Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus | |
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ein überzeugendes Beispiel finden können, die Haushaltung GOttes hat nur Engel und keine Teufel in den alten Zeiten erscheinen lassen. Die Zeiten aber, wo Irrwahn und Aberglaube herrschte, schienen diese Haushaltung GOttes abzuändern, und sie lassen nur Geister, Teufeln und Gespenster, und keine Engel mehr erscheinen. Mich deucht, dieser einzige Gedanke könnte den Gespensterfreunden die Wahrheit entdecken, und sie belehren, daß Gespenster Undinge seyen. Aber ich irre, sie behaupten vielmehr, daß die Verläugnung der Gespenster mit Unvernunft geschehe, die entweder eine Bosheit im Willen, oder eine Schwachheit im Verstande zur Mutter hat. Ob dieses Urtheil gegründet seye, ob die Geisterverläugnung mit Unvernunft geschehe, und ob die Vernunft derselben Daseyn zu behaupten uns einrathe, wollen wir in dem nachfolgenden §. untersuchen.
Gehet in euch selbst, und fraget die Vernunft um Rath: pflegte Renatus des Cartes zu seinen Schülern zu sagen. Folge ich dem Rath dieses tiefsinnigen Weltweisen, versammle ich meine Sinnen zu einer nachforschenden Stille, frage ich die Vernunft: ob es Geister und Gespenster gebe? so saget sie mir, nein. Die Vernunft kann nicht einmal mit demonstrativen Gründen die Unsterblichkeit der menschlichen Seele beweisen; noch weniger weis die ihr selbst überlassene Vernunft, daß es Engel oder Teufel gebe. Was wird also die bloße Vernunft, die das Glaubenslicht nicht beleuchtet, von Gespenstern wissen? Nur als Christen wissen wir, daß unsere Seele unsterblich seye, und daß es Engel und Teufel gebe; allein das wissen wir nicht als Philosophen nach
Andreas Ulrich Mayer, Gerard van Swieten: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus. , Augsburg 1768, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Abhandlung_des_Daseyns_der_Gespenster.djvu/039&oldid=- (Version vom 2.4.2020)