Schwere, Elektricität und Magnetismus/Vierter Abschnitt
Editionsrichtlinien, Quellenangaben und Zusammenstellung siehe: Schwere, Elektricität und Magnetismus.
Zur Erklärung der elektrischen Erscheinungen stellen wir die Hypothese auf, dass in jedem ponderablen Körper zwei imponderable elektrische Fluida vorhanden sind: das positive und das negative elektrische Fluidum.
Die ponderablen Körper als Träger der Elektricität werden in zwei Klassen eingetheilt, in Leiter (Conductoren) und Nichtleiter (Isolatoren). Unter einem Leiter versteht man einen solchen ponderablen Körper, innerhalb dessen die elektrischen Flüssigkeiten sich vollkommen frei bewegen können. Unter einem Nichtleiter dagegen versteht man einen Körper, in welchem jedes kleinste Theilchen der elektrischen Flüssigkeiten an dem Körpermolekül haftet, dem es ursprünglich angehört hat. Zwar gibt es in der Natur keine vollkommenen Leiter und keine vollkommenen Nichtleiter. Vielmehr setzt jeder Leiter der Bewegung der elektrischen Theilchen einen, wenn auch sehr geringen, Widerstand entgegen, und in jedem Nichtleiter ist eine Lagenänderung der elektrischen Theilchen in seinem Innern nicht gänzlich ausgeschlossen, wenn sie auch nur sehr langsam zu Stande kömmt. Es erleichtert aber die Untersuchung der elektrostatischen Erscheinungen, wenn man bei den Leitern den sehr geringen Widerstand, bei den Nichtleitern die sehr geringe Beweglichkeit der elektrischen Theilchen ganz ausser Betracht lässt.
Die elektrischen Fluida sind imponderabel, d. h. sie werden von der Schwerkraft nicht in Anspruch genommen. Dagegen übt jedes elektrische Theilchen auf jedes andere elektrische Theilchen eine bewegende Kraft aus. Zwei elektrische Theilchen haben gleiche Elektricitätsmengen, wenn jedes von ihnen unter gleichen Umständen auf ein und dasselbe dritte Theilchen nach Grösse und Richtung dieselbe Kraft ausübt.
Nach dieser Definition erkennt man die Möglichkeit, gleiche Quantitäten desselben Fluidums herzustellen und in Folge davon, bei Annahme irgend einer Einheit, verschiedene Quantitäten desselben Fluidums zu messen. Es kömmt noch darauf an, mit demselben Maass auch die Elektricitätsmengen des anderen Fluidums zu messen. Zu dem Ende definiren wir weiter: Zwei elektrische Theilchen haben entgegengesetzt gleiche Elektricitätsmengen, wenn sie unter gleichen Umständen auf ein und dasselbe dritte Theilchen Kräfte ausüben, die an Grösse gleich, in der Richtung einander entgegengesetzt sind. Hiernach üben zwei gleiche Quantitäten des einen und des anderen elektrischen Fluidums, wenn sie in demselben Punkte des Raumes vereinigt sind, gar keine Kraft aus. Dies ist der Grund, weshalb man die beiden Flüssigkeiten als positives und negatives Fluidum unterschieden hat.
Es ist nicht unwichtig, hier eine Bemerkung anzuknüpfen. Denken wir uns einen Körper, der durchaus keine elektrische Wirkung ausübt, so lässt sich sein elektrischer Zustand in doppelter Weise auffassen. Entweder nemlich kann man sagen: an jeder Stelle des Körpers ist die Elektricitätsmenge Null vorhanden. Oder man kann sagen: an jeder Stelle des Körpers ist eine Quantität positiver und eine eben so grosse Quantität negativer Elektricität in neutralem Gemisch vorhanden. Ist der Körper, der in diesem Zustande sich befindet, ein Leiter, so lehrt die Erfahrung, dass bei blosser Annäherung einer positiven oder negativen elektrischen Ladung ein Theil der Leiteroberfläche positive und der übrige Theil negative Elektricität zu erkennen gibt. Diese Thatsache lässt sich nur aus der zweiten Auffassung erklären, nemlich so, dass durch die in der Nähe befindliche elektrische Ladung der positive und der negative Bestandtheil des neutralen Gemisches in jedem inneren Punkte des Leiters nach entgegengesetzten Seiten auseinander getrieben werden. Ist diese Erklärung richtig, so muss nach der Scheidung ebenso viel positive wie negative Elektricität vorhanden sein. Auch dies ist durch das Experiment bestätigt.
Die Erfahrung hat über die elektrostatische Wechselwirkung von zwei elektrischen Theilchen das folgende Gesetz festgestellt:
Zwei elektrische Theilchen, welche in zwei Punkten concentrirt in Ruhe sich befinden, üben auf einander eine Kraft aus, deren Richtung in die Verbindungslinie der beiden Punkte fällt. Die Grösse der Kraft ist proportional dem Producte der beiden Elektricitätsmengen und umgekehrt proportional dem Quadrat ihrer Entfernung. Sie ist Abstossung, wenn die beiden elektrischen Theilchen gleichartig, sie ist Anziehung, wenn die Theilchen ungleichartig sind.
Sind also und zwei Zahlen, die nach Zahlwerth und Vorzeichen die Elektricitätsmenge des einen und des anderen elektrischen Theilchens angeben, und ist die Entfernung der beiden Theilchen, so ist
(1) |
die Kraft, welche sie in der Richtung der Verbindungslinie auf einander ausüben. Diese Kraft ist Abstossung oder Anziehung, je nachdem sie positiv oder negativ ist. Die Einheit der Elektricitätsmenge ist dabei so gewählt, dass ist, wenn und ist.
Die Aufgabe der Elektrostatik lässt sich so aussprechen:
Es ist eine Anzahl Isolatoren gegeben und in jedem von ihnen die Vertheilung der Elektricität bekannt. Ausserdem hat man Leiter, denen der Reihe nach die Elektricitätsmengen mitgetheilt sind. Es fragt sich, wie im Gleichgewichtszustande die Elektricität sich in jedem Leiter und an seiner Oberfläche vertheilt hat.
Wir bezeichnen mit die Potentialfunction der gesammten Elektricität. Der Ausdruck für ist leicht herzustellen. Wir nehmen im Punkte die positive Einheit der Elektricität an und bezeichnen mit die Elektricitätsmenge im Punkte . Mit werde der Abstand beider Punkte bezeichnet. Dann ist nach der Definition der Potentialfunction
(1) |
wenn die Summirung über alle elektrisch geladenen Punkte
erstreckt wird. Bei stetiger Vertheilung der Elektricität geht die
Summe in ein Integral über und man hat
(2) |
Im Innern eines Leiters kann die Elektricität sich völlig frei bewegen.
