Sankt Stephan (Bürger)
Sankt Stephan war ein Gottesman,
Von Gottes Geist berathen,
Der durch den Glauben Kraft gewan,
Zu hohen Wunderthaten.
Und seine Himmelswissenschaft
Verdros die Schulgelehrten,
Die Erdenweisheit ehrten.
Und die Gelehrten stritten scharf
Allein die Himmelsweisheit warf
Die Irdische danieder.
Und ihr beschämter Hochmut san
Auf Rache an dem Gottesman.
Sie falscher Zeugen Zungen.
Und gegen ihn in Aufruhr trat
Die Jüdische Gemeinde.
Bald ris ihn vor den hohen Rath
Die falschen Zeugen stiegen auf
Und logen: Dieser hört nicht auf,
Zum sträflichsten Exempel,
Zu lästern Gott und Tempel.
Des Tempels Dienst zerstören;
Hinweg die Sazung Mosis thun,
Und andre Sitte lehren.“ –
Starr sah der ganze Rath ihn an;
Troz dem, was sie bezeugten,
Schien Engeln gleich zu leuchten.
„Nun sprich! Ist dem also?“ began
Der Hohepriester endlich.
Und deutete verständlich
Der heiligen Propheten Sin,
Und was der Herr von Anbegin,
Zu Juda’s Heil und Frommen,
„Doch, Unbeschnitt’ne“, fuhr er fort,
„An Herzen und an Ohren!
An Euch war Gottes That und Wort
Von je und je verloren.
Stets widerstrebt er Gottes Geist.
Ihr, so wie eure Väter,
Seyd Mörder und Verräter!
Nent mir Propheten, die sie nicht
Wenn sie aus göttlichem Gesicht
Des Heilands Kunst berichtet;
Des Heilands, welchen eur Verrath
Zu Tode jezt gekreuzigt hat.
Doch wolt ihn nie erfüllen.“ –
Und horch! ein dumpfer Lärm erschol.
Es knirschte das Getümmel.
Er aber ward des Geistes vol,
Und sah eröfnet, weit und breit,
Des ganzen Himmels Herlichkeit,
Und Jesum in den Höhen
Zur Rechten Gottes stehen.
„Ich seh’ im ofnen Himmel,
Zu Gottes Rechten, Gottes Sohn!“
Da stürmte das Getümmel,
Und brauste, wie ein wildes Meer,
Und, wie von Sturm und Wogen,
Ward er hinweg gezogen.
Hinaus zum nächsten Thore brach
Der Strom der tollen Menge,
Zerstossen im Gedränge;
Und tausend Mörderstimmen schrie’n,
Und Steine hagelten auf ihn,
Aus tausend Mörderhänden,
Als er den lezten Odem zog,
Zerschellt von ihrem Grimme,
Da faltet’ er die Hände hoch,
Und bat mit lauter Stimme:
Dem Volke diese Sünde nicht! –
Nim meinen Geist von hinnen! –“
Hier schwanden ihm die Sinnen.