Schwarze Visionen
An eine imaginäre Geliebte
Du ruhst im Dunkel trauriger Askesen
In deinem weißen Tuch, ein Eremit,
Und deine Locken, die in Nacht verwesen,
Bedecken tief dein eingesunknes Lid.
Der toten Küsse schon in Trichtern ein.
Die ersten Würmer tanzen um das fahle
Vom Grubenwasser bleiche Schläfenbein.
Wie Ärzte stechen lang sie die Pinzette
Du jagst sie nicht von deinem Totenbette,
Du bist verflucht, zu leiden unbewegt.
Des schwarzen Himmels große Grabesglocke
Dreht trüb sich rund um deine Winterzeit.
Was unten in den Gräbern weint und schreit.
II.
Der großen Städte nächtliche Emporen
Stehn rings am Rand, wie gelbe Brände weit.
Und mit der Fackel scheucht aus ihren Toren
Mit leisen Klagen durch das Distelfeld.
Am Kreuzweg hocken sie zu hauf und irren
Den Heimatlosen gleich in schwarzer Welt.
Auf den der Wind sie warf. Doch ihre Stadt
Ist zu für sie. Und in dem leeren Raume
Treibt Sturm sie um den Baum, wie Vögel matt.
Wo ist die Totenstadt? Sie wollen schlafen.
Die Unterwelt, der stillen Städte Hafen,
Wo schwarze Segel ziehen, Boot an Boot.
Und schwarze Fahnen wehn die langen Gassen
Der ausgestorbnen Städte, die verstummt
Wo ewig eine stumpfe Glocke brummt.
Die schwarzen Brücken werfen ungeheuer
Die Abendschatten auf den dunklen Strom.
Und riesiger Lagunen rotes Feuer
Kanäle alle, die die Stadt durchschwimmen,
Sind von den Lilienwäldern sanft umsäumt.
Am Bug der Kähne, wo die Lampen glimmen,
Stehn groß die Schiffer, und der Abend träumt
Der tiefen Augen dunkler Edelstein
Umschließt des hohen Himmels blasse Firnen,
Wo weidet schon der Mond im grünen Schein.
Die Toten schaun aus ihrem Winterbaume
Und das Verlangen faßt sie nach dem Saume
Des roten Himmels und dem Abend weich.
Da stürzt sie Hermes, der die Nacht erschüttert
Mit starkem Flug, ein bläulicher Komet,
Da singend ihn der Toten Zug durchweht.
Sie nahn den Städten, da sie wohnen sollen,
Draus goldne Winde gehn im Abendflug.
Der Tore Amethyst im tiefen Stollen
Die Silberstädte, die im Monde glühen,
Umarmen sie mit ihres Sommers Pracht,
Wo schon im Ost wie große Rosen blühen
Die Morgenröten in die Mitternacht.
III.
Und flattern über dich wie Frühlingswind.
Wie Nachtigallen rühren sie das karge,
Wachsbleiche Haupt mit ihren Klagen lind.
So taumeln ihre Küsse dir zu Füßen,
Und ziehn wie Tauben sanft um deinen Tod.
Sie schwingen über dir die Fackelbrände,
Die furchtbar wecken auf die schwarze Nacht.
Tränen von Stein, die ich dir dargebracht.
Sie laden Düfte aus den Duft-Amphoren
Und überschütten dich mit Ambra ganz.
Dein schwarzes Haar steht auf, an Himmels Toren,
Sie werden große Pyramiden bauen,
Darauf sie türmen deinen schwarzen Schrein.
Dann wirst du in die wilde Sonne schauen,
Die in dein Blut stürzt wie ein dunkler Wein.
IV.
Stößt wie ein Aar zu deinen Häupten weit,
Und ihrer Purpurlippen Traum befeuchtet
Mit Tränentau dein weißes Totenkleid.
Dann nimmst dein Herz du aus den weißen Brüsten
Und deine stolze Flamme rührt die Küsten
Des Himmels an, die werfen deinen Ruhm
Die großen Schiffe schwimmen um dich her,
Wie Abendwolken sanft vom großen Meer.
Und was ich dir in meinen Träumen sage,
Das schrein die Priester aus mit Tuba–Ton.
Der Meere dunkle Buchten füllt die Klage
V.
Getrübt bescheint der Mond die stumme Fläche,
Wie ein Korund, der tief im Grunde glüht.
In deiner Locken dunkle Flammenbäche
Verliebt, verweilt er auf den Städten müd.
Und ziehn um dich in langer Prozession.
Von rosa Glase flattern in den Lüften
Die Schatten, die von innern Flammen lohn.
VI.
Du zogst voraus nach dem geheimen Reiche.
Und halte ewig deine Hand, die bleiche,
Die meiner Küsse blasse Lilie füllt.
Der Himmel Mauern und das tote Land,
Wo ehern ruht der Horizonte Wand.