Es kann daher in einem Punkte im Innern eines
Leiters nicht anders Gleichgewicht stattfinden, als wenn die Componenten
der bewegenden Kraft in diesem Punkte gleich Null sind.
Also haben wir für jeden Punkt im Innern eines Leiters:
(3) |
Daraus folgt unmittelbar, dass im Innern jedes Leiters
(4) |
und
(5) |
ist. Nun lässt sich aber der Ausdruck (2), den wir hier für gefunden haben, vergleichen mit dem Ausdruck des §. 18, welcher die Potentialfunction einer anziehenden ponderablen Masse gibt.
Dort ist das Element der ponderablen Masse, hier das
Element der elektrischen Ladung. Wenn man das eine durch das
andere ersetzt, so ist hier dasselbe wie dort . Der Grund
ist leicht einzusehen. Dort findet Anziehung statt, wenn positiv,
hier Abstossung, wenn positiv ist. Demnach gilt die Gleichung (2)
des §. 18 auch hier, nur muss man, was dort war, ersetzen durch
. Also gilt überall da, wo man die Elektricität über einen
Raum von drei Dimensionen vertheilt findet, die folgende partielle
Differentialgleichung
(6) |
Hier bedeutet die elektrische Dichtigkeit im Punkte ,
oder mit anderen Worten: es ist in einem Raumelemente ,
welches an den Punkt anstösst, die Elektricitätsmenge
enthalten.
Dies gilt auch für den Fall, dass der Punkt im Innern eines Leiters liegt.
Aus der Vergleichung von (5) und (6) ergibt sich demnach, dass im Gleichgewichtszustande die Dichtigkeit im Innern jedes Leiters überall gleich Null ist. Die elektrischen Ladungen der Leiter sind also mit endlicher Dichtigkeit über ihre Oberflächen ausgebreitet. Um die Dichtigkeit in einem Punkte der Oberfläche zu finden, bemerken wir, dass auch der Satz (3) des §. 18 hier gültig ist mit der Modification, dass hier zu schreiben ist, wo dort steht. Bezeichnen wir also mit eine Strecke, die vom Punkte aus auf der Normale der Oberfläche gezählt wird, negativ nach dem Innern des Leiters zu, positiv nach aussen, so ergibt sich
(7) |
Nun ist aber im Innern des Leiters und (wegen der Stetigkeit)
auch in der Oberfläche Folglich haben wir
und die Gleichung (7) geht über in
(8) |
Es fragt sich jetzt, wie gross die Elektricitätsmenge ist, welche
sich auf der Oberfläche irgend eines Leiters angesammelt hat.
Zunächst das Quantum , welches ihm ursprünglich mitgetheilt
worden. Dazu kommen noch die positiven und die negativen Elektricitätsmengen,
welche unter der Einwirkung aller überhaupt vorhandenen
Ladungen aus dem neutralen Gemisch des betrachteten
Leiters ausgeschieden sind. Das Quantum der durch Scheidung
hervorgerufenen positiven Elektricität ist aber ebenso gross wie
das der negativen. Demnach ist die algebraische Summe aller
auf der Oberfläche eines Leiters vorhandenen Elektricität gleich
der Elektricitätsmenge , welche ihm ursprünglich mitgetheilt worden.
Es sei ein Oberflächen-Element des ersten Leiters. Wir errichten in einem Punkte dieses Elementes die Normale, auf welcher von ihrem Fusspunkte aus die Strecke negativ nach innen, positiv nach aussen gezählt wird, und bilden das Product
Dasselbe gibt, wie man aus Gleichung (8) ersieht, die Elektricitätsmenge an, welche über das Oberflächen-Element ausgebreitet
ist. Führt man also eine Integration über die ganze Oberfläche
des ersten Leiters aus, so erhält man die gesammte Elektricitätsmenge,
welche auf dieser Oberfläche sich befindet. In derselben
Weise hat man rücksichtlich aller übrigen Leiter zu verfahren und
gelangt so zu den Gleichungen:
(9) |
|
Die Integrationen sind der Reihe nach über die Oberfläche
jedes einzelnen Leiters zu erstrecken.
Wir wollen mit die constanten Werthe bezeichnen,
welche nach eingetretenem Gleichgewichtszustande die
Potentialfunction im Innern und auf der Oberfläche der einzelnen Leiter besitzt. Die Grössen stehen mit den
Grössen in einem Zusammenhange, der jetzt näher
untersucht werden soll. Zu dem Ende ist es zweckmässig, die
Potentialfunction in folgender Weise in einzelne Bestandtheile zu zerlegen.
Es sei eine Function von die im ganzen unendlichen Raume der Gleichung von Laplace Genüge leistet:
(1) |
die in der Oberfläche und im Innern des ten Leiters den Werth 1,
in der Oberfläche und im Innern aller übrigen Leiter den Werth 0
besitzt. Wir nehmen der Reihe nach und
stellen so die Functionen her. Dann ist die Differenz
eine Function, die in der Oberfläche und im Innern sämmtlicher Leiter den Werth Null hat, die überall ausserhalb der Isolatoren
der Gleichung von Laplace genügt und für einen Punkt im
Innern eines Isolators in derselben Weise wie die Potentialfunction
die Dichtigkeit der Elektricität kundgibt. Wir haben dann also
(2) |
und hieraus
Nehmen wir nun das Integral
ausgedehnt über die Oberfläche des ten Leiters, und setzen zur
Abkürzung
(3) |
(4) |
so gehen die Gleichungen (9) des vorigen Paragraphen in folgende über:
(5) |
Die physikalische Bedeutung dieser Gleichungen ist leicht zu erkennen. Wird ein Leiter durch einen unendlich dünnen Draht mit der Erde in leitende Verbindung gesetzt, so ist in seiner
Oberfläche und in seinem Innern die Potentialfunction gleich Null,
weil sie in der Erde (in unendlicher Entfernung) den Werth Null
hat. Nehmen wir also den Fall, dass in den Isolatoren keine
Elektricität vorhanden und dass alle Leiter, mit Ausnahme des
ten, mit der Erde in leitende Verbindung gesetzt sind, so reducirt
sich die Potentialfunction auf
und die auf den einzelnen Leitern vorhandenen Elektricitätsmengen
sind resp.
Ebenso findet sich, dass
die Elektricitätsmengen auf den einzelnen Leitern sein würden, wenn alle ableitend berührt sind und nur die Ladungen der Isolatoren wirken.
