Sehnsucht nach Rom
Alme Sol, curru nitido diem qui
Promis et celas, aliusque et idem
Nasceris: possis nihil urbe Roma
Visere maius.
Wie Filoktets umwölkten Blicken
Der Vatererde lachend Grün,
Auf Lemnos unwirthbarem Rücken,
In jedem Halm zu weben schien:
Hier, um des Klosters grauen Dom,
Im goldnen Morgenstrale wanken,
Selbst jedes Moos an dich, o Rom!
Es brausen, Königin der Tiber,
Der Alpen Stürme mir herüber,
Ihn donnert mir der Ströme Fall!
Wann Eos früh die Wipfel röthet,
Grüß’ ich Borgheses Paradies,
Den Lorberwald von Medizis;
Wann sich die Frühlingsblum’ entfaltet,
Pamfilis Anemonenflur:
Doch, ach! bis diese Brust erkaltet,
Daß, eh’ des Daseyns Fackel sänke,
Ich einmal noch den Himmelsduft
Der Hesperidengärten tränke
Und ihres Aethers Zauberluft!
Im Abendlicht’ Anthusas Höhn
Und ihre Göttermonumente
Mit Einem Blick nur noch zu sehn!
Euch, Siegesbogen, Basiliken,
Und, Obelisken euch! Antiken
Am Nil der Vorwelt Pilgern schon;
Und, Koliseum, dich! so brausend
Sich auch des Zeitstroms Woge bricht,
Nur dem gekrönten Frevler nicht;
Ach! hätten dich Barbarenhände,
Du Riesendenkmal, nicht entweiht,
Gleich einem Urgebirge stände
Dich, Forum, wo der Strom der Wahrheit
Sich von den Lippen Ciceros
So oft, mit Arethusas Klarheit
Und mit des Rheinfalls Kraft, ergoß;
Für Freiheit, Recht und Vaterland,
Der ernsten Nemesis Geweihter,
Ein Fels im Wogenaufruhr, stand;
Und würdiger der Siegespalme,
Wie Hagelsturz der Ceres Halme,
Der Mordwuth Rotte niederschlug.
Von Romas Wundern seyd vor allen
Des Bildners Wunder, mir gegrüßt!
Der Schönheit Urquel sich ergießt.
Wie Bienen zum Hymettus, kehrte,
Selbst vom erhabnen Meisterstück
Wo Rafael den Herrn verklärte,
Vom Nachglanz der gesunknen Sonne,
Die einst den Praxitelen schien,
Sieht euch mein Geist mit Schmerz und Wonne,
Noch stets im Traum der Sehnsucht glühn!
Als Ugolinos Qual bewegt,
O Dulder! dem des Unthiers Kiefer
Sich graunvoll in die Seite schlägt;
Euch, quirinalische Kolosse,
Indeß der Arm die Flammenrosse
Jach, wie Neptun die Fluthen, zähmt;
Dich, Torso, weitgepries’ne Trümmer
Des Sohns der langen Wundernacht,
Von Hebes Nektarschale lacht;
Dich, Sonnengott im Belvedere!
Doch Mnemosynens Jammerton
Füllt deines Tempels dumpfe Leere
Du stehst nun unter den Gebilden
Des Ungeschmacks voll Trauer da,
Wie einst im Kreise roher Wilden
Auf Tauris Ifigenia.
Die sich am Scherbenberg’ erhebt,
Zum Thal mich hin, wo Lethes Friede
Um stille Fremdlingsgräber schwebt?
Werd’ ich an Vestas Tempelrunde,
Den Grazien, in heilger Stunde,
Nie mehr den ersten Becher weihn?
Wie oft, bis zu der Sterne Schwinden,
Hab’ ich dem Katarakt gelauscht,
Und stolz in Flakkus Hymnen rauscht!
Wann werd’ ich wieder dich erklimmen,
Albanos Berg! auf dessen Höhn,
Im Mondlicht, oft Heroenstimmen
Hoch sey der hehre Tag gefeiert,
Als hier, von Rom bis Ostia,
Mein Blick, vom Zeitgewölk entschleiert,
Der Thatenbühnen größte sah.
War plözlich der Verödung Graun,
Des Tempes Haine, rings am Strome,
Durchschwärmten Oread’ und Faun.
Froh staunte da die Morgenhore
Die Bann- und Fluchstadt der Gregore
Und Alexander war nicht mehr!
Wie jauchzten des Olymps Päane,
Als, um den alten Palatin,
In stolzer Herrlichkeit erschien?
Als aus dem Grause der Vernichtung
Der Tempel Majestät sich hob,
Und ihren Rosenflor die Dichtung
Wie scholl an lodernden Altären,
Dem Gotte der zum Indus drang,
Der blonden Spenderin der Aehren
Und ihm, dem Heerdenschützer, Dank!
In Grau sich tauchten, dir zum Preis
Der Hekatomben Wolke festlich
Um deine Burg, Befreier Zeus!
Wie sorglich waltete, vom Scheine
In göttlich hoher Seelenreine,
Der Jungfraun Chor um Vestas Heerd!
Wie glänzten vom Tyrrhenermeere
Der Flotten Purpursegel her!
Von ferner Zonen Beute schwer!
Wie wälzte die entzückte Menge
Sich brausend, längs der Tiber Bord,
Beim Donnerhall der Siegsgesänge,
Am Kapitol, dem Felsensitze
Des Adlers, der, mit stolzem Flug’,
Im Thatensturm Kronions Blitze
Voran den Weltbezwingern trug:
Noch dem Tyrannenmörder glühn?
Und vor dem hohen Mark-Aurele,
Dem Genius der Menschheit, knien?
Dort ist’s, wo, im verklärten Lichte
Der Vorwelt göttliche Gesichte
Lebendig vor uns auferstehn;
Wo Rom, in ernster Heldenschöne,
Indeß der Weltkreis ahnend schwieg,
Verhängnißvoll der Nacht entstieg;
Und, mit Alcidens Kraft schon muthig
Der Drachen viel als Kind bezwang,
Eh’ sie, von tausend Kämpfen blutig,
Wie lauschte, schwebten still der Manen
Geweihte Chöre dort empor,
Den Scipionen, den Trajanen
Und, Kato, dir mein trunknes Ohr!
Dem Himmelsglut im Busen wallt,
Ein jeder Stein mit Heroldstone,
Ins Herz noch diese Namen hallt!