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Seite:Über die Verfassung des deutschen Reiches.djvu/5

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lassen wollten und der neuen Lehre unversöhnliche Feindschaft schwuren. Leicht erwirkte man ein Verbot des Buches:[1] aber die einmal ausgesprochene Ansicht war nicht mehr zu unterdrücken. Zahlreiche Nachdrucke der Schrift erschienen an den verschiedensten Orten, innerhalb zwei Jahren war das Buch ins französische und deutsche übersetzt, und die Polemik, die sich daran knüpfte, bildet eine ganze Literatur für sich. Selbst von denen, welche der alten Schule angehörten, erkannten die bedeutenderen Geister den Werth der Schrift. Conring, Professor zu Helmstedt, nach allgemeiner Anerkennung der erste der deutschen Staatsrechtslehrer damaliger Zeit, nennt es „ein ausgezeichnetes Buch und bis jetzt unerreicht“, wenn er auch nicht alle dort vertretenen Ansichten billigen zu können erklärt,[2] und Boineburg, der frühere mainzische Minister, der damals in Frankfurt lebte, einer der Hauptrepräsentanten der partikularistischen Richtung, der Anderen gegenüber auf das schärfste miteinstimmte in das Verdammungsgeschrei des ketzerischen Buches, schreibt an einen vertrauten Freund darüber: „Wahrlich, sehr gefällt mir die Schrift durch die Abrundung des Ganzen, die Glätte des Stiles, das Maßhalten des Inhalts und die Genauigkeit des Urtheils!“[3]

Der Verfasser des Buches war anfangs Allen unbekannt. Daß der Name wie die italienische Nationalität fingirt seien, ahnte man bald: die genaue Bekanntschaft mit den deutschen Verhältnissen, die Opposition gegen die aristotelischen Staatsformen, Stil und Druckort – auch dieser war fingirt, aber man bemerkte bald, daß das Buch im Haag erschienen sei, – sprachen gegen einen italiänischen Verfasser.

Einen Augenblick hatte man dann Conring in Verdacht, aber schon der Stil sprach gegen ihn. Länger hielt man Boineburg für den Verfasser: in der Vorrede des Schriftchens war er sehr gelobt, und wenn das Buch an verschiedenen Stellen gegen Kurmainz geschrieben schien, namentlich in dem damals viel besprochenen Wildfangstreite zwischen Mainz und Kurpfalz sich entschieden auf Seite des Letzteren stellte, so glaubte man, Boineburg habe die Gelegenheit benutzt, um sich für seine Amtsentlassung zu rächen. Am Wiener Hofe benutzten die Gegner Boineburgs diesen Verdacht gegen ihn, und noch am 8. Januar 1672 hielt es Boineburg für nöthig, sich in einem Briefe[4] an Boecler, Professor der Geschichte in Straßburg, energisch gegen diesen Verdacht zu verwahren. In den schärfsten Ausdrücken verdammt er das Buch; als der Arzt Horst es ihm zuerst zu Frankfurt gezeigt hätte, hätte sich ihm jedes Haar auf dem Kopfe einzeln gesträubt,[5] wie er seinen Namen in der Vorrede gelesen hätte, denn er habe gleich gefürchtet, man werde es ihm zuschreiben.


  1. Den Verbotsbefehl selbst habe ich nirgends gefunden: daß er erlassen ist, sagen alle Commentataren und Bibliographen; zuerst so viel ich finde Kulpis.
  2. Liber est me judice eximius et hactenus sine exemplo; etsi non omnia probaverim. Conring an Boineburg 16/26. September 1667. Gruber II, 1196.
  3. Profecto per mihi placet illa scriptura et tractationis rotunditate et stili blandimonia et temperie rerum et exactitudine judicii. Boineburg an Conring 2. September 1667. Gruber II, 1197.
  4. Der Brief ist oft gedruckt, z. B. bei Kulpis p. 4.
  5. Fateor crines mihi singulos inhorruisse.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)