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Schloß Scharfenberg bei Meißen

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Textdaten
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Autor: Herbert König
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Titel: Schloß Scharfenberg bei Meißen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 25–27
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Schloß Scharfenberg.
Nach der Natur aufgenommen von Herbert König.

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Schloß Scharfenberg bei Meißen.



Je öfter ich alte Schlösser und Denkmale der Vorzeit besuche, desto einleuchtender scheint es mir, wie es Pflicht jeder Regierung, jeder Behörde und Gemeinde wäre, dieselbe auf’s Sorgsamste zu erhalten, und ebenso sollten Künstler und Schriftsteller sich beeifern, die immer seltener werdenden und mehr und mehr zerfallenden wenigstens in Bild und Wort für die Zukunft zu bewahren. Leider geschieht dies viel zu wenig, ja man ist vielmehr bemüht, in angekränkelter Neuerungssucht, oder aus „Utilitätsprincipien“, jene Rudera einer grauen, altehrwürdigen Vorzeit mit aller Gewalt vom Erdboden zu vertilgen, oder sie zu profanen, ja entwürdigenden Zwecken zu verwerthen, in dem eiteln Wahne, der Neuzeit durch solchen Vandalismus besonders Rechnung zu tragen. Wer das Aeußerste dieser Art sehen will, dem kann nicht mehr die „Marienburg“ genügen, weil dort sich ein Heumagazin eingenistet hat: dieses Aeußerste wird jetzt in Nürnberg, das die Liebe, der Stolz, der nationale Schmuck von ganz Deutschland ist, geleistet durch den Abbruch der Ringmauern mit ihren Thürmen. Da blutet selbst dem einfachen Handwerksburschen das Herz über einen Verlust, in welchem der speculirende Geldsack nur klugen Gewinn sieht. Möchten doch die Herren Bürgermeister, Stadträthe und Stadtverordnete, und wie sie heißen mögen, die den Stab hierüber zu brechen haben, nur ein wenig bedenken, daß sie ihren Städten mit solch nie zu entschuldigender Demolirungswuth den empfindlichsten Schlag in’s Gesicht geben und ihren Säckel nicht wenig schädigen. Möchten sie in Betracht ziehen, daß der wahrhaft gebildete, sinnige Reisende selten eine Stadt besucht wegen einer neuen Fabrik, einer Kaserne, oder eines modernen Rath- oder gar eines imposanten Zuchthauses, sondern um jener Denkmale willen, der stummen und doch so beredten Dolmetscher der Geschichte unserer Väter, unseres Landes. Nur allzu viele Geister der Gegenwart sympathisiren mit jenem speculativen Kopfe, der die Heidelberger Ruine rasiren und an ihrer Stelle ein elegantes Etablissement à la Kroll in Berlin errichten wollte!

Das uralte „Scharfenberg“, von welchem wir dem Beschauer in nebenstehendem Bilde zwei Ansichten geben, den Haupteingang und eine Sicht vom Park aus, blieb glücklicher Weise von der Fürsorge gewisser Väter der Stadt verschont, einfach weil sie hier Nichts zu sagen hatten. Der Familie von Miltitz, in deren Besitz es sich befindet, gebührt das Verdienst, das Schloß ihrer Ahnen vor dem gänzlichen Verfall bewahrt zu haben, obwohl der derzeitige Besitzer nicht hier, sondern auf dem nahen nicht minder romantischen Siebeneichen wohnt.

Scharfenberg ist nächst der Meißner Albrechtsburg unstreitig eines der ältesten Bergschlösser des Meißnerlandes. Einige Schriftsteller wollen den Ursprung desselben in die Zeit König Heinrich’s des Vogelstellers verlegen, als er längs der Elbe eine Reihe von Burgen zum Schutz gegen die Sorben anlegte. In seiner jetzigen Gestalt besteht dieser ehrwürdige Rittersitz erst seit 1618, indem Sigismund von Miltitz ihm auf den Trümmern der alten Burg seine gegenwärtige Gestalt gab. Die örtliche Lage des felsigen Berges, auf dem Scharfenberg zweihundert Fuß hoch über der Elbe liegt, verbunden mit einigen anderen archäologischen Wahrnehmungen, lassen annehmen, daß heute noch wesentliche Baulichkeiten aus ältester Zeit herrühren, namentlich ein Theil der Ringmauer, der Brücke und der unterirdischen Räume, wie Pferdeställe, Gefängnisse und Burgverließ. Die Geschichte des Schlosses hängt in frühester Zeit mit dem Dasein der alten einst so berühmten Silberbergwerke zusammen; noch im vorigen Jahrhundert arbeiteten hier hundert Knappen, bis der Bau 1769 durch einen Wolkenbruch ersoff, und erst nach vollen hundert Jahren wieder in Betrieb gebracht wurde. Ob das Schloß im Hussiten- oder dreißigjährigen [27] Kriege eine Rolle gespielt, darüber ist nichts Zuverlässiges vorhanden. Auch die Sage von dem Ritter, der heute noch in Stein gehauen über dem Schloßthore steht, entbehrt jeder historischen Begründung. Man erzählt sich nämlich vom Fahnenträger der Besatzung Scharfenbergs im dreißigjährigen Kriege, der sich mit der Fahne lieber vom Thurme herabgestürzt (und noch dazu glücklich entkommen sei), als den Schweden übergeben habe. Das Steinbild des Ritters spricht schon für eine viel frühere Zeit. Auf den Trümmern eines vom Blitz zerstörten großen Thurmes mit Capelle hat Dietrich von Miltitz das sogenannte „Burggärtchen“ anlegen lassen, einen der schönsten Punkte unseres an herrlichen Fernsichten schon so reichen Elbthales.

