die für eine solche Bezeichnung vorgebracht werden, verdienen, glaube ich, mehr belächelt, als ernstlich widerlegt zu werden. Denn es ist gleich dumm, wenn man aus der Vision des Daniel, wie wenn man aus dem römischen Corpus juris die Befugnisse des deutschen Kaisers bestimmen will; und daß der Kaiser keinen höheren, als Gott und das Schwert über sich anerkennt, giebt ihm ebenso wenig eine absolute Gewalt über die Stände, als derselbe Grundsatz sie einer der sieben niederländischen Provinzen in Bezug auf die sechs anderen verleihen kann. Leere Titel aber – so wenn die Stände den Kaiser ihren gnädigen Herrn nennen oder in Briefen und sonst von ihrer tiefen Unterthänigkeit sprechen, hergebracht wie sie sind durch den Curialstil – haben natürlich gar keine Bedeutung; denn mit Worten pflegt in der Regel der am verschwenderischsten umzugehen, der mit Handlungen der sparsamste ist. Auch jene Vollkommenheit der höchsten Gewalt, von der alle Decrete und Briefe voll sind, besteht nur in leeren Worten; und wenn endlich die Stände dem Kaiser Treue schwören, so thun sie das nur vorbehaltlich ihrer Freiheiten und Rechte, die, wie oben gezeigt, dem Kaiser wenig genug Befugnisse lassen. Mit diesen wenigen Bemerkungen wird diese Frage hinlänglich erledigt sein.
Am meisten hat noch die Ansicht der Schriftsteller für sich, welche dem Kaiser eine königliche und souveräne, aber nicht absolute Gewalt zuschreiben, eine Ansicht, die hier und da auch in den Rechtsschulen vertreten wird. Bekämpft ist sie meines Wissens zuerst von einem pseudonymen Hippolithus a Lapide zur Zeit, als der Kampf zwischen Schweden und dem Kaiser auf’s heftigste entbrannt war. Obwohl derselbe viele Gründe vorbringt, welche Niemand bestreiten kann, der nicht aller Scham baar ist, so ist es doch ebenso klar, daß er sich in vielen Punkten irrt und durch eine unversöhnlichen Haß gegen das Haus Oesterreich oft zu falschen Behauptungen verleitet wird. Die[1] Confiscation des Buches freilich hat nur seinen Preis gesteigert und die Gelehrten begieriger gemacht, es zu lesen. Ich würde aber seiner gar nicht Erwägung thun, wenn nicht die Meisten ihn überaus hoch schätzten und wenn nicht seine Gegner nur leeres Geschwätz vorgebracht hätten, statt seine Ansichten zu bekämpfen.
Hippolith nun nimmt zwar mit vollem Rechte dem Kaiser die souveräne königliche Gewalt und giebt sie den Ständen, aber er irrt, indem er den Kaiser selbst den Ständen unterwirft und ihm trotz seines stolzen Titels nur die Befugnisse eines Beamten überweist. Er verfährt grade so, als ob, wo nicht absolute Monarchie vorhanden ist, nothwendig eine Aristokratie vorhanden sein müßte, oder als ob der, der nicht selbst nach Willkür herrschen kann, nun seinerseits nothwendig einem anderen unterworfen sein müßte. Schon diese eine Bemerkung reicht hin, um die meisten seiner Ausführungen hinfällig zu machen. Von vielen anderen sehr angreifbaren Gründen, die er vorbringt, will ich nur wenige gleichsam beispielsweise hier erörtern.
Er sagt einmal, die Souveränetät sei bei den Ständen, denn diese übten sie unbestritten aus, wenn kein Kaiser da sei. Aber wer weiß denn
- ↑ Dieser Satz und der folgende sind in der Ed. posth. weggelassen.
Samuel von Pufendorf: Ueber die Verfassung des deutschen Reiches. Berlin: L. Heimann, 1870, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:%C3%9Cber_die_Verfassung_des_deutschen_Reiches.djvu/102&oldid=- (Version vom 1.8.2018)