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Sammelband Predigten

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Arnold Heinrich Sahme
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Titel: unbekannt
Untertitel:
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Herausgeber: unbekannt
Auflage: unbekannt
Entstehungsdatum: mglw. zw. 1717–1724
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Erscheinungsort: wahrscheinlich Königsberg
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Widmung und Vorwort aus einer Sammlung von Predigten
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[Ξ] [I]

Dem Hoch-Edlen/ Hoch-Achtbahren und Hoch-Weisen Herrn/

Herrn Martin Jeschke[1]/ Hoch-meritirten Bürger-Meister der Königl. Stadt Löbenicht Königsberg;

Wie auch

Denen Hoch- und Wol-Edlen/ dem Hochgelahrten/ denen Groß-Achtbahren und Hoch-Weisen Herren/

Herrn George Emmerich/ Med. D. wie auch Prof. Publ. Ord. und Hochansehnl. Voigten/

Herrn Heinrich Pöpping/ Hochbetrauten Camerario,

Herrn Johann Kinder/ Hochverdienten Richtern[2]/

Herrn Jacob Kühn/

Herrn Jacob Rohde/ Hoch-meritirten Ober-Kirchen-Vorstehern/

Herrn Reinhold Roß/

Herrn Christoff Ritter/

Herrn Gottfried Romberg/

Herrn Jacob Ranisch/

Allerseits Vornehmen Stadt-Räthen im Löbenicht/

und dann

Dem Hoch-Wol-Edlen/ Groß-Achtbahren/ und Hoch-Wolgelahrten Herrn/

Herrn Christian Johansen/ Hoch-meritirten Secretario unserer Stadt.

[II]
Denen Wol-Edlen/ Groß-Achtbahren und Wolweisen Herren/

Herrn Daniel Liedert/ Wolverdienten Schöpp-Meister[3]/

Herrn Johann Christian Kirchhoff/ Wolverordneten Vice-Schöpp-Meister/

Herrn Christian Tetzel/ Camerario,

Herrn Peter Glogau/

Herrn Friederich Peter Naumann/

Herrn Johann Wilhelm Schultz/

Herrn Bernhard Thurau/

Herrn Reinhold Ranisch/

Herrn Caspar Rhodmann/

Herrn Theodor Friderich Rücker/

Sämbtlichen Vornehmen Gerichts-Verwandten im Löbenicht/
und
Dem Wol-Edlen und Wolgelahrten Herrn/

Herrn Michael Kehler/ Verordneten Gerichts-Secretario,


[III]

Imgleichen

Denen Edlen/ Wol-Ehrenvesten und Vornehmgeachten Herren/

HERREN

Elter-Leuten/

und

Sämbtlichen Vornehmen Bürgern und werthen Mitgliedern der beyden geehrten Zünffte

Der

Herren Mältzenbräuer

und der

Herren Kauff- und Handels-Leute;

[IV]
Auch allen andern

Hoch-Adelichen/

Hoch- und Wolgelahrten/

Hoch- und Wol-Edlen/

Hoch- und Wolbenahmten/

Ehr- Sitt- und Tugend-begabten/

Dieser Gemeine

Eingewidmeten und sich hierher haltenden

Hauß-Vätern und Hauß-Müttern/

Wittfrauen und

Wäysen/

Meinen

Ingesambt Hoch- und Vielgeehrten Zuhörern/ und in Christo JEsu sehr liebwerthgeschätzten Pfarr- auch grösten Theils anvertrauten Beicht-Kindern/
Wünsche ich bei Uebergebung dieser Predigten von den allerheiligsten Wunden JEsu/ von JEsu dem Verwundeten und Gekreutzigten/ lauter Seegen/ Gnade/ Friede/ Heyl und ewgiges Leben!


[(1)]

Geliebte/ und durch das Blut JEsu Christi theuer erkauffte Seelen!

