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Seite:Über die Verfassung des deutschen Reiches.djvu/117

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Monarchie.[1] Denn aristokratische Staaten, abgesehen davon, daß sie fast nur möglich sind, wo Staat und Stadt fast zusammenfallen, sind ihrer Natur nach schwächer, als monarchische, und die Ausnahmen welche von dieser Regel die erlauchte Republik Venedig macht, darf fast als ein Wunder gelten. Dagegen haben Staatenbünde einen weit loseren inneren Zusammenhang und sind viel leichter inneren Unruhen, ja selbst der Gefahr völliger Auflösung ausgesetzt. Soll aber ein solcher Staatenbund einige Macht entwickeln, so ist vor allem nöthig, daß die Verfassungsform in den einzelnen Staaten dieselbe ist, daß die einzelnen Glieder nicht allzu ungleich an Kräften sind, und daß die Verbindung allen gleichen Nutzen bringt. Weiter muß das Bundesverhältniß nach reiflicher Ueberlegung und nach sorgfältig ausgearbeiteten Grundgesetzen abgeschlossen sein. Staaten aber, die ohne solche Erwägung und ohne vorherige Feststellung der zukünftigen Verfassung in ein solches Bundesverhältniß getreten sind, können ebensowenig einen lebensfähigen Staatskörper bilden, wie[2] ein Schneider ein elegantes Kleidungsstück wird verfertigen können, wenn er das Tuch zugeschnitten hat, ehe er wußte, ob er für einen Mann oder eine Frau ein Gewand anfertigen sollte. Zu beachten ist auch, daß kaum je Monarchien und Republiken Bündnisse - selbst nur auf Zeit, geschweige denn zu dauernder Verbindung - abgeschlossen haben, da die Fürsten die Freiheit des Volkes, dieses den Stolz der Fürsten nicht will. Auch ist das menschliche Herz von der Natur so angelegt, daß kaum je ein Stärkerer den Schwächeren als gleichberechtigten Bundesgenossen wird anerkennen wollen. Und wer von der Verbindung nur geringen oder keinen Nutzen hat, trägt erfahrungsmäßig nur ungern zu den gemeinsamen Lasten bei.

§. 8. Die Symptome der Krankheit Deutschlands.

Deutschland[3] aber krankt zugleich an den Uebeln einer schlechten Monarchie und an denen eines ungeordneten Staatenbundes: ja der Hauptfehler ist gerade, daß Deutschland eigentlich zu keiner dieser beiden Staatsformen gehört. Denn dem Anschein und den äußeren Formen nach ist es eine Monarchie, und die ältern deutschen Könige waren ja bekanntlich wahre Monarchen. Seitdem aber die königliche Macht gesunken ist und der Einfluß und die Libertät der Stände sich vermehrt haben, ist kaum ein Schatten von Königsherrschaft zurückgeblieben, und der Kaiser hat kaum so viel Rechte, wie einem Bundeshaupte zukommen. Das ist nun die Ursache der gefährlichsten Umwälzungen gewesen, da die Interessen des Kaisers und der Fürsten verschieden sind. Jener strebt auf jede Art danach, die alten monarchischen Rechte wieder zu erwerben, diese aber vertheidigen die einmal erworbene Unabhängigkeit. Daraus entstehen beständiger

  1. Man beachte diesen Ausspruch, der das eigentliche politische Glaubensbekenntniß P’s. enthält.
  2. Dies Gleichniß ist in der Ed. posth. weggelassen.
  3. Auch in diesem und dem folgenden Paragraphen sind nach der uns schon bekannten Weise viele Stellen in der Ed. posth. abgeschwächt, ohne daß der Sinn des Ganzen bedeutend verändert wird.
Empfohlene Zitierweise:
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/117&oldid=- (Version vom 1.8.2018)