Schön-Anne
1.
Schön-Anne strählt ihr schwarzes Haar,
Und hängt den Kopf in Trauer;
Sie spricht: „heut werd’ ich zwanzig Jahr
Und Jugend hat nicht Dauer;
Recht wie mein eignes liebevoll,
So muß ich’s balde finden.“
Legt Anne sich die Karten:
Bis über’s Jahr zu warten;
Sie seufzet: „wär’ erst wieder Mai,
Nicht eher athm’ ich froh und frei,
Bis ich ein Herz gefunden.“
Mit seinen Blumen allen,
Wohl mochte Manchem, der sie sah,
Die hübsche Dirn’ gefallen;
Doch Anne war ein Waisenkind,
Da hat die Lieb’ ein Ende.
„Gott, diese Herzensleere
Trag ich geduldig länger nicht,
Die Eltern hab ich kaum gekannt,
Niemals ein Herze mein genannt,
Ich will ein Herz besitzen.
Und als der Sonntag Abend kam
Sie fragte nichts nach Schand’ und Scham,
Und nichts nach ihrem Kranze, –
Sie suchte sich den Hübsch’sten aus,
Und nahm ihn keck mit sich nach Haus; –
Ließ keinen Spott sie scheuen,
Sie sprach: „ich weiß, was ich gethan,
Und nimmer soll’s mich reuen;
Das soll mir nun in kurzer Frist
Mein eigen Kind bezahlen.“
2.
Und über’s Dorf ging Jahr um Jahr,
Aufschoß manch schlanke Tanne,
Heißt lang nun „Mutter Anne“;
Jetzt, wenn im Krug brav Tänzer sind,
Geht schon der schönen Anne Kind,
Im Sonntagsschmuck zu Tanze.
Und stützt den Kopf in Sorgen?
Schlägt ihr das Mutterherz nicht froh
An jedem neuen Morgen?
Die Tochter kommt vom Tanz nach Haus,
Kind, halte Dich in Ehren!“
Die Tochter zieht ein schnippsch Gesicht,
Und spricht: „laß mich nur machen!
Ich dächt, ich hielt’ auf Ehr und Pflicht,
Und wenn ich leicht und locker wär’,
Es käm wohl nicht von ungefähr,
Hat alles seine Gründe.
Doch hat mir manche Neckerei
Den Glauben dran verdorben;
Wohl schuld ich dieses Leben Dir,
Doch, weiß es Gott, oft wünsch ich mir,
Sie spricht’s, ihr schwarzes Auge glüht,
Die Thür ist zugeflogen,
Und um die letzte Hoffnung sieht
Arm-Anne sich betrogen;
Um den ich allen Spott und Hohn
Mein Lebelang getragen!“
„Gott, es ist mein Verschulden!
Geziemet uns zu dulden; –
Entsagen kann die wahre Lieb’,
Es war die Selbstsucht die mich trieb,
Und bitter muß ich’s büßen.“