DAß alle rechtschaffene Christen die allerheiligste Wunden JEsu als etwas Schönes und Angenehmes lieben/ hoch und werth achten/ ist zur Gnüge bekandt. Es haben sich an den allerheiligsten Wunden JEsu schon hertzlich belustiget die Gläubigen im Alten Testament/ denn sie sind auch Krafft der Wunden JEsu seelig geworden/ gleich wie wir/ Actor. XV.1. Darum auch der geistreiche Prophet Esajas sehr deutlich von den Wunden JEsu redet/ wenn er im LIII. Cap. v.5[4] also schreibet: Er ist um unserer Missethat willen verwundet/ und um unserer Sünde willen zuschlagen/ [(2)] – durch seine Wunden sind wir geheilet. Imgleichen der Prophet Zacharias/ der von den Wunden JEsu also weissaget: So man aber sagen wird zu ihm: (verstehe dem HErrn Meßia) Was sind das für Wunden in deinen Händen? wird er sagen: So bin ich geschlagen im Hause derer die mich lieben/ Cap.XIII.6. Von den allerheiligsten Wunden JEsu hat auch der König und Prophet David gewust/ darum klaget er in der Persohn des leydenden Herrn Meßiä/ daß sie ihm seine Hände und Füsse durchgraben/ das ist/ verwundet haben/ Ps.XXII.17. Daß der König Salomo durch die Steinritzen und Felßlöcher/ derer er in seinem Hohen-Liede Cap.II.14. gedencket/ die Wunden JEsu verstanden/ haben schon längst viel heilige Väter der Kirchen als Gregorius, Isidorus Hispalensis, Bernhardus und andere mehr erwiesen. Die Thür an dem Kasten Noä haben sich die Gläubigen im alten Bunde als ein schönes Fürbild vorgestellet der geöffneten Seiten-Wunde des HErrn JEsu/ dannenhero auch der Heil. Augustinus in seinem XV. Buch von der Stadt GOttes schreibet:

[(3)] Quod arca Noae ostium accepit in latere, illud profectò vulnus est, quando latus crucifixi lanceâ perforatum est. das ist: Daß der Kasten Noä eine Thür in die Seite bekommen/ damit ist fürgebildet worden/ daß die Seite des gecreutzigten JEsu solte durchstochen werden. Ja eben dieser Augustinus, und mit ihm der bemeldte Isidorus, denen auch von unseren Gottes-Gelahrten Gerhardus und Balduinus Beyfall geben/ lehren/ daß sich die Väter des Alten Testaments auch die Seite des schlaffenden Adams als ein Fürbild der Seiten Wunde JEsu vorgestellet haben. Wie nun alle Gläubige im Alten Bunde die allerheiligste Wunden JEsu sehr hoch und werth geachtet/ also lieben dieselbe alle Christen im Neuen Testament um so viel mehr/ je klahrer und deutlicher sie sich die Wunden am Cörper des HErren JEsu selbst vorstellen können/ da jene Sie nur im Schatten-Werck betrachtet haben/ wie der Apostel Paulus[5] den Unterscheid des Alten und Neuen Testaments vorstellet cap.II. an die Colosser vers 17. Es haben die allerheiligste Wunden JEsu sehr hoch gehalten [(4)] die Heil. Apostel. Weil der Apostel Thomas[6] gewürdiget worden auf den Befehl des HErrn seine Hand in JEsu SeitenWunde/ und seine Finger in desselben Nägelmahl zu legen/ so ist leicht zu erachten/ daß er sich Lebenslang / ja in Noth und Todt an dem Andencken der allerheiligsten Wunden JEsu wird vergnüget haben. Weil der Apostel Paulus den gantzen gecreutzigten JEsum über aller schätzet/ daß er auch ausser ihm von nichts anders wissen will/ 1.Corinth.II.2. so wird Er auch seine allerheiligste Wunden eben also lieb und werth gehalten haben. Daß der Heil. Apostel Petrus ein grosser Liebhaber der Wunden JEsu gewesen/ erhellet unter andern aus seinem schönen Spruch/ da er im 1. Brief Cap. II.24. schreibet: Christus hat unsere Sünde selbst geopffert an seinem Leibe auf dem Holtz/ auf daß wir der Sünde abgestorben/ der Gerechtigkeit leben/ durch welches Wunden ihr seyd heil geworden. Eine gleiche Hochachtung haben nach den Heiligen Aposteln gehabt alle treue Lehrer und Knechte GOttes/ und das von Anfang der Christlichen [(5)] Kirchen. So war gesinnet der hocherleuchtete Hipponensische Bischoff der Heil. AUGUSTINUS[7], der suchte seine gröste Seelen-Vergnügung/ seine Ruhe und Sicherheit in den Wunden JEsu/ darumb schreibt er in seinem Manuali am 31. Cap. Tuta & firma requies est infirmis & peccatoribus in vulneribus Salvatoris. Securus illìc habito, patent mihi viscera per vulnera: Quicquid ex me mihi deest, usurpo mihi ex visceribus Domini mei, quoniam misericordiâ affluunt. das ist: Alle Schwachgläubige/ alle arme Sünder finden eine sichere und beständige Ruhe in den Wunden ihres Heylandes. Daselbst wohne ich auch am sichersten/ und schaue durch diese Wunden das Inwendige meines JEsu. Was mir fehlet und mangelt/ das nehme ich aus den Wunden JEsu/ weil sie von aller Barmhertzigkeit überfliessen. Eine solche Liebe gegen die theuren Wunden JESU hatte auch der fromme und gottseelige Abt BERNHARDUS, und schreibt er in der 61. Sermon. in Cantic. davon also: Et revera ubi tuta firmaq; [(6)] infirmis securitas & requies, nisi in vulneribus Salvatoris? Tantò illic securior habito, quantò ille potentior est ad salvandum. Fremit mundus, premit corpus, insidiatur Diabolus, non cado. Fundatus enim sum super petram firmam. Peccavi peccatum grande, turbatur conscientia, sed non perturbabitur, quoniam vulnerum Christi recordabor. das ist: Wo ist doch wol in Wahrheit mehr Sicherheit und Ruhe vor alle schwachgläubige Christen/ als in den Wunden unseres Heylandes? Ich ruhe darinnen desto sicherer/ je mächtiger mein JEsus ist mich zu beschützen. Brummet die Welt/ ficht mich Fleisch und Blut an/ verfolgt mich der Satan/ O ich falle darum nicht/ denn ich lehne mich auf einen starcken Felsen. Habe ich schwerlich gesündiget/ und wird mein Gewissen dadurch zaghafft/ O so verzage ich doch nicht/ weil ich mich stets der Wunden JEsu erinnere. Gleiche Gedancken führet der fromme und gelahrte Augustiner Mönch HUGO de S. VICTORE, wenn er in dem IV. Buch de Animâ cap.10. schreibet: In tribulationibus [(7)] omnibus nullum magis efficax remedium inveni unquam, quàm in vulneribus JEsu Christi. das ist: In allen Nöthen und Trübsahlen habe ich kein besseres Trost-Mittel gefunden/ als in den Wunden JEsu Christi. Herr Christoph von Möllendorff/ weyland Decanus der Primat-Kirchen zu Magdeburg/ ließ ihm ein Epitaphium machen/ und darauff das Bild des gekreutzigten JEsu mahlen. Er selbst lag vor dem Crucifix gantz nackend und ausgestreckt auf der Erden/ und sahe mit gefaltenen Händen und offenen Augen nach den Wunden JEsu/ und sagte bey der Anweisung die er dem Mahler gab: Da wil ich liegen als ein armer Wurm/ meine Augen zu meinem Heylande wenden/ und sol sein Blut herab auff meine Brust und Haupt fliessen. Und eine solche hertzliche grosse Liebe haben alle rechtschaffene Diener GOttes gegen die Wunden JEsu biß auf den heutigen Tag/ daß es viel zu weitläufftig fallen würde/ alle ihre Gedancken und erbauliche Liebes-Betrachtungen von den Wunden JEsu herzusetzen. Es ist auch solche Liebe [(8)] gegen die allerheiligste Wunden JEsu an treuen Knechten GOttes sehr vernünfftig/ billig und seelig zu preisen/ denn woher können sie wol bessern Trost/ die Seelen ihrer anvertrauten Zuhörer aufzurichten/ bessere Geschicklickeit/ ihr Ambt ruhmwürdig zu führen/ und bessere Beweißthümer die Grösse der Liebe JEsu ihrer Gemeine vorzustellen nehmen/ als eintzig und allein aus den allerheiligsten Wunden JEsu? Als der in GOtt seelig ruhende Lutherus zu einer Zeit wegen der Gnaden-Wahl sehr bekümmert war/ so wuste ihn der fromme Doctor Staupitz mit nichts bessers zu trösten/ als mit den Wunden JEsu. Mi Martine quaere praedestinationem tuam in vulneribus Christi: intuêre vulnera Christi & sangvinem pro te effusum, ex illis fulgebit tibi praedestinatio. d. i. Er sagte zu ihm: Mein lieber Martine suche deine Gnaden-Wahl in den Wunden JEsu. Schaue die Wunden JEsu und sein vor dich theuer vergossenes Blut an/ so wird dir daraus schon die rechte Gnaden-Wahl in die Augen leuchten. Kan ein frommer Lehrer die beste Geschicklickeit sein Ambt [(9)] ruhmwürdig zu führen lernen aus der H. Bibel/ so sind ja die allerheiligste Wunden JEsu ein vollkommener Begriff der gantzen Heil. Schrifft/ und sagt der sehr gelahrte und gottseelige Gerhardus Comment. in cap. IX. Ep. ad Hebraeos gar wol: Rutilantia Christi vulnera sunt Biblia practica, in quibus salus nostra invenitur. das ist: Die röthlich-gläntzende Wunden JEsu sind die rechte vollkommende Bibel/ in welcher unsere Seeligkeit gefunden wird. Die Wunden JEsu sind auch der stärckste Beweißthum seiner Liebe. Als Marius vor dem Römischen Rath wegen grosser Verrätherey angeklaget wurde/ und er vielmehr seine hertzliche Liebe vor das Vaterland behaupten wolte/ so riß er in des gantzen Volckes Gegenwart seine Kleider auf/ und zeigte ihnen die ihm im Kriege vor sein Vaterland geschlagene Wunden/ mit diesen Worten: Quid opus est verbis, ubi vulnera clamant? d. i. Was ist nöthig von meiner Liebe viel Worte zu machen/ da die Wunden selbst vor mich reden! So mag man sagen/ daß von der grossen Liebe JEsu gegen die Menschen seine Wunden der stärckste Beweißthum [(10)] sey/ und Bernhardus wol geschrieben:

Ex quo illuxit clarius
Quod nos dilexit Dominus
Quàm ex ejus vulneribus?

Welches ein Christl. Poët also übersetzet:

Komm her mein lieber Christ/ beschaue Christi Wunden/
Du findest solchen Trost/ dergleichen nie gefunden/
Hier siehest du daß er muß hertzlich lieben dich/
Weil er läst dir zu gut am Creutz verwunden sich.

Ja nicht nur Lehrer und Prediger/ sondern wie schon gesagt/ alle rechtschaffene und GOtt ergebene Christen lieben die Wunden JEsu über alles/ und finden darinnen ihre vollkommenste Seelen-Vergnügung/ daß sie sagen:

Deiner tieffen Wunden Bluten/
     So von deinem Leibe rann/
JEsu wie die Wasser-Fluthen
     Will ich täglich schauen an/
Mein Hertz schreyet mit Begier
JEsu/ JEsu stets zu dir/
     Ach laß mich doch hie auf Erden
     Durch dein Blut besprenget werden.

[(11)] Schon sie dem Leibe nach auf Erden und in ihren Häusern anzutreffen/ so sind sie doch ihren Gedancken und ihrem Verlangen nach nirgend anders als in den allerheiligsten Wunden JEsu/ hie wohnen sie nach dem Exempel jenes gottseeligen Grafen aus Franckreich des Eleazarii, von dem Dauroltius Catech. Hist Part. 1. p. 186 gedencket/ daß da seine Gemahlin in seiner Abwesenheit gern wissen wollen/ wo er sich aufhielte/ er ihr diese Antwort zurückgeschrieben: Dem Leibe nach bin ich frisch und gesund/ wiltu mich aber zu sehen bekommen/ so suche mich in der Seiten-Wunde meines HErrn JEsu Christi/ daselbst wohne ich/ daselbst wirstu mich finden und antreffen. Ist jene Margaretha in Ungarn niemahls zur Taffel/ und die Maria de incarnatione aus dem Carmeliter Orden[8] niemahlen zur Ruhe schlaffen gegangen/ biß sie zuvor die Wunden an einem Crucifix mit ihren Lippen ehrerbietig geküsset/ so küssen die gläubige Seelen mit einem heiligen Glaubens Kuß die allerheiligste Wunden JEsu/ nicht nur wenn sie essen und schlaffen gehen/ sondern allezeit/ alle Stunden/ alle Augenblick/ und sagen:

[(12)]

Mein Hertz gedenckt zu allen Stunden
HErr JEsu nur an deine Wunden.