Das Elbdampfschiff führt uns unmittelbar bis an den Fuß der alten Burg, die aus waldiger Höhe auf uns herabschaut, und ungefähr eine Meile von Meißen liegt. Wir steigen durch eine Allee alter Linden hinauf und betreten das Schloß durch das Portal, welches unser Bild zeigt; dasselbe führt in den malerischen Hof, der am Ende von einer mächtigen Linde beschattet wird.

Hinter einem eisernen Gitter sind Reste von Schädeln und anderen menschlichen Gebeinen aufbewahrt, die theils im Burgverließ, theils in den Burggräben aufgefunden wurden. Das Burgverließ, von dem wir eine getreue Copie liefern, was allerdings ohne die leuchtende Castellanstochter in diesem nächtigsten Dunkel nicht möglich gewesen wäre, liegt außerhalb des Schlosses zur Rechten. Es ist kaum zehn Schritte im Durchmesser und von rohen Steinen im Kuppelbau aufgeführt. Man steigt durch eine sehr enge und niedrige Pforte ungefähr zwölf Stufen hinunter und gelangt mittelst einer Leiter in die grausige Oede. Eine traurige Reliquie, ein Schädel, liegt noch auf einer Bank, und die in die Wände und an den Fußboden befestigten eisernen Haken und Ringe sind nur zu beredte Zeugen einer furchtbaren Justizpflege.

Die ebenfalls unterirdischen Gefängnisse, im Schloßhofe rechts gelegen, sind theilweise, wie die Pferdeställe, in Felsen gehauen. Zu diesen Gefängnissen führen ebenfalls sehr niedrige Thüren, und die Fensterlöcher sind so eng, daß sie eine Vergitterung überflüssig machen. In einer Vorhalle befinden sich noch die Ketten, Fesseln und Ringe, die hier gefunden wurden; es ist in der nämlichen, wo der alte, aus braunen Fliesen zusammengesetzte Schenktisch steht, der mit sehr guten Medaillon-Bildnissen der Kaiser Albrecht des Zweiten, Rudolph des Ersten, Maximilian des Ersten, Ferdinand des Zweiten, Friedrich des Dritten und Vierten und Maximilian des Zweiten verziert ist, die ebenfalls in Thon gebrannt sind. Ausdrücklich sei hierbei aber bemerkt, daß alle zu diesem Schenktisch verbrauchten Fliesen Reste eines riesigen Ofens aus Meißen sind.

Eine enge gothische Pforte am Ende des Schloßhofes führt in genanntes Thurmgärtchen, von wo aus man eine der entzückendsten Fernsichten genießt. Die Worte, die über dem Spitzbogen in lateinischer Sprache eingehauen sind, geben keine geringe Meinung von der Gesinnung des damaligen Schloßherrn, denn sie heißen auf deutsch:

Mag sie in Trümmern zerfallen, die vielgepriesene Veste
 Eines edlen Geschlechts, wenn nur der Edelsinn bleibt!

Die sonstigen Räumlichkeiten des Schlosses bewahren nur zum Theil einen eigenthümlichen Charakter und sind wegen ihrer großen Anzahl auch nur theilweise bewohnt. Zwei Zimmer mit schön gerippten gothischen Decken, sowie eine Treppe aus letzter Renaissance-Zeit sind von besonderm Interesse; ebenso ein Ofen von 1688, auf dessen Platte steht: „Fortuna ut luna“, „Das Glück ist wie der Mond“, das heißt, gleich wechselvoll.

Auf der Rückkehr stiegen wir thalwärts über das Gerölle, das neuerdings wieder aus dem Silberschacht „Güte Gottes“ zu Tage gebracht wurde, und warfen noch manchen Blick auf das alte Scharfenberg da oben, das wie ein Adler aus seinem Horste schaut. Mögest du immer so pietätvolle Herren haben wie jetzt! Das war der Wunsch, mit dem wir von der alten Burg schieden.

H. Kg.