Es lässt sich beweisen, dass ist. Nehmen wir nemlich das Integral
ausgedehnt über sämmtliche Leiter-Oberflächen, so ist der Werth desselben nach dem Satze von Green gleich Null. Das Integral
reducirt sich aber wegen der Eigenschaften der Functionen auf die Differenz
wobei das erste Integral nur über die Oberfläche des ten, das
zweite nur über die Oberfläche des ten Leiters zu erstrecken ist. Demnach haben wir
oder
d. h. nach Gleichung (3):
(6) |
Lösen wir die Gleichungen (5) in Beziehung auf als Unbekannte auf, so ergibt sich
(7) |
Die Coefficienten genügen in Folge der Gleichung (6) den
Bedingungen, dass
(8) |
Sind die Leiter beweglich, so ändern sie in Folge der elektrischen Anziehung und Abstossung ihre Lage. Für jede neue Lage der Leiter ist aber auch die Gleichgewichtslage der elektri-
schen Theilchen eine andere. Mit der Bewegung der Leiter ist also eine fortwährende Aenderung in der Vertheilung der Elektricität auf den Leiter-Oberflächen verbunden. Diese geht aber so rasch vor sich, dass man in jedem einzelnen Augenblicke der Bewegung der ponderabeln Leiter das Gleichgewicht der Elektricität als hergestellt ansehen kann.
Die elektrischen Theilchen und , die wir in zwei um die Strecke von einander entfernten Punkten concentrirt denken, üben auf einander eine abstossende Kraft
Das Potential dieser beiden Theilchen ist also
und das Gesammtpotential der elektrischen Massen ist
(1) |
wobei die Summirung sich auf alle Combinationen von je zwei elektrischen Theilchen bezieht. Die Formel (1) setzt voraus, dass die Elektricitäten in einzelnen discreten Punkten concentrirt sind. Bei einer stetigen Vertheilung über die Oberflächen der Leiter und über den Raum der Nichtleiter tritt eine Integration an die Stelle der Summirung. Wir bezeichnen mit die Elektricitätsmenge, welche in einem Raum-, resp. in einem Flächen-Elemente sich befindet. Dann ist
(2) |
und die Integration ist nun auszudehnen über alle Combinationen von je zwei elektrischen Theilchen und . Dafür lässt sich auch schreiben
(3) |
wobei jede der beiden Integrationen über alle elektrischen Theilchen zu erstrecken ist. Bei dieser Art, die Integration auszuführen, kommt jede Combination von zwei Theilchen doppelt vor. Da sie aber nur einmal genommen werden soll, so ist der Factor
vorangesetzt. Dies ist das Potential der gesammten Elektricität auf sich selbst.
Nun haben wir aber
als Ausdruck für die Potentialfunction im Punkte gefunden,
d. h. für das Potential aller elektrischen Massen auf die
in diesem Punkte concentrirt gedachte positive elektrische Einheit.
Wir können also auch schreiben
(4) |
In dem Falle, dass die Isolatoren keine elektrische Ladung enthalten,
ist die Integration nur über die Oberflächen der Leiter zu
erstrecken. In jeder Leiter-Oberfläche ist aber constant, und
zwar der Reihe nach gleich . Also wird jetzt
oder, mit Rücksicht auf die Gleichungen (8) und (9) des §. 45:
(5) |
Um die Bewegung der Leiter zu bestimmen, hat man als
Function von den Ortscoordinaten der Leiter auszudrücken. Die
Grössen sind dabei constant, es sind die den Leitern
ursprünglich mitgetheilten Elektricitätsmengen. Die Grössen
sind in den Gleichungen (7) des vorigen Paragraphen
ausgedrückt, wenn man darin für den hier vorliegenden Fall die
Grössen gleich Null setzt. Danach sind die Grössen homogene lineare Functionen von und nur die auftretenden Coefficienten sind von den Ortscoordinaten
der Leiter abhängig. Wir erhalten
(6) |
Wir bezeichnen wieder mit die lebendige Kraft des Leitersystems.
Die Bewegung der Leiter geht dann so vor sich, dass
(7) |
Wie aus dieser Bedingung die Differentialgleichungen der Bewegung
abzuleiten, ist in den §§. 36 bis 42 auseinandergesetzt.
Wir wenden uns zu der Behandlung einer speciellen Aufgabe.
Es seien als Leiter zwei Kugeln gegeben, deren Radien und sind und deren Mittelpunkte die Entfernung haben, die grösser als vorausgesetzt wird. In den Isolatoren soll keine Elektricität
vorhanden sein. Jedem der beiden Leiter ist eine gewisse
Elektricitätsmenge mitgetheilt, und nach Eintritt des Gleichgewichtszustandes
hat die Potentialfunction im Innern und auf der Oberfläche der beiden Kugeln je einen constanten Werth. Wir bezeichnen
denselben mit für die erste Kugel, mit für die zweite Kugel.
Die Aufgabe besteht darin, die Potentialfunction , von den Werthen und in den Kugeloberflächen ausgehend, so in den äusseren Raum fortzusetzen, dass sie überall endlich und stetig verläuft, dass sie in unendlicher Entfernung gleich Null wird wie der reciproke Werth des Abstandes von dem Anfangspunkte der Coordinaten, und dass sie überall der partiellen Differentialgleichung genügt:
(1) |
Die Derivirten von sind dann ebenfalls überall endlich und
ändern sich stetig, ausser beim Durchgange durch die eine oder
die andere Kugeloberfläche.
Diese Aufgabe lässt sich nach der Methode von Green behandeln. Die Hülfsfunction ist dann eine Potentialfunction, die von der im Punkte des äusseren Raumes concentrirt gedachten negativen elektrischen Einheit*)[1] herrührt unter der Vor- aussetzung, dass die Kugeln durch unendlich dünne Drähte mit der Erde in leitende Verbindung gesetzt sind.
Wir wollen diesen Weg nicht einschlagen, sondern die Function direct bestimmen. Da es nur noch darauf ankommt, dieselbe für alle Punkte des äusseren Raumes herzustellen, so ist es gleichgültig, wie wir sie durch die Kugeloberflächen hindurch in das Innere fortsetzen. Wir müssen nur nachher bei dem Gebrauche der Function die zu Hülfe genommenen Fortsetzungen fallen lassen und im Innern der Kugeln die wahren Werthe und resp. wieder aufnehmen.