Es rühmen die Bäpstler von ihrem Francisco, von welchem die grauen Mönche herstammen/ daß ein Seraphim ihn einmahl so hart an das Bild Christi gedrucket/ daß er eben solche Nägelmahl als der Herr JEsus gehabt/ an seinem Leibe bekommen. Imgleichen erzehlen sie von einer Cartheuserin[9]/ Nahmens Beatrix, daß sie ihr selbst die Hände durchlöchert/ dem verwundeten JEsu ähnlich zu werden/ und wenn dieselbe etwas geheilet/ so hat sie solche alle Freytag mit einem eysernen Nagel wieder durchstochen. Wie jenes nicht zu glauben/ so ist dieses als eine selbst erwehlte Andacht nicht zu loben. Allein gläubige Christen rühmen sich dieses alles geistlicher Weise/ sie tragen die Mahlzeichen des HErrn JEsu in stetem Andencken/ und nicht nur ihre Hände/ sondern ihr Hertz selbst ist durch eine heilige Liebe verwundet/ daß sie auch wol mit Bonaventura seufftzen: Domine nolo vivere sine vulnere, quia te vulneratum video. O mein HErr JEsu/ ich begehre nicht zu leben ohne Wunden/ weil ich dich verwundet sehe. Und schon sie [(13)] nicht mit Carolo einem Grafen in Flandern den Wunden JEsu zu Ehren alle Tage fünff Bettler kleiden/ so verehren sie doch täglich durch ein heiliges danckbahres Andencken die allerheiligste Wunden JEsu. Und wer wolte es denen GOtt geheiligten Christen verdencken/ daß sie so eyfferig und brünstig die theuren Wunden JEsu hie in dieser Welt lieben/ denn sie ein ewiges Gut/ deren sie sich mit einer ewigen Liebe ergetzen können! Alle Creatur- und Welt-Liebe wird bey dem Antritt der Ewigkeit auffhören/ aber die Liebe zu den Wunden JEsu wird ewig bleiben/ wir werden sie auch im Himmel in der seeligen Ewigkeit lieben/ sintemahl JEsus eben deßwegen die Narben seiner empfangenen Wunden/ auch an seinem verklährten Leibe behalten hat/ damit die Auserwehlten im Himmel bey solchem Anblick in heiliger Liebe an die Wunden ihres Erlösers dencken/ und ihm vor die daraus entstandene Seeligkeit ewig dancken möchten. Ich weiß wol/ daß einige nicht zugeben wollen/ ob solte der HErr JEsus die Narben seiner empfangenen Wunden an seinem verklährten Leibe behalten haben; Nun gehöret zwar diese [(14)] Frage nicht zum Grund unseres Glaubens oder zur Seeligkeit/ und kan deßwegen ein jeder bey seiner Meinung gelassen werden/ indessen ist doch die andere Meinung viel erbaulicher und tröstlicher/ und nennet der Heil. Augustinus deßwegen die Narben der Wunden JEsu Sacra Lipsana, heilige Reliquien, ein heiliges Uberbleibsel/ und Bernhardus sagt/ daß sie seyn: Signa intercessionis, Zeichen der Fürbitte/ die der HErr JEsus bey dem himmlischen Vater einleget. Und fallen dieser Meinung nicht allein bey Ambrosius, Cyprianus, Anshelmus, Leo Magnus, Thomas, Beda, Rupertus, Cornelius à Lapide, Vincentius, sondern auch von den Unserigen Gerhardus, Backius, Chemnitius, Pfeiffer; ja es hält Beda nicht uneben dafür/ es wären die Wunden JESU dort in der Seeligkeit den Auserwehlten eine Anreitzung Christo dem Erlöser Lob und Danck zu sagen vor sein Leyden und Sterben. Also sind die allerheiligste Wunden JEsu von Anfang der Welt geliebet worden/ sie werden auch noch biß auf den heutigen Tag von allen Frommen geliebet/ und werden auch von ihnen in alle Ewigkeit geliebet werden!

