Schwere Elternsorgen!
[336] Schwere Elternsorgen! Unter dieser Bezeichnung registriren wir heute drei Vermißte im Knaben- und Jünglingsalter, zu deren Wiederauffindung wir die schon so oft bewährte Hülfe unserer Leser dringend anrufen.
1) Der fünfzehnjährige Sohn des Cantors Hübner in Rengersdorf bei Marklissa (Reg.-Bez. Liegnitz), Gustav Hübner, war bei einem Buchbinder in Lauban in der Lehre, und verließ das Haus seines Meisters heimlich am 30. Januar dieses Jahres. Vierzehn Tage später kam ein Brief von ihm, aus Petersdorf bei Halle an der Saale, bei seinem Vater an, in welchem er um Verzeihung bat und Heimkehr (und zwar über Magdeburg-Berlin) versprach, wenn ihm einiges Geld nach Bernburg, postlagernd, geschickt würde. Dies geschah sofort, aber statt des Sohnes kam das Geld, das bei der Bernburger Postbehörde nicht abgeholt worden war, zurück. Der junge Mensch ist seitdem spurlos verschollen. Er trug dunkle Kleidung; Ueberzieher, Rock und Hosen waren schwarz-blau; die Weste war grau; er ist von Statur groß und stark, stottert und hat erfrorene Hände.
2) Hermann Steinbach, der 12½ Jahre alte Sohn des Hutfabrikanten Robert Steinbach in Magdeburg, ein Gewerbeschüler, ist am 15. December 1880 aus der Schule nicht in das Elternhaus zurückgekehrt und seitdem trotz aller obrigkeitlichen Nachforschungen spurlos verschwunden. Er trug einen schwarzcarrirten Tuchanzug, Stiefeln mit Lackkappen und rothgeränderte Strümpfe und hat dunkelblondes Haar, starke Augenbrauen, weiße Gesichtsfarbe und etwas aufgeworfene Lippen.
3) Eine Wittwe wohnte in München mit ihrem Sohne zusammen, einem braven jungen Mann, der als Buchbinder dort arbeitete und jeden verdienten Pfennig der Mutter zuwandte. Da kam, während mehrtägiger Abwesenheit der Wittwe, eine Postanweisung von ihrer Tochter an sie an, und da auch der Sohn nicht daheim, sondern in seiner Werkstatt war, so hatte der Postbote die Sendung einer Nachbarsfrau übergeben, die auch ihren Namen in das Quittungsbuch setzte. Die Postanweisung kam jedoch nicht in die Hände der Wittwe, dagegen behauptete die Nachbarin, sie dem Sohn übergeben zu haben. Vor das Postamt gefordert, leugnete der junge Mensch beharrlich jede Kenntniß von dieser Geldanweisung, und auch als der betreffende Beamte mit Drohungen ihn zum Geständniß aufforderte, blieb er fest bei der Behauptung seiner Unschuld, aber er verließ sofort München; das geschah am 4. Juli 1881), und seitdem ist es weder der Mutter noch der Schwester gelungen, eine Spur von ihm aufzufinden. Die Mutter ist so trostlos über den Verlust ihres wahrhaft braven Sohnes, daß ihr der Gram in kurzer Zeit das noch nicht zu alte Haupt gebleicht hat. Die Unschuld des Sohnes ist längst erwiesen: jene Postanweisung ist von unredlichen Händen benutzt worden, wie bereits eingestanden ist. Aber den jungen Menschen hat die Scham über solch einen Verdacht fortgetrieben. Er heißt Cajetan Wolfgang Koppel, ist am 20. September 1863 zu Linz in Oberösterreich geboren und heimathberechtigt zu Schwaz in Tirol; die Erscheinung des siebenzehneinhalbjährigen Jünglings ist eine angenehme, indem er sich durch schlanke Gestalt, ganz goldblonde, dichte Locken, große blaue Augen und ein volles, rundes Gesicht auszeichnet; auch ein besonderes Kennzeichen fehlt ihm nicht: eine Narbe, Schnittwunde, mitten durch die Stirn. Möge der armen Mutter bald eine Kunde von ihm oder über ihn zukommen!