Nun liegt aber eine Schwierigkeit der Aufgabe darin, dass die Derivirten der für den ganzen Raum richtig bestimmten Potentialfunction beim Durchgange durch die Kugeloberflächen unstetig sind. Wir wollen deshalb die für den äusseren Raum richtig bestimmte Function nach einer noch näher festzustellenden Vorschrift so ins Innere der Kugeln fortsetzen, dass sie selbst und ihre Derivirten beim Durchgang durch die Kugeloberflächen sich stetig ändern. Oder mit anderen Worten: wir betrachten eine andere Function , die im äusseren Raume mit der gesuchten Potentialfunction übereinstimmt, im Innern der Kugeln aber nicht. Vielmehr soll sie mit ihren sämmtlichen Derivirten beim Durchgange durch die Kugeloberflächen sich stetig ändern, und es soll der Functionswerth für einen Punkt im Innern der einen oder der anderen Kugel nach einem noch vorzuschreibenden Gesetze mit dem Functionswerthe in einem entsprechenden Punkte ausserhalb der Kugel im Zusammenhange stehen.
Wir verbinden einen Punkt , der ausserhalb der ersten Kugel liegt, mit dem Mittelpunkte dieser Kugel und bezeichnen den Abstand mit . Alsdann suchen wir auf der Verbindungslinie den Punkt, dessen Entfernung von dem ersten Kugelmittelpunkte der Bedingung genügt:
(2) |
Dieser Punkt, der im Innern der ersten Kugel liegt, soll das Bild
des betrachteten äusseren Punktes genannt werden. Ebenso verbinden wir einen Punkt , der ausserhalb der zweiten Kugel liegt, mit dem Mittelpunkte derselben und bezeichnen den Abstand mit . Auf der Verbindungslinie suchen wir dann den Punkt, dessen Entfernung vom zweiten Kugelmittelpunkte an die Bedingung geknüpft ist:
(3) |
Diesen Punkt, der im Innern der zweiten Kugel liegt, nennen wir das Bild des äusseren Punktes.
Denken wir uns nun, die gesuchte Function sei für jeden Punkt des äusseren Raumes bereits hergestellt. Wir setzen sie ins Innere der ersten Kugel so fort, dass
(4) |
ist, und in das Innere der zweiten Kugel so, dass
(5) |
Die Indices und in der Gleichung (4) sollen andeuten, dass es sich um die Werthe der Function in den Abständen und vom ersten Kugelmittelpunkte handelt. Stillschweigend ist dabei vorausgesetzt, dass diese Abstände auf demselben Radius vector gezählt werden und dass sie die Gleichung (2) erfüllen. In entsprechender Weise hat man die Indices in der Gleichung (5) zu verstehen.
Durch die Gleichung (4) kann man sich die zweite Kugel innerhalb der ersten abbilden und hierauf durch die Gleichung (5) von diesem Bilde wieder das Bild innerhalb der zweiten Kugel herstellen. Fährt man auf diese Weise fort, indem man abwechselnd die Gleichungen (4) und (5) in Anwendung bringt, so ergeben sich Bilder, die wir der Reihe nach das erste, zweite und dritte Bild u. s. f. der zweiten Kugel nennen wollen. Es lässt sich leicht beweisen, dass alle Bilder kugelförmig sind, dass jedes folgende kleiner ist als das vorhergehende, und dass von den Bildern innerhalb derselben Kugel jedes folgende ganz innerhalb des vorhergehenden liegt. Wenn man also die Anwendung der Gleichungen (4) und (5) unaufhörlich wiederholt, so gelangt man in beiden Kugeln zu Bildern, deren Rauminhalt kleiner ist als jede angebbare Zahl.
Durch die Gleichung (4) wird die Function in das Innere
der ersten Kugel fortgesetzt, und zwar zunächst so, dass nur das
erste Bild der zweiten Kugel als der Raum übrig bleibt, innerhalb
dessen die Function noch nicht bekannt ist. Wendet man dann
die Gleichung (5) an, so bleibt innerhalb der zweiten Kugel nur
ihr zweites Bild als das Gebiet übrig, für welches man die Function
noch nicht kennt. Bringt man so fortfahrend die Gleichungen (4)
und (5) abwechselnd in Anwendung, so kann man in beiden Kugeln
das Gebiet, innerhalb dessen die Function unbekannt bleibt, beliebig
klein machen und kleiner als irgend eine angebbare Zahl.
Es fragt sich nun, wo wird. Da die Function im ganzen äusseren Raume endlich ist, so kann ein Unendlichwerden nur im Innern der Kugeln eintreten. Und zwar sieht man zunächst aus Gleichung (4), dass wird für , und aus Gleichung (5), dass für . Denn für ist und endlich, und für ist und endlich. Folglich ergibt sich
Hieraus erkennt man , dass die Function unendlich wird in
beiden Kugelmittelpunkten. Nach Vorschrift der Gleichungen (4)
und (5) wird sie dann aber ebenfalls unendlich in den sämmtlichen
Bildpunkten sowohl des einen wie des anderen Kugelcentrums.
Diese Bildpunkte liegen innerhalb der Kugeln zwischen
beiden Mittelpunkten auf der Centrallinie, und ihre Anzahl ist für
jede der beiden Kugeln unendlich gross. Die Function kann
also aufgefasst werden als Potentialfunction, herrührend von elektrischen
Ladungen, die in den Kugelmittelpunkten und deren unendlich vielen Bildpunkten concentrirt sind.
Wir wollen die Punkte, in welchen die Function unendlich wird, in vier Gruppen abtheilen, nemlich
erstens: den Mittelpunkt der ersten Kugel und seine Bilder im Innern der ersten Kugel;
zweitens: die Bilder des ersten Kugelmittelpunktes im Innern der zweiten Kugel;
drittens: den Mittelpunkt der zweiten Kugel und seine Bilder im Innern der zweiten Kugel;
viertens: die Bilder des zweiten Kugelmittelpunktes im Innern der ersten Kugel.
Wir legen den Anfangspunkt eines rechtwinkligen Coordinatensystems in den Mittelpunkt der ersten Kugel und die Axe der positiven in die Centrallinie. Für sämmtliche Unstetigkeitspunkte ist dann und . Ihre erste Coordinate soll der Reihe nach bezeichnet werden für die erste Gruppe mit , für die zweite Gruppe mit , für die dritte Gruppe mit , und für die vierte Gruppe mit Die Elektricitätsmenge, welche wir in irgend einem der Unstetigkeitspunkte anzunehmen haben, möge mit dem Buchstaben bezeichnet werden, dem wir dieselben Indices beifügen, wie der -Coordinate des zugehörigen Punktes.
Nach §. 45, Gleichung (1) ist dann zu setzen:
(6) |
(7) |
|
Die nächste Aufgabe besteht darin, für jeden Unstetigkeitspunkt
die beiden constanten Grössen zu bestimmen, welche seine Lage
und die in ihm concentrirt gedachte Elektricitätsmenge angeben.