[(15)] Nun eine solche Liebe gegen die allerheiligste Wunden JEsu findet sich auch GOtt sey ewig Danck! durch die Regierung und Erleuchtung des H. Geistes/ in meiner Seelen! Ich kan wol sagen/ daß ich mir nichts Schöners/ nichts Tröstlichers und angenehmers vorstellen kan/ als die liebwerthen und theuren Wunden JEsu/ daß ich auch täglich mit dem H. Augustino flehe: Scribe Domine JEsu vulnera tua in corde meo, pretioso sangvine tuo, ut legam in eis tuum amorem & tuum dolorem. Tuum amorem ad contemnendum omnem alium amorem praeter te; tuum dolorem ad subeundum omnem alium dolorem propter te. d. i. Mein HErr JEsu schreibe doch deine allerheiligste Wunden mit deinem theuren Blut in mein Hertz/ daß ich darinnen lese deine Liebe und dein Leiden. Deine Liebe/ damit ich alle andere Liebe ausser Dir verachte; dein Leyden/ daß ich auch um deiner willen alles Leyden standhafftig ertrage. Es ist diese Liebe gegen die allerheiligste Wunden JEsu so groß in meinem Hertzen/ daß ich davon/ wie dieses Buch zeiget/ offentlich reden und predigen müssen/ bloß [(16)] zu dem Ende/ daß ich auch andere mehr zur heiligen Liebe gegen die allerheiligste Wunden JEsu ermuntern möchte. Und dieses mein Bemühen ist auch GOtt Lob nicht umsonst und vergebens gewesen/ denn IHR/ Ihr allerseits aus meiner Gemeine Geliebte und durch das Blut JEsu Christi theuer erkaufte Seelen/ seyd eben diejenige/ welche nebst mir die Wunden JEsu lieb und hoch halten. Ihr habt Eure Liebe gegen die Wunden JEsu bewiesen/ indem ihr diese Predigten/ die von den Wunden JEsu gehalten worden/ fleißig und aufmercksahm und mehrentheils in grosser Versammlung angehöret. Ihr habt auch eure Liebe gegen die Wunden JEsu entdecket/ indem Ihrer viel von Euch gewünschet diese Predigten gedrucket und öffentlich herausgegeben zu sehen. Weil ich denn Eurer so grossen Liebe gegen die Wunden JEsu versichert bin/ so glaube ich auch/ daß Ihr diese Predigten nicht allein so gern durchlesen werdet/ als begierig Ihr sie angehöret/ sondern daß ihr es auch nicht übel werdet vermercken/ daß ich denenselben Eure Geehrte und wehrte Nahmen habe vorgesetzet. [(17)] Denn wem solt ich wol lieber dieses Büchlein zuschreiben und übergeben/ als meiner Liebwerthen Gemeine/ und darunter fürnemlich E. Hochweisen Rath/ E. Wolweisen Gericht/ den Geehrten Zünfften der Herren Mältzenbräuer und der Herren Kauff-Leute/ wie auch allen anderen die von Vornehmen und Gringen zu unserer Kirchen gehören. Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude/ oder Krohne des Ruhms/ seyd nicht auch ihrs für unserm HErrn JEsu Christo/ zu seiner Zukunfft? Ihr seyd ja unsere Ehre und Freude/ mag ich ja billig mit Paulo schreiben: 1.Thessal.II.19.20. Ich kan Euch recht wie Paulus seine Corinthier[10] nennen: meine Liebsten 1.Cor.X.14. Sind denen Eltern ihre Kinder am liebsten/ so seyd Ihr ja meine geistliche Kinder/ meine Seelen- und Pfarr-Kinder/ ja mehrentheils meine Beicht-Kinder/ die ich gezeuget in Christo JEsu durchs Evangelium wie der Apostel Paulus redet 1.Cor.IV.15. Sind denen Müttern die Kinder noch lieber als den Vätern/ weil sie dieselbe mit Angst und Schmertzen gebähren/ O so seyd ihr [(18)] freylich meine Liebsten/ weil ich zu Euch sagen kan: Meine lieben Kinder/ welche ich abermahl mit Aengsten gebähre/ biß daß Christus in Euch eine Gestalt gewinne/ Gal.IV.19 Sind diejenigen uns die Liebsten/ die uns lieben und ihrer Liebe grosse und sichere Zeugnüsse ablegen/ so bleibet Ihr freylich meine Liebsten/ weil ich Eurer Liebe gnugsahm versichert bin: Ich habe eure Liebe alsobald erfahren bey dem Anfang meines Predigt-Ambts. Denn da mich der Allerhöchste GOtt recht wunderlich/ doch aber ordentlich und rechtmäßig Euch als einen Lehrer vorstellete/ nahmet Ihr mich so liebreich auf als einen Engel GOttes/ wie der Apostel Paulus von seinen Galatern rühmet cap.IV.14. Und diese Eure Liebe gegen mich hat sich nicht gemindert/ sondern mit den zunehmenden Jahren gemehret; denn ich kan wol mit Grund der Wahrheit sagen/ daß währender Zeit als ich bey Euch gewesen/ kaum eine eintzige Woche verflossen/ in welcher ihr mich nicht durch allerhand milde und güttige Wolthaten und Geschencke eurer Liebe und Wolgewogenheit versichert/ und daß nicht nur die Vornehme und Reiche/ sondern [(19)] auch diejenige/ welche vor der Welt eben nicht in so grossem Ansehen/ doch bey GOtt in desto grössern Ehren stehen/ dergestalt/ daß ich Euch sämbtlich vor der gantzen Welt zum Exempel einer liebreichen/ sehr wolthätigen und ihrem Priester zugethanenen Gemeine auffführen kan.

