Die Herzöge von Sachsen besitzen das Herzland von Deutschland. Ihnen gehört Meißen, Thüringen, ein kleiner Landstrich an der Elbe, Obersachsen genannt, außerdem die Ober- und Niederlausitz und in Franken das Herzogthum Coburg und die Grafschaft Henneberg. Das Land hat fruchtbaren Boden und großen Metallreichthum.
Auch das sächsische Geschlecht theilt sich in zwei Linien, die Albertinische und die Ernestinische. Ersterer gehören der Kurfürst und seine drei Brüder an, von welchen der zweitälteste auf Lebenszeit das Erzbisthum Magdeburg besitzt. Aus der Ernestinischen stammen die Herzöge von Altenburg und Gotha und die vier weimarischen Brüder, welche alle, so viel ich weiß, Nachkommen haben.
Es folgen weiter die Markgrafen von Brandenburg. Das Haupt dieser Familie, der Kurfürst, beherrscht ein weit ausgedehntes Land. Außer Preußen, das vom römischen Reiche unabhängig ist, und das er seit dem letzten Vertrage mit Polen als souveräner Fürst besitzt, gehören ihm die Marken, Hinterpommern, das schlesische Herzogthum Crossen, das Herzogthum Cleve und die Gebiete von Mark und Ravensburg. Für den Theil Pommerns, der den Schweden überlassen ist, und der sonst nach dem Aussterben der pommerschen Herzöge ihm hätte zufallen müssen, hat er als Ersatz die Bisthümer Halberstadt, Minden und Cammin und die Anwartschaft auf Magdeburg nach dem Tode des sächsischen August erhalten; weite und fruchtbare Länder, für die er aber, wie Viele glauben, doch lieber das ganze Pommern hätte.[1]
Ich erinnere mich, daß, als ich nach meiner Rückkehr aus Deutschland zu Padua mich in Gesellschaft einiger französischen und italiänischen Marquis befand und erzählte, der erwähnte Fürst könne in seinen Landen über 200 deutsche Meilen reisen, ohne in fremdem Gebiet übernachten zu müssen (obwohl ja die brandenburgischen Lande hier und da durch fremdes Gebiet durchschnitten werden), die meisten der Anwesenden mir vorwarfen, ich übertreibe, wie alle Reisenden. Und so wäre ich bei unseren Landsleuten, die ja selten oder nie aus Italien herauskommen, beinah in den Verdacht der Aufschneiderei gekommen, wenn nicht ein alter Offizier, der lange in Deutschland gedient und den ich am Hofe von Berlin kennen gelernt hatte, meine Mittheilung bestätigt hätte. Nun schämten sie sich, daß bei uns und in Frankreich manche den stolzen Titel Markgraf führten, die kaum 200 Morgen Landes besäßen: bis dahin aber war es ihnen unbekannt
- ↑ Es könnte auffallen, daß P. über die Persönlichkeit des großen Kurfürsten und seine so bedeutsame Stellung in Deutschland so gar nichts sagt. Theils mag das mit seinem Verhältniß zu Karl Ludwig von der Pfalz zusammenhängen, theils kann es scheinen, daß P. erst später die Politik des großen Kurfürsten völlig zu würdigen und zu verstehen gelernt hat, als er sich mit der brandenburgischen Geschichte eingehender beschäftigte. Uebrigens ist auch in der Ed. posth. hier nichts hinzugefügt, während die ganze nachfolgende Erzählung über das Gespräch zu Padua dort weggelassen ist.
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/46&oldid=- (Version vom 1.8.2018)