Diese Aufgabe soll in den beiden nächsten Paragraphen behandelt
werden. Vorläufig beschränken wir uns auf eine Bemerkung, die
nicht unwichtig ist. Aus der Art, wie die Function in den
Kugelmittelpunkten unstetig wird, und aus dem Abbildungsgesetz
[Gleichungen (4) und (5)] geht nemlich hervor, dass sämmtliche
Elektricitätsmengen der ersten und der zweiten Gruppe proportional
der Grösse , und dass sämmtliche Elektricitätsmengen der dritten
und der vierten Gruppe proportional der Grösse sind. Es werden
also in den Entwicklungen von und sämmtliche Glieder
mit dem Factor , und in den Entwicklungen von und sämmtliche Glieder mit dem Factor behaftet sein.
Wir wollen zunächst den Punkt auf der Centrallinie
zwischen beiden Kugeln nehmen. Es ist also , , und wir haben
(1) |
|
Hier hat man besonders die Nenner zu beachten. Sie sind
dadurch entstanden, dass man in den Gleichungen (7) des vorigen
Paragraphen setzt und die Quadratwurzeln auszieht.
Aber es sind, dem Wesen der Potentialfunction entsprechend, immer
die positiven Wurzeln zu nehmen. Will man also für eine der
in (1) ausgedrückten Functionen die Variable über das vorgeschriebene
Gebiet hinausgehen lassen, so hat man die Vorsicht zu
beobachten, dass jedesmal nach Ueberschreitung eines Unstetigkeitspunktes
derjenige Nenner, welcher in diesem Punkte Null
wird, wieder positiv gemacht, d. h. mit -1 multiplicirt werden
muss. Lässt man dagegen die Variable nur auf solche Gebiete
übergehen, die keinen Unstetigkeitspunkt der betreffenden Function
enthalten, so bleibt der in (1) gegebene Ausdruck ohne weiteres
gültig. Es darf also die Variable in und in auch grösser
als , in und in auch kleiner als gemacht werden, ohne
dass die Ausdrücke (1) ihre Gültigkeit verlieren.
Wir schreiben zur Abkürzung:
(2) |
(3) |
Für einen Punkt auf der Centrallinie zwischen den beiden Kugeln
gilt die Gleichung
(4) |
in welcher und beide positiv und nicht kleiner als 1 sind.
Die Function kann in doppelter Weise aufgefasst werden,
je nachdem man oder als unabhängige Variable ansieht. Wir setzen also
(5) |
Die Gleichungen (4) und (5) des vorigen Paragraphen lauten jetzt:
(6) |
(7) |
Aus (5), (6) und (7) folgt
(8) |
Um dieser Functionalgleichung in bequemer Weise genügen zu
können, zerlegen wir jede der beiden Functionen und in zwei Bestandtheile
(9) |
(10) |
und setzen fest, dass
sein soll. Der Gleichung (8) ist Genüge geleistet, wenn
(11) |
(12) |
gesetzt wird. Da eine Potentialfunction ist, so findet man leicht die Form der Entwicklung im allgemeinen, nemlich
(13) |
und es kommt nur noch darauf an, die Coefficienten und zu
bestimmen. Nach der über getroffenen Bestimmung ist
(14) |
Aus den Gleichungen (13) und (14) leiten wir ab:
Wir disponiren nun über die Coefficienten so, dass das te
Glied in der Entwicklung von gleich dem ten
Gliede in der Entwicklung von ist. Dann erhält man
(15) |
Damit dies zu Stande komme, hat man
(16) |
zu setzen. In den Bedingungsgleichungen (16) kommt nicht
explicite vor. Wir schreiben deshalb
Dadurch gehen die Gleichungen (16) über in
(17) |
und wenn man und eliminirt, so ergibt sich zur Bestimmung von die quadratische Gleichung
(18) |
Wir bezeichnen die Wurzeln mit und , und bemerken, dass
ist. Da nun vorausgesetzt ist, so zeigt sich, dass
positiv ist, und da beide Wurzeln einerlei Vorzeichen haben (ihr
Product ist ), so muss und sein.
Aus der zweiten der Gleichungen (17) findet sich
Je nachdem wir die Wurzel oder nehmen, erhalten wir particuläre Lösungen für und . Daraus setzt sich die allgemeine Lösung zusammen, nemlich
(19) |
Es bleiben jetzt nur noch die beiden Constanten und zu bestimmen. Zu dem Ende bemerken wir, dass aus (15) und (11)
hervorgehen würde
Dieser Gleichung lässt sich nicht ohne weiteres genügen. Wir
können aber die Function wieder zerlegen:
(20) |
und setzen dann, sofern als unabhängige Variable eingeführt wird,
Die Gleichung (11) kann in der Weise befriedigt werden, dass wir
setzen
(21) |
(22) |
Nimmt man nun zunächst für die Entwicklung (13)
vor, so ergibt sich aus den Gleichungen (15) und (21):
d.h. |
Aus (19) haben wir aber
Folglich müssen wir hier setzen:
Wird dies in die Gleichungen (19) und von da in (13) eingeführt,
so erhält man speciell für die Entwicklung
(23) |
In entsprechender Weise findet man aus (15) und (22) die
Bedingung
also muss jetzt für die Entwicklung von gesetzt werden
Daraus lassen sich und bestimmen, und wenn man ihre Werthe in (19) und von da in (13) einführt, so hat man speciell die Entwicklung von .
Man gelangt dazu einfacher auf dem folgenden Wege. Wir setzen
(24) |
folglich nach Gleichung (21)
(25) |
und wollen beweisen, dass hierdurch die Gleichung (22) befriedigt
wird. Es ist nemlich
und hieraus ergibt sich durch Subtraction
d. h. die Bedingungsgleichung (22). Vermöge der Gleichungen (23) und (25) erhält man
oder kürzer:
(26) |
Setzt man die Entwicklungen (23) und (26) in die Gleichung (20)
ein, so ist nun die Function vollständig bestimmt.
Die Function , welche an die Gleichung (12) gebunden ist, zerlegen wir in zwei Bestandtheile
(27) |
und setzen, sofern als unabhängige Variable eingeführt wird:
Dann lässt sich die Gleichung (12) in die beiden einfacheren zerlegen :
(28) |
(29) |
Vergleicht man nun (28) mit (21) und (29) mit (22), so erkennt
man, dass aus und aus hervorgeht, indem man die erste Kugel mit der zweiten vertauscht, also mit , mit , mit . Sobald die Ausdrücke für und für gefunden sind, ist nur für an die Stelle zu setzen
Dann hat man die Functionen und . Die durchgeführte Rechnung gibt nach leichter Reduction:
(30) |
(31) |
Für einen Punkt auf der Centrallinie zwischen beiden Kugeln ist hiernach die Potentialfunction
(32) |
Es handelt sich noch darum, die Convergenz der Reihen (23),
(26), (30), (31) zu untersuchen. In jeder dieser Reihen ist das
allgemeine Glied von der Form
und es bedeutet in einer und derselben Entwicklung
in allen Gliedern dasselbe, ebenso . Dividirt man nun ein Glied durch
das vorhergehende, so lautet der Quotient:
Bei Gleichung (18) ist aber bemerkt worden, dass ist und dass beide Wurzeln positiv sind. Wir nehmen ,
folglich , und können den eben gewonnenen Quotienten so
schreiben
Der Grenzwerth für ist . Folglich convergiren die Reihen unter allen Umständen.