Wie hoch und sehr ich nun diese Eure Liebe und Güttickeit in meiner Seelen erkenne/ erkennet und weiß GOTT der Hertzens-Kündiger und Nieren Prüfer am besten/ denn eben diesem reichen u. Seegensvollen Vergelter trage ich Eure geist- und leibliche Wolfarth täglich in meinem andächtigen armen Gebeth vor/ und bitte daß Euch GOtt/ der da ist die selbständige Liebe/ wieder zeitlich und ewig lieben möge! Damit Ihr aber auch durch ein eusserliches Zeichen meiner schuldigen Gegen Liebe könnet versichert seyn/ so übergebe und schencke ich Euch allen ingesambt/ und einem jeden ins besondere diese Funffzehn Predigten von den allerheiligsten Wunden JEsu/ zu einem gringen doch immerwährenden Zeichen meiner gegen Euch/ vor so viele Liebes-Bezeigungen/ [(20)] verpflichteten Danckbahrkeit. Ich versichere mich/ daß keiner von Euch dieses Geschenck wird übel auffnehmen/ vielweniger dieses Buch hassen/ weil Ihr ja in der Welt nichts höher achtet als eben die allerheiligste Wunden JEsu/ davon denn dieses gantze Buch handelt. Noch ist wol kein Buch in der Welt herausgekommen/ welches nicht seine Tadler und Richter gefunden/ darum wird auch diese meine Arbeit schon gantz gewiß ihre Spötter haben/ doch das soll mir so wenig zu Hertzen gehen/ so wenig ein sanffter West-Wind eine grosse starke Eiche bewegen kan. Ich habe diese Predigten nicht um der Gelahrten willen ausgefertiget/ sintemahlen ich mich nimmermehr befleißige gelahrt/ wol aber einfältig und erbaulich zu predigen; und wer auch weiß in was vor einem schweren und mit vieler gehäufften Arbeit belasteten Ambt ich lebe/ der wird ohne Sünde was Haupt-gelahrtes von mir nimmer fordern/ wie ich denn auch mit Wahrheit schreiben kan/ daß eine jegliche von diesen Predigten in sehr wenigen Stunden/ und das noch unter mannichfaltigen Hindernüssen/ hat müssen verfertiget [(21)] werden. Doch wil ich indessen auch diese Predigten vor die allergelahrtesten achten/ wenn ich nur alle die sie lesen werden/ erbaue/ und ihre Seelen zum Himmel führe. Und in solchem Absehen übergebe ich nun auch Ew. Christl. Liebe diese einfältige Predigten/ mit hertzlicher Bitte/ dieselben so fleißig zu lesen/ als Ihr sie angehöret. Ich bitte zwar nicht um der Wunden JEsu willen/ daß ihr diese Predigten leset/ wie Johannes der II. König in Lusitanien[11] diesen Befehl gegeben: Man soll demjenigen nichts versagen/ welcher um der Wunden JEsu willen was bittet. Aber das bitte ich Euch wol allesämbtlich von Grund meiner Seelen/ daß Ihr doch in eurem gantzen Leben nichts höher achtet und nichts so sehr liebet als die allerheiligste Wunden JEsu/ so werdet Ihr zeitlich und ewig die Allerglückseeligsten seyn und bleiben. Ich wünsche indessen Euch allen Seegen aus den Wunden JEsu! So offt E. Hochweiser Rath und E. Wolweises Gericht in ihrer Rath- und Gericht-Stube sitzet/ so offt seyn die allerheiligste [(22)] Wunden JEsu ihre Bücher der Weißheit/ aus denen Sie lernen mögen alle ihre Rath- und Anschläge klug und weißlich zur Ehre des Dreyeinigen GOttes und zum ferneren Aufnehmen unserer Stadt anzustellen und auszuführen. Wenn die Löblichen Zünffte des Herren Mältzenbräuer und der Herren Kauff-Leute zusammentreten ihre Gespräche/ ihre Unterredungen und Berathschlagungen zu halten/ so seyn die Wunden JEsu ihr Urim und Thummim, ihr Licht und Recht/ daß Sie jederzeit das Beste erwehlen und erfinden mögen! Die Wunden JEsu seyn eure hohe Schul Ihr Gelahrten; die Wunden JEsu seegnen Euch in eurer Brau-Nahrung; die Wunden JEsu seyn euer Gewinn in eurem Handel und Wandel; die Wunden JEsu stärcken Euch ihr Alten; die Wunden JEsu befördern euren Wachsthum zu allem Guten ihr Junge! Die Wunden JEsu seyn eure Lehr-Bücher ihr Jünglinge; Die Wunden JEsu seyn eure Spiegel ihr Jungfrauen; die Wunden JEsu versöhnen Euch bey Eurer Buß- und [(23)] Beicht-Andacht; die Wunden JEsu speisen und träncken Euch wenn Ihr zum Heil. Abendmahl gehet; die Wunden JEsu seyn euer Schutz und Schirm ihr Geseegnete; die Wunden JEsu machen euch reich ihr Arme; die Wunden JEsu geleiten Euch ihr Reisende! Die Wunden JEsu trösten Euch ihr Traurige/ Betrübte und Angefochtene! O die Wunden JEsu sind das rechte Trost Brünnlein Israelis; Darum

