wird endlich dem Gespenste zu lange. Es machet mit den Ketten ein Getös für dessen Ohren, und ladet ihn nochmal durch einen Wink ein nachzukommen. Der Weltweise nimmt das Licht, er folget, und das Gespenst gehet sehr langsam die Stiege hinab, und in der Mitte des Vorhofs verschwindet es. Athenodorus nimmt etliche Kräuter und Blätter, und bemerket den Ort, wo
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/097&oldid=- (Version vom 12.12.2020)