Wir betrachten zunächst die Function , welche durch
die Reihe (23) des vorigen Paragraphen ausgedrückt ist. Der
Nenner des allgemeinen Gliedes lässt sich leicht in die Form bringen
oder kürzer
(1) |
Hier sieht man ohne weiteres, dass ist, denn wir haben genommen. Bilden wir nun das Product , so findet sich:
Nach der Gleichung (18) des vorigen Paragraphen ist aber und . Setzt man dies in die letzte Gleichung ein, so zeigt sich:
(2) |
Beide Grössen und sind positiv und , folglich muss und sein. Der Ausdruck (1) kann nun so geschrieben werden
(3) |
Nehmen wir , so ist
jedenfalls positiv und unter keinen Umständen Null. Ferner ist
und
folglich
oder, was dasselbe ist:
Es kann also für der Nenner des allgemeinen Gliedes in nicht Null und deshalb nicht unendlich werden. Dasselbe lässt sich von beweisen. In entsprechender Weise
findet man, dass und nicht unendlich werden können für . Für hat man aber und für ist . Man darf also das Gültigkeitsgebiet der Ausdrücke für und einerseits und für und andererseits erweitern. Für jene darf der Punkt , der anfänglich zwischen beiden Kugeln lag, durch die zweite Kugel hindurch beliebig weit auf der Axe der positiven fortrücken, ohne dass die Ausdrücke (23) und (31) des vorigen Paragraphen irgendwo unendlich werden. Für diese darf der Punkt aus seinem anfänglichen Gebiete durch die erste Kugel hindurch in der Richtung der negativen beliebig weit verschoben werden, ohne dass die Ausdrücke (26) und (30) des vorigen Paragraphen irgendwo unendlich grosse Werthe geben. Da nun aber die vier Functionen nur innerhalb der einen oder der anderen Kugel unendlich werden können, so liegen die Unstetigkeitspunkte von und von innerhalb der ersten Kugel und die Unstetigkeitspunkte von und von innerhalb der zweiten Kugel. Beachtet man noch, dass die Ausdrücke für und mit dem Factor , die Ausdrücke für und mit dem Factor behaftet sind, und erinnert sich der Bemerkung am Schlusse des §. 48, so findet sich, dass für einen Punkt auf der Centrallinie zwischen beiden Kugeln
(4) |
(5) |
(6) |
(7) |
Die Gleichungen (4) und (7) gelten auch noch für , und die Gleichungen (5) und (6) für . Danach hat man ein Mittel, die Constanten zu bestimmen, welche die Lage und die elektrische Ladung jedes Unstetigkeitspunktes angeben. Man hat nur in den Gleichungen (23), (26), (30), (31) des vorigen Paragraphen die Grösse zu ersetzen durch und hierauf die Nenner mit denen der entsprechenden Ausdrücke in den Gleichungen (1) des vorigen Paragraphen in Uebereinstimmung zu bringen. Dann lassen die Werthe von und sich ohne weiteres ablesen. Man erhält
(8) |
(9) |
(10) |
(11) |
Diese Werthe der Constanten hat man in die Ausdrücke (7) des §. 48 einzusetzen. Dann sind die Functionen für jede beliebige Lage des Punktes völlig bestimmt.
Uebrigens ist zu bemerken, dass die Lösung der Aufgabe sich durch Superposition aus vier speciellen Lösungen zusammensetzt. Es sind nemlich und die Potentialfunctionen, welche herrühren von den elektrischen Ladungen der Unstetigkeitspunkte resp. der ersten und zweiten Gruppe unter der Voraussetzung, dass von Null verschieden, und . Und es sind und die Potentialfunctionen, welche herrühren von den elektrischen Ladungen der Unstetigkeitspunkte resp. der dritten und vierten Gruppe, wenn und von Null verschieden.
Wir wollen noch den Satz zur Anwendung bringen, welcher in der Gleichung (6) des §. 18 ausgesprochen ist. Dabei ist nur zu beachten, dass hier dieselbe Rolle spielt wie dort . Wir setzen
und finden nach dem eben citirten Satze:
(12) |
|
Man kann die Elektricitätsmengen auch auf einem anderen Wege berechnen, indem man den Satz (5) des §. 12 anwendet und die Bemerkung macht, dass die Gleichung (9) desselben Paragraphen hier zutrifft, dass aber hier statt gesetzt werden muss. Bezeichnet man also mit und ein Oberflächenelement der ersten und resp. der zweiten Kugel und mit die nach innen gezogene Normale, so findet sich
(13) |
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Dagegen ist
(14) |
wie ebenfalls aus dem Satze (5) des §. 12 hervorgeht.
Es ist leicht zu beweisen, dass die Reihen auf der rechten Seite der Gleichungen (12) convergent sind.
Die Vertheilung von Elektricitätsmengen über die Unstetigkeitspunkte innerhalb der beiden Kugeln ist nur eine Fiction, mit der wir nichts anderes bezweckt haben, als die Function herzustellen, die im Raume ausserhalb der Kugeln mit der gesuchten Function übereinstimmt. Diese Function rührt her von der beim Gleichgewicht wirklich eingetretenen Elektricitätsvertheilung auf den beiden Kugeloberflächen. Wie nun in vier Bestandtheile zerlegt ist, so kann man auch
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setzen und die Bestimmung treffen, dass im Raume ausserhalb der Kugeln und auf ihren Oberflächen
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sein soll. In das Innere der Kugeln haben wir jede der Functionen von der Oberfläche aus stetig so fortzusetzen, dass überall die partielle Differentialgleichung von Laplace erfüllt ist. Man kann noch bemerken, dass ist im Innern der ersten Kugel, und im Innern der zweiten Kugel, und ferner, dass ist im Innern der zweiten und im Innern der ersten Kugel.