Wenn ihr betrübt in eurem Sinn
So laufft zu JEsu Wunden hin/
zu seiner offnen Seiten-Höhle/
Da findet Ihr vor Ach und Weh
Die allerbeste Panacé
Das recht bewehrte Linderungs-Oehle/
Das streichet Euch bey allem Schmertz
Im Glauben auf das matte Hertz.

Und wenn es endlich zum Sterben kommt/ so verleihe der gecreutzigte JEsus daß ihr in seinen allerheiligsten Wunden [(24)] seelig einschlaffen/ und durch die Wunden JEsu als durch die allerherrlichste Ehren-Pforten/ Alle/ Alle/ kein eintziger ausgenommen/ zur himmelischen seeligen Freude nebst mir eingehen möget! Solches wünschet von Hertzen

Euer Aller


treuester Fürbitter bey GOtt
M. Arnold. Heinr. Sahme
Archi-Diac. Loebnic.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Martin Jeschke (* ??? | † 2.10.1716 in Königsberg Löbenicht), Bürgermeister der Stadt Königsberg Löbenicht
  2. Dies ist zusammen mit den weiteren Anhaltspunkten ein Hinweis darauf, dass der Stifter dieses Buches dem Gericht, also dem Stadtrat entstammt.
  3. historische Schreibweise für Schöffenmeister, einem Beruf bzw. einer Stellung aus dem Gerichtswesen (vgl. [1])
  4. Vorlage: 3
  5. Apostel Paulus
  6. Apostel Thomas
  7. Augustinus von Hippo
  8. Karmeliten
  9. Kartäuser
  10. Briefe des Paulus an die Korinther
  11. Lusitania (Provinz)