bestimmen, nur einer Person verliehen werden kann, so müssen doch die Aristokraten die eigentliche Gewalt und das Recht, über die wichtigsten Angelegenheiten auf den Reichstagen zu entscheiden, in der Hand behalten, deshalb ist der Reichstag oft zu berufen oder wenigstens nach Art des Reichsregiments im vorigen Jahrhundert, ein stehender Ausschuß niederzusetzen. 4) Dem Haupt des Reichs darf nur der Schein der Majestät bleiben, alle Rechte und alle Gewalt müssen dem Staate selbst vorbehalten werden. 5) Ueber Leben, Gut und Ehre der Stände darf der Kaiser allein nicht entscheiden. 6) Ueber Heere und Festungen darf nicht er allein den Oberbefehl haben.
Hippolith ergeht sich nun in weitläufigen Ausführungen, um zu beweisen, daß diese Regeln von Kaiser und Ständen vielfach nicht beachtet werden, wobei er das Haus Oesterreich und einige Kurfürsten auf’s schärfste angreift. Was aber jene Vorschriften der Staatsräson selbst angeht, so ist es klar, daß, so wenig sie an sich ohne Weiteres abzuweisen sind, doch auf ihnen das Heil Deutschlands nicht beruhen kann, da Deutschland so, wie oben gezeigt, eben kein aristokratischer Staat ist.
Nach diesen sechs Grundsätzen schlägt dann Hippolith sechs Heilmittel für die Krankheiten Deutschlands vor. Zuerst empfiehlt er Liebe zur Eintracht und schlägt eine allgemeine Amnestie und eine Niederschlagung aller schwebenden Streitigkeiten, welche die Zwietracht nähren, vor; sodann will er Beilegung aller religiösen Zwistigkeiten, damit nicht um ihretwillen das Wohl des Vaterlandes Schaden nehme. Alle [1] diese Vorschläge geben, wie man sieht, reichlichen Stoff für eine prächtige Schulrede; von practischem Nutzen für das deutsche Reich werden sie aber erst dann sein, wenn alle deutschen Fürsten anfangen vernünftig zu werden und ihre Leidenschaften nach philosophischer Vorschrift zu zügeln.
Zweitens will Hippolithus das Haus Oesterreich gänzlich vernichten und seinen Besitz confisciren. Das heißt aber den Henker und nicht den Arzt spielen. Oder soll etwa jeder mit dem Untergange gestraft werden, dessen Macht die Stufe der Mittelmäßigkeit überschreitet? Wenn wir aber auch diesen harten Urtheilsspruch anerkennen wollten, wer sollte es denn wagen, die Axt an die Wurzel der österreichischen Macht anzulegen, die so weite Ländergebiete umfaßt, und deren Anfall an eine oder an zwei andere Mächte das Interesse von ganz Europa schädigen würde? Von den deutschen Fürsten halten viele zu Oesterreich, andere sind ihm wenigstens nicht Feind; die noch bleiben, sind nicht im entferntesten im Stande, eine solche Macht zu bewältigen. Man müßte also Bundesgenossen suchen und wen anders, als Frankreich und Schweden? Denn diese Mächte waren, zur Zeit als Hippolithus schrieb, solchen Plänen sehr geneigt und erklärten unter großem Beifall aller Thoren, sie wollten die durch Oesterreich unterdrückte
- ↑ Ich enthalte mich hier jeder kritischen Bemerkung, sowohl über die Kritik, welche P. an den Vorschlägen des Hippolithus ausübt, wie über seine eigenen, unten in §. 4. und folgenden dargelegten Reformpläne, da ich darauf ausführlich in der allgemeinen Einleitung zu diesen „Schriften über deutsche Reichsverfassung im 17. Jahrhundert“ einzugehen habe.
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/123&oldid=- (Version vom 1.8.2018)