Wir wollen die Aufgabe so zerlegen, dass zuerst verschieden von Null und genommen wird, und nachher umgekehrt und verschieden von Null. Zuerst also . Dann ist . Es fragt sich, wie gross in einem Punkte der ersten oder der zweiten Kugeloberfläche die Dichtigkeit der Elektricität ist, von welcher die Potentialfunction herrührt. Auf diese Frage gibt die Gleichung (8) des §. 45 Antwort. Bezeichnen wir mit und die gesammte Elektricitätsmenge auf der ersten und resp. zweiten Kugeloberfläche, so findet sich
(3) |
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Hier kommen die Derivirten in unendlich kleiner Entfernung von der Oberfläche, aber ausserhalb, in Betracht. Für sie ist
und |
Die Functionen und haben die Eigenschaft, dass sie selbst und ihre Derivirten beim Durchgang durch die Oberfläche der Kugeln sich stetig ändern. D. h. es ist
und |
Gibt man nun noch Acht auf die Gleichungen (13) und (14) des vorigen Paragraphen, so erhält man (weil für ):
(5) |
(6) |
Es sei ferner , verschieden von Null, also . Wir bezeichnen jetzt mit und die Elektricitätsmenge auf der zweiten und resp. der ersten Kugeloberfläche, von welcher die Potentialfunction herrührt. Zu ihrer Berechnung ist derselbe Weg einzuschlagen, wie vorher zur Berechnung von und . Es findet sich
(7) |
(8) |
Dieselben Elektricitätsmengen, welche vorher bei der fingirten Vertheilung in den Unstetigkeitspunkten irgend einer Gruppe concentrirt waren, sind also jetzt in Wirklichkeit stetig über die Oberfläche der zugehörigen Kugel ausgebreitet.
Sollen die beiden Kugeln sich berühren, so ist und die Gleichung (18) des §. 49 lautet jetzt
(1) |
Folglich ist . Die Ausdrücke (8), (9), (10), (11) des
§. 50 nehmen die Form an. Ihre Werthe sind aber leicht zu ermitteln. Man erhält
(2) |
Hier entsteht nun die Schwierigkeit, dass die Reihen (7) des §. 48, sowie die Reihen (12) des §. 50, einzeln genommen, nicht mehr convergiren. Das Problem ist aber bei den in (2) ausgesprochenen Daten ein durchaus bestimmtes, man wird also auch eine einzige bestimmte Lösung zu verlangen haben. Diese Lösung ist vollständig hergestellt, wenn man für jeden Punkt des äusseren Raumes die Functionen und kennt, von denen die erste herrührt von der Elektricität auf der ersten, die andere von der Elektricität auf der zweiten Kugel. Aus diesen Functionen lässt sich dann nach § 45 (8) die Dichtigkeit der Elektricität in jedem Punkte der beiden Kugeloberflächen finden, und es lässt sich die gesammte Ladung für die erste Kugel und für die zweite Kugel berechnen.
Wir fangen mit dieser letzten Aufgabe an. Es ist, wie im vorigen Paragraphen nachgewiesen worden:
(3) |
(4) |
wenn man in (3) über die erste, in (4) über die zweite Kugeloberfläche integrirt. Die Integrale auf der rechten Seite geben aber, wie ebenfalls im vorigen Paragraphen auseinandergesetzt ist, die Summe der fingirten Ladungen in den Unstetigkeitspunkten im Innern der einen und der andern Kugel an. Also erhält man
(5) |
(6) |
Diese beiden letzten Gleichungen sind nun insofern noch unbestimmt, als jede der vier Reihen, einzeln genommen, divergirt. In Gleichung (5) besteht die erste Reihe aus lauter negativen, die zweite aus lauter positiven Gliedern, und umgekehrt ist es in Gleichung (6). Vereinigt man die Glieder auf der rechten Seite zu einer einzigen Reihe, so lässt sich je nach dem Gesetze, nach welchem positive und negative Glieder auf einander folgen, jede beliebige Zahl als Summe herstellen.*)[2] Nach der Natur des Problems muss aber in jeder der beiden Gleichungen eine einzige bestimmte Zahl als die richtige Summe zu Stande kommen, und es fragt sich also, welche Anordnung der Glieder die allein richtige ist.
Um darüber ins Klare zu kommen, gehen wir auf den Satz (6) des §. 18 zurück, wonach
(7) |
(8) |
für |
Es genügt, die Potentialfunctionen in (7) für solche Punkte der positiven Abscissenaxe herzustellen, deren Abscisse ist, und dann zu nehmen.
Statt aber die wahren Werthe der Potentialfunctionen in Rechnung zu bringen, wollen wir je einen zu grossen und einen zu kleinen nehmen. Wir gelangen dazu durch die Bemerkung, dass . Durchläuft man also die Centrallinie im Innern der ersten Kugel im Sinne der wachsenden , so gelangt man abwechselnd zu elektrischen Ladungen der ersten und der vierten Gruppe. Nun kann man sich jede Ladung der vierten Gruppe verschoben denken, das eine Mal in den nächstvorhergehenden, das andere Mal in den nächstfolgenden Unstetigkeitspunkt der ersten Gruppe. Dadurch, erhält man im ersten Falle im Punkte die Ladung , und dies gilt von an. Im andern Falle hat man im Punkte die Ladung , und im Punkte (mit anfangend), die Ladung . Durch die erste Verschiebung werden aber die Ladungen der vierten Gruppe von dem Punkte zu weit entfernt, im zweiten Falle werden sie ihm zu sehr genähert. Gibt man dabei Acht auf die Form der Potentialfunction und auf die Vorzeichen der Ladungen, so ergibt sich bei der abgeänderten Vertheilung im ersten Falle ein zu grosser Werth, im zweiten Falle ein zu kleiner Werth der Potentialfunction, verglichen mit dem wahren Werthe, der bei richtiger Vertheilung zu Stande kommen muss. Wir haben danach
(9) |
Die beiden unendlichen Reihen, welche in (9) vorkommen, sind (für und um so mehr für ) unter allen Umständen convergent, auch wenn man für die Constanten die Werthe aus den Gleichungen (2) einsetzt. Multiplicirt man nun mit und geht zu den Grenzwerthen über für , so ergibt sich
Hier kommen links und rechts in den Reihen dieselben Glieder in derselben Reihenfolge vor. Die doppelte Ungleichung geht also in eine Gleichung über, nemlich:
Danach erhalten wir aus Gleichung (7):
(10) |
In der Reihe auf der rechten Seite ist die Folge der Glieder keine willkürliche mehr, sondern genau vorgeschrieben. Die Reihe ist convergent. Man kann auch je zwei zusammengehörige Glieder vereinigen und erhält:
(11) |
Die unendliche Reihe lässt sich in ein bestimmtes Integral verwandeln. Es ist nemlich für ein positives :
Folglich können wir schreiben
|
Benutzt man dies für Gleichung (10), so erhält man schliesslich:
(12) |
In entsprechender Weise verfahren wir zur Berechnung von . Das Resultat lautet:
(13) |
Auch hier kann man die unendliche Reihe durch ein bestimmtes Integral summiren, nemlich:
(14) |
Nun lassen sich auch die richtigen Ausdrücke für die Potentialfunctionen und leicht herstellen. Zunächst hat man:
Die beiden Reihen, einzeln genommen, sind divergent. Die erste hat lauter positive, die zweite lauter negative Glieder. Vereinigt man die Glieder zu den Bestandteilen einer einzigen Reihe, so kann man je nach der Anordnung jede beliebige Summe zu Stande bringen. Nach der Natur der Aufgabe hat man aber für irgend einen gegebenen Punkt nur einen bestimmten Werth zu erwarten. Folglich kann auch nur eine einzige Anordnung der Glieder die richtige sein, und man sieht leicht, dass es diejenige ist, für welche die Gleichung (7) den richtigen Werth von liefert. Da dieser nun schon bekannt ist, so hat es keine Schwierigkeit, jene allein richtige Anordnung ausfindig zu machen. Man erhält:
(15) |
und in entsprechender Weise:
(16) |
Die Reihen in (15) und (16) sind convergent, wenn der Punkt nicht in einen Unstetigkeitspunkt der ersten, resp. der zweiten Kugel fällt.
Ueber die Integrale (12) und (14) ist noch eine Bemerkung zu machen. Die Integration lässt sich nemlich in geschlossener Form ausführen, wenn (und folglich auch ) ein rationaler Bruch ist. Es sei , so dass und ganze Zahlen, und zwar relative Primzahlen sind. Dann setze man in . Dadurch erhält man
(12*) |
Ebenso ergibt sich aus (14)
(14*) |
Die Integration geschieht dann nach bekannten Methoden durch Zerlegung in Partialbrüche.
Sind die Brüche und irrational, so kann man auf die Gleichungen (10) und (13) zurückgehen und zur Werthermittelung der unendlichen Reihen die Tafel zu Hülfe nehmen, welche Gauss der Abhandlung: Disquisitiones circa seriem infinitam*)[3] beigegeben hat. Gauss schreibt:
(17) |
für . Folglich ist
(10*) |
und
(13*) |
Das Resultat der theoretischen Entwicklung stimmt überein mit dem Ergebnis der experimentellen Untersuchung.
Wir kehren zurück zu der Voraussetzung, dass die Entfernung der Kugelmittelpunkte grösser ist als die Summe der Radien:
Wir setzen zur Abkürzung:
(1) |
(2) |
(3) |
(4) |
(5) |
und machen die Bemerkung, dass die gesammte Ladung der
ersten, die gesammte Ladung der zweiten Kugel ist. Mit Rücksicht auf die Gleichungen (8), (9), (10), (11) des §.50 und (5), (6), (7), (8) des §. 51 haben wir dann
(6) |
(7) |
Hieraus berechnet sich
(8) |
(9) |
Dabei ist zu beachten, dass und gegebene constante Grössen sind. und hängen ab von und den Wurzeln und der Gleichung (18) des §. 49. Diese Wurzeln sind aber selbst abhängig von . Da nun und constant sind und nur der Abstand der Kugelmittelpunkte sich ändern kann, so sieht man, dass und folglich auch und Functionen von sind.
Um die Bewegung der Kugeln zu untersuchen, hat man das Potential der gesammten Elektricitätsmenge auf sich selbst auszudrücken. Man erhält nach §.47, (4):
(10) |
wenn das Integral über die Oberfläche beider Kugeln erstreckt wird. Es ist aber auf der ersten, auf der zweiten Kugel. Ferner ergibt sich durch Integration über die erste Kugel:
und durch Integration über die zweite Kugel:
Folglich ist
und wenn man aus (8) und (9) die Werthe von und einführt:
(11) |
Aendert sich der Abstand der Kugelmittelpunkte um , so wird die dabei geleistete Arbeit ausgedrückt durch
Die Kugeln wirken also auf einander ebenso, als ob ihre Mittelpunkte sich mit der Kraft
abstiessen.*)[4]
- ↑ *) Ueber diese physikalische Bedeutung von vergleiche man die erste Anmerkung auf Seite 144. Der Umstand, dass Green dort die Einheit positiver Elektricität im Punkte concentrirt denkt, während hier gerade die entgegengesetzte Einheit verlangt wird, könnte auffällig erscheinen. Er ist aber leicht zu erklären. Bei elektrostatischen Kräften ist nemlich die Green'sche Potentialfunction gerade das Entgegengesetzte von dem, was hier als Potentialfunction definirt worden ist. Soll also eine und dieselbe Function (die Hülsfunction ) als eine Potentialfunction, herrührend von elektrostatischen Kräften, angesehen werden, so ist klar, dass man die fingirte Ladung mit entgegengesetzten Vorzeichen zu nehmen hat, je nachdem für die Potentialfunction die Definition von Green, oder die hier aufgestellte Definition in Anwendung kommen soll.
- ↑ *) Ueber diesen Satz vergleiche man: Riemann, partielle Differentialgleichungen. Bearbeitet von Hattendorff. § 20.
- ↑ *) Commentationes societatis regiae scientiarum Gottingensis recentiores. Vol. II. Gottingae 1813. — Gauss’ Werke. Bd. 3. Göttingen 1866.
- ↑ *) Die Aufgabe der §§. 48 bis 53 hat zuerst Poisson mathematisch behandelt in zwei Aufsätzen, welche unter den Mémoires de l'institut de France 1811 abgedruckt sind. Ferner sind zu citiren:
Plana. Sur la distribution de l'électricité à la surface de deux sphères. (Memorie dell' accademia di Torino. T. 7. 1845.)
Kirchhoff. Ueber die Vertheilung der Elektricität auf zwei leitenden Kugeln. (Borchardt, Journal Bd. 59. S. 89.)
Murphy, R. Elementary principles of the theorics of electricity, heat and molecular actions. Part I, Chapter V. Cambridge 1833.
Thomson, W. On the mutual attraction or repulsion between two electrified spherical conductors. (Philosophical Magazine. Series 5, Vol. IV.)
Man vergleiche auch die Lehrbücher:
Riess. Die Lehre von der Reibungs-Elektricität. Bd. 1. Berlin 1853.
Kötteritzsch. Lehrbuch der Elektrostatik. Leipzig 1872.
Die oben gegebene Entwicklung ist Riemann’s Eigenthum.
Die experimentellen Untersuchungen sind zuerst von Coulomb angestellt. (Mémoires de l'Académie de Paris 